Die Bayern und ihre eigene Liga

Als sich das Trio an der Seitenlinie zur Einwechslung bereitmachte, hob der Stadionsprecher des FC Bayern seine Stimme, man konnte ein vergnügtes Schmunzeln vernehmen. Das Raunen und Staunen der Fans in der Allianz Arena war da längst verklungen, die sorgenvolle Verwunderung hatte bei Bekanntwerden der Aufstellung schon die Runde gemacht.
FC Bayern wechselt auf einen Schlag 275 Millionen Euro ein
Womit keiner rechnen konnte: Dass die Einwechslung des Offensivtrios Harry Kane, Michael Olise und Luis Díaz im Grunde die bedeutendste Szene des 21-Tore-Sturms der Bundesliga während des 3:0 gegen Bayer Leverkusen sein würde – zur Einordnung: vor diesem neunten Spieltag kam lediglich Eintracht Frankfurt als komplettes Team auf 21 Treffer.
Was für ein Luxus, wenn es sich ein Trainer wie Vincent Kompany leisten kann, das Luxus-Trio eine knappe Stunde draußen zu lassen. Mit Kane, Olise und Díaz kamen auf einen Schlag 275 Millionen Euro Marktwert ins Spiel. Die teuerste Einwechslung der Bundesliga-Geschichte brachte wenig bis gar keine Rendite – war nicht nötig, es stand ja schon 3:0 im Duell des Meisters mit dem Vizemeister, dessen Doublegewinn den Rekordmeister 2024 gehörig geärgert – und in der Folge - motiviert hatte.

Rotation de luxe: Kompany mit sieben Wechseln
Die nach einem Mega-Umbruch neu formierte Leverkusener Elf agierte ängstlich, viel zu passiv, blieb harmlos. Kapitän Robert Andrich, eines der wenigen verbliebenen Double-Gesichter, gab nach dem 0:3 zu: „Wir waren in der ersten Halbzeit nie in dem Modus, dass wir Bayern Paroli bieten können, waren immer zu langsam. Das nutzt Bayern aus. Dafür sind sie einfach zu gut – egal, wer da spielt.“ Und es spielten anfangs eben nicht die Besten, eine 1B-Elf. Sieben (!) Wechsel nahm Kompany in seiner Startformation vor – Rotation de luxe. Sechs aktuelle Stammspieler, die am Mittwoch im DFB-Pokal beim 4:1 in Köln begannen, blieben zunächst draußen.
Warum Kompany das macht? Weil er es kann, das Standing dafür hat er angesichts der Erfolgssträhne. Kein Spieler muckt auf. 1:0-Torschütze Serge Gnabry sprach von „ein wenig Verwunderung“ über die Aufstellung, sagte: „Es ist ein gutes Zeichen, wenn der Trainer in so einem Spiel auf die anderen setzt.“ Es funktionierte bestens. „Ich habe nach diesem Sieg noch mehr Vertrauen gewonnen, was die Mannschaft alles schaffen kann“, meinte Kompany und relativierte: „Klar sind wir besser, wenn Harry spielt und in Topform ist. Aber ich habe gefühlt, etwas anders zu machen.“ Wie er seine große Rotation nennt? „Ich sage dazu Konkurrenz.“ Cleverer Kniff für die Kabinen-Atmosphäre.
Nächste Herausforderung wartet schon
Und so erteilte die neu formierte Bayern-Elf den Leverkusenern, die zuletzt vier Liga-Erfolge am Stück einfuhren und 37 Auswärtspartien ungeschlagen geblieben waren, eine Lehrstunde, setzte laut Gnabry „ein Ausrufezeichen“. Für Leverkusens Spanier Aleix Garcia ist „Bayern momentan die beste Mannschaft in Europa“. Die Münchner bauten ihre Europarekord-Serie auf nun 15 Pflichtspielsiege seit Saisonstart aus. In der Bundesliga hat man alle Möchtegern-Rivalen eindrucksvoll besiegt – vor Leverkusen schon RB Leipzig (6:0) und Frankfurt (3:0) und nur ein wenig gewackelt am Ende des 2:1 gegen Dortmund. Die Sachsen sind nun auf fünf, der BVB auf sieben und die Werkself auf zehn Punkte distanziert. Ein Klassenunterschied nach nur neun Spieltagen. Diese Bayern haben hierzulange keine Gegner mehr, spielen in einer eigenen Liga.
Am Dienstag ist Champions League, die höchste Herausforderung wartet. Deutschlands Primus tritt bei Titelverteidiger Paris St.Germain (21 Uhr, Prime Video) an. Mit der Köln-Elf, der Best-of-Auswahl. Sind die Münchner nach dem dramatischen 0:2 Anfang Juli im Viertelfinale der Klub-WM gegen PSG, bis dato das letzte nicht gewonnene Spiel, in der Rolle des Außenseiters? Nicht ganz, es riecht nach Augenhöhe. „Ein geiles Spiel. Wir haben es uns verdient, dass wir voller Enthusiasmus in dieses Spiel reingehen und genießen“, sagte Kompany. Er fordert: „Es muss Rock 'n' Roll sein.“ Mit voller Kapelle.