Der rote Rückpass (15): Hans Dorfner
Hans Dorfner - schon in seiner Zeit beim FC Bayern praktizierte der Spielmacher den "Barca-Stil".
AZ: Herr Dorfner, zu früh zum FC Bayern zu gehen, hat so manchen talentierten, jungen Spieler seine Karriere gekostet. Sie haben zwei Jahre in der Jungend bei Bayern gespielt und wurden dann zunächst nach Nürnberg ausgeliehen – ein guter Weg?
HANS DORFNER: Der Zeitpunkt war goldrichtig. Eigengewächse haben es beim FC Bayern immer schwer gehabt. Für die von außen eingekauften Spieler wird viel Geld bezahlt, sie haben bereits einen Namen – natürlich setzt man die ungern auf die Bank. In Nürnberg spielte ich sofort in der Stammmannschaft, genoss schnell großes Ansehen und konnte mir einen Namen machen. Als ich dann zu Bayern zurückkehrte, habe ich mich durchgesetzt.
Beinahe wäre es nicht so gekommen. Udo Lattek soll kurz vor Ihrem Wechsel nach Nürnberg, versucht haben, Sie zurückzuhalten.
Lange vor Saisonbeginn stand fest, dass mich die Bayern nach Nürnberg ausleihen würden. Dann bestritten wir das erste Ablösespiel für Karl-Heinz Rummenigge bei Inter Mailand. Ich wurde in der Halbzeit eingewechselt und machte ein Superspiel als Stürmer, worauf mich Trainer Udo Lattek nicht mehr gehen lassen wollte. Erst nach zähen Verhandlungen erreichte Manfred Müller, der damals als Manager beim Club einstieg, meine Freigabe.
...und Sie trafen auf den Trainer, dem man nachsagt, Sie zum überragenden Spielmacher geformt zu haben.
Heinz Höher. Er war mit Sicherheit die wichtigste Person in meiner Karriere. Ihm habe ich alles zu verdanken. Ich kam als Stürmer vom FC Bayern und Höher sagte zu mir: „Du bist jetzt mein Spielmacher, das schaffst Du schon.“
Sie hatten ein Handicap, Ihre Verletzungsanfälligkeit, bereits mit 29 Jahren mussten Sie die Fußballschuhe an den Nagel hängen – was hätten Sie noch alles erreichen können?
Ich hätte mit Sicherheit noch eine große Karriere vor mir gehabt. Aber ich habe den verpassten Chancen nie nachgeweint. Gerade durch die Verletzungen, die mich meine ganze Karriere über immer wieder zurückgeworfen haben, habe ich mir eine positive Lebenseinstellung angewöhnt. Jammern gehörte nicht zu meinem Repertoire.
Sie waren in Nürnberg der Publikumsliebling, der Führungsspieler, bei Bayern war die Konkurrenz ungleich größer – Sie hätten beim Klub bleiben können.
Schon als Kind war mein großes Ziel: Ich will beim FC Bayern Stammspieler werden, ich will Spielgestalter sein, ich will Meisterschaften gewinnen und im Europacup spielen. Meine Rückkehr zu Bayern hatte also sportliche Gründe.
Sie galten als der „König des schnellen, direkten Spiels“ – wie viel vom heutigen Barcelona steckte in Ihrem Spiel?
Meine Spielweise war ähnlich, wie die, die heute in Barcelona praktiziert wird. Ich vergleiche meine Spielweise durchaus mit Barca. Auch wenn mein riskantes Passspiel immer wieder auch zu Fehlpässen geführt hat.
Welche Mannschaft beeindruckt Sie heute am meisten?
Barcelona. Natürlich war der Sieg über den FC Bayern in der Champions League, für die Münchner ein Debakel, aber ich habe selten eine Mannschaft so perfekt aufspielen sehen wie Barcelona. Eine Demonstration der Freude am Fußball. Allein die Körperhaltung, der Umgang der Spieler untereinander, das Tempo – da kann sich so manch ein Spieler in der Bundesliga eine Scheibe abschneiden. Bei dem ein oder anderen in der Bundesliga fragt man sich, warum spielt der überhaupt - wenn er so wenig Spaß an seinem Beruf hat.
Ein Ribéry hat durchaus Spaß am Fußball – offensichtlich aber nicht mehr beim FC Bayern.
Natürlich ist Ribéry auf Dauer nicht zu halten. Die Weltklasse-Spieler findet man heute in England oder Spanien.
Welche europäische Liga verkörpert heute am ehesten Ihr Ideal vom Fußball?
Zweifellos England: Wenige Unterbrechungen, Schnelligkeit, immer der Versuch, in kürzester Zeit zum Torabschluss zu kommen. Hinzu kommt die großartige Stimmung in den Stadien.
Ihre Identifikation mit dem Club war groß, mit den Bayern feierten Sie die ganz großen Erfolge. An welchem Verein hängt heute Ihr Herz?
Ich habe zu beiden Vereinen ein sehr gutes Verhältnis, verbringe aber mehr Zeit beim FC Nürnberg. Die Atmosphäre ist familiärer und gemütlicher. Niemand braucht einen VIP-Bereich und die Spieler müssen nicht abgeschirmt werden. Ich gehe gerne auf das Gelände, um zu Plaudern, ein Bierchen zu trinken und eine Bratwurst zu essen.
Rampenlicht und Star-Allüren sind nicht Ihre Welt?
Ich bin ein bodenständiger, heimatverbundener Typ, das Rampenlicht habe ich nie gesucht.
Wie wichtig ist Fußball heute in Ihrem Leben?
Fußball ist immer noch meine Hauptaufgabe. Mit einem Abstrich: Der Profifußball hat keinen großen Stellenwert mehr in meinem Leben. Ich leite eine Fußballschule und versuche den Kindern Freude am Spiel zu vermitteln.
Eine Talentschmiede?
Keineswegs. Die Kinder müssen in der Schule und oft auch von den Eltern genug Druck ertragen. Bei uns kann jeder mitspielen. Wenn die Kinder nach Hause gehen und sagen: „Ich hatte eine tolle Zeit“, dann habe ich meine Arbeit gut gemacht.
Interview: Boris Breyer