Die Angst vor den Fans

Auch zwei Tage nach der Südkurven-Aktion mag sich der FC Bayern nicht äußern - die Diskussion wird erst einmal aufgeschoben.
von  Thomas Becker


Auch zwei Tage nach der Südkurven-Aktion mag sich der FC Bayern nicht äußern - die Diskussion wird erst einmal aufgeschoben.

München - Es gibt nicht viele Sportvereine, die mehr Mitglieder haben als der FC Bayern. Bei Benfica Lissabon sind es 200000, beim FC Barcelona kaum weniger und beim deutschen Rekordmeister 195710 (Stand Februar 2011). Im abgelaufenen Geschäftsjahr setzte Bayern 39 Millionen Euro mit Merchandising um. Die Mitglieder sind organisiert in 2830 Fanklubs. Doch einige von ihnen sind nicht gut auf die Führung ihres Klubs zu sprechen. Sie sind sauer, und zwar dermaßen, dass sie den Klubpräsidenten im Stadion 90 Minuten lang mit einer Plakat-Aktion beleidigen. Und was tut der FC Bayern? Schweigt. Aus Angst vor den eigenen Fans?

Auch an Tag zwei nach der plakativen Hoeneß-Beschimpfe fehlt von der Vereinsführung (bis auf Christian Nerlingers „Eine Schande für den FC Bayern“) bislang jegliche Stellungnahme. Auf den bereits in der vergangenen Woche veröffentlichten Offenen Brief der Fanclub-Organisation „Club Nr. 12“ an Uli Hoeneß bekamen die Fans noch keine direkte Reaktion. „Es hieß in einem kurzen Telefonat nur ’Wir müssen darüber ausführlich sprechen’“, meinte Stefan Viehauser vom „Club Nr. 12“, „ansonsten können wir noch nichts Handfestes vermelden“ Man werde praktisch dazu erzogen, diesen eher heftigeren Weg der Plakat-Aktion zu gehen, da man sonst ja nicht gehört werde, so hhauser. Das Ganze sei vor allem ein Kommunikations-Problem: „Es wurde vom Verein viel gesagt und dann aber anders gehandelt. Deshalb haben wohl viele Fans das Gefühl, belogen worden zu sein.“

Der „Club Nr. 12“ ist im Stadion nicht präsent, ist kein Fanklub, sondern eine Art Dachorganisation aktiver Fanklubs und war auch laut Viehauser bei der Aktion vom Samstag „nicht involviert“, so Viehauser, „das sind ja unterschiedliche Fanklubs, nicht nur die ’Schickeria’“.

Dass es sich bei den Protestlern nicht nur um ein kleines Häufchen chronisch Renitenter handelt, war am Samstag nicht zu übersehen. Schon vor der Partie hatten mehr als 130 Fanklubs inhaltlich den Offenen Brief an Hoeneß unterstützt, selbst die sonst so Hoeneß-freundlichen „13 Höslwanger“. Mehr als 2000 Anti-Löwen-T-Shirts waren in der Südkurve zu sehen. Es ist also nicht nur die „Schickeria“, die aufbegehrt und deren Auseinandersetzungen mit dem Verein und Uli Hoeneß im Speziellen schon Tradition haben. Unvergessen auch Hoeneß’ Wutrede gegen die Fans bei der Jahreshauptversammlung im November 2007 („Wer glaubt ihr eigentlich, wer euch finanziert? Das sind die Leute in der Loge, denen wir das Geld aus der Tasche ziehen").

So unflätig und deplaziert der Plakatprotest auch ausfiel: Bei der Kommunikation mit den eigenen Fans liegt vieles im Argen. Raimund Aumann, der Fan-Beauftragte, kommt in den Internet-Foren nicht gut weg. Aumann kenne sich auf der Haupttribüne aus, nicht aber in der Kurve, so der Tenor. Aumanns Reaktion bisher ist die des FC Bayern: Schweigen.

 


 

Die Südkurve

Stefan Viehauser, Fanclub-Organisation „Club Nr. 12“: „Die Plakat-Aktion war doch nichts Schlimmes. Es wurde ja nicht zu Gewalt aufgerufen. Der Löwe im Fadenkreuz ist ja eher ein Symbol. Außerdem gibt es dieses Plakat schon seit vielen Jahren in der Südkurve. Nach dem Gladbach-Spiel kamen jedenfalls überraschend viele Sitzplatzleute zu uns in die Kurve und fragten, wo es diese T-Shirts mit dem Löwen im Fadenkreuz gibt. Wir wollen einfach, dass der FC Bayern kein Geld mehr in 1860 steckt. Das ist doch deren Problem, nicht unseres. Es kann doch nicht sein, dass unser Präsident deren Probleme löst. Seit Monaten hieß es, es werde den Löwen nicht mehr geholfen – und dann wurde doch geholfen. Von uns wird kein Protest ausgehen. Das ist derzeit nicht sinnvoll. Man muss nun den direkten Weg zum Verein suchen – der wurde vom Verein zuletzt nicht eingeschlagen. Wir hoffen, dass nun auf die Fans eingegangen wird. Der Ball liegt jedenfalls auf der Seite des Vereins.“


Die Bayern-Bosse

 

Markus Hörwick, Mediendirektor des FC Bayern: „Zu diesem Thema wird es vom FC Bayern heute aufgrund einer internen Entscheidung keine Stellungnahme geben."


Das Fanprojekt

 

Bei der Koordinationsstelle Fanprojekte, einem Sozialprojekt der Stadt, heißt es: „Als erste Kommune finanzierte die Stadt bereits Ende der 70er Jahre die Betreuung von Fußballfans durch Streetworker des kommunalen Jugendamtes. Gerade die ,Härtegruppenarbeit’, wie sie über Jahre hinweg höchst erfolgreich durch kommunale Straßensozialarbeit geleistet wurde, hat Tradition und konnte auf dem Gebiet der Fußballfanarbeit auf hohem fachlichen Niveau ausgebaut werden.“ Zur aktuellen Situation durfte Günter Krause, der Leiter des Fanprojekts, nicht Stellung nehmen.


Die Haupttribüne

 

Till Hofmann (Lustspielhaus-Chef und Tribünen-Stammgast): „Ich glaube, dass Uli Hoeneß als aktiver Manager auf der Bank viel mehr Ausstrahlung – zum einen auf die Mannschaft, zum anderen auf die Fans – hatte. Der Manager, der hinter, auf und für den Verein stand, repräsentiert diesen im Moment in unglücklichen Talksendungen mit wenig Unterhaltungswert. Auf dem Platz steht mit Christian Nerlinger ein Nachfolger, der noch nicht über die Strahlkraft und Begeisterungsfähigkeit des Originals verfügt. Erst wenn einer unten steht, der die Integrationsfähigkeit von Fans und Team beherrscht, wird Hoeneß gelassener sein und auch weise werden wie einst der Kaiser, der so was nicht erleben musste – weil unten ja der Uli hockte. In der Kritik der Fans würde man sich etwas Humor wünschen. Diese momentanen Aussagen der martialischen Quäker entstammen der Sahelzone des sportlichen Fanintellekts. Diese Plakate sind nicht angemessen, peinlich und primitiv, aber bei einer Massenveranstaltung nicht zu verhindern.“

 

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