Der rote Rückpass (14): Klaus Augenthaler
15 Jahre spielte Klaus Augenthaler für den FC Bayern, in 404 Spielen erzielte der Abwehrspieler und Libero 52 Tore, für die Nationalmannschaft bestritt er 27 Länderspiele und wurde 1990 Weltmeister. Seit seinem Rauswurf beim VfL Wolfsburg ist Augenthaler als Trainer ohne Job.
AZ: Herr Augenthaler, haben Sie das Rauchen in der Zwischenzeit aufgegeben?
KLAUS AUGENTHALER: Ich rauche nach wie vor.
Rauchen und Profifußball - heute eine undenkbare Kombination!
Ein guter Profi raucht nicht. Dementsprechend habe ich auch immer versucht, es zu verheimlichen.
Wie klappte das auf Mannschaftsreisen?
Schwierig war es, wenn wir mit der Nationalmannschaft unterwegs waren. Während andere Nationalitäten, wie beispielsweise die Schweden, am Abend in der Hotellobby ihre Zigaretten ansteckten, mussten wir heimlich auf die Zimmer schleichen.
Schon mal eine in der Halbzeitpause eine inhaliert?
Auch das ist vorgekommen.
Ihrer sportlichen Karriere war das anscheinend nicht abträglich, sowenig wie das ein oder andere Weißbier.
Das ein oder andere Weißbier hat damals jeder getrunken. Viel war es nie und unsere Leitung auf dem Platz haben wir trotzdem gebracht.
In Ihrer Funktion als Trainer: Wie frei durften Ihre Spieler über ihren Lebenswandel verfügen?
Da gilt eine Formel: „Was man als Spieler selbst verbrochen hat, verbietet man als Trainer.“
Wer führt bei Ihnen zu Hause das Kommando?
Zu Hause führt meine Frau das Kommando. Sie hat den Plan, sie hat den Blick für das, was im Haushalt erledigt werden muss. Ich war während meiner ganzen beruflichen Laufbahn viel unterwegs.
Packen Sie jetzt, da Sie im Ruhestand sind, mit an?
Ich helfe im Haushalt mit und sehe in der Zwischenzeit auch was zu tun ist, damit so ein großes Haus in Schuss bleibt. Jetzt bin ich - nehmen Sie das nicht zu wörtlich - der Befehlsempfänger.
Sie denken in Hierarchien?
Ich bin beim FC Bayern aufgewachsen. Udo Lattek hat mich zum Kapitän gemacht, da muss man Verantwortung übernehmen. Aber ich hatte auch immer sehr viele Mitstreiter, ohne die kann man nichts erreichen. Einer alleine kann den Erfolg nicht erzwingen, eine Mannschaft muss gemeinsam wachsen.
Welche Philosophie leben Sie heute?
Ich genieße meine freie Zeit sehr und mache auf was ich Lust habe. Ich gehe leidenschaftlich gerne Fischen und hin und wieder spiele ich Tennis.
Eine eher ruhige Sportart für einen ehemaligen Fußballer.
Ich genieße die Ruhe, mir mit den Dingen Zeit zu lassen. Die fußballfrei Zeit, als Spieler und als Trainer, war kein Urlaub, man war immer mit seinem Beruf beschäftigt.
Und weniger mit der Familie.
Die Sorgen meiner Kinder, wie Liebeskummer oder Noten, konnte ich mir immer nur am Telefon anhören, ich konnte nie aktiv helfen. Jetzt habe ich Zeit, mich um meine beiden Töchter zu kümmern.
Als ein Familieneunternehmen betrachtet auch Uli Hoeneß seinen FC Bayern? Sind Sie Familienmitglied?
Ich habe dem FC Bayern viel zu verdanken, aber ich habe ihm auch alles zurückgezahlt.
Klingt, als gäbe es Familienprobleme.
Man hat mir 1997 nahegelegt, den Verein zu verlassen.
Sie waren damals Co-Trainer beim FC Bayern - was hatten Sie sich erhofft?
Als Spieler, der sich in dem Maße wie ich um den Verein verdient gemacht hat, wollte ich natürlich nicht ewig Co-Trainer bleiben. Und so war das auch nicht geplant, ich sollte langsam aufgebaut werden. Aber es ist im Fußball, wie es der Franz Beckenbauer mal so schön gesagt hat: Was interessiert mich das, was ich gestern gesagt habe. Ich habe mich als Bauernopfer gefühlt.
Wie ist heute Ihr Kontakt zum FC Bayern?
Ich spiele noch für das FC Bayern Allstar-Team. Aber nach unserer letzten Niederlage, bin ich mir auch da nicht mehr sicher. Ich habe mehr Spaß, wenn ich gewinne. Wenn ich als FC Bayern auftrete, muss ich alles geben und ich hatte den Eindruck, das ist bei den Allstar-Spielen nicht passiert. Ich denke in solchen Momenten wie früher: rot-weiß!
Was hat sich in verändert bei rot-weiß im Vergleich zu früher?
Früher blieben Trainer und Mannschaft oft sieben, acht Jahre zusammen, da konnte etwas wachsen. Uli Hoeneß denkt, dass alle denken wie er, aber die Zeiten haben sich geändert: Heute hat jeder Spieler drei Berater. Beim FC Bayern spielen kaum mehr Spieler, die aus Deutschland kommen und die Fluktuation bei Spielern und Trainern ist viel größer geworden.
Diese Fluktuation hat auch dazu geführt, dass sich das Trainerkarussel in der Bundesliga wieder kräftig gedreht hat - Sie haben keinen neuen Job in Aussicht?
Ich habe einige Angebote aus dem Ausland, aber ich habe mich, mitunter aus familiären Gründen für einen Verbleiben in Deutschland entschieden. Aus der Bundesliga hat sich bisher niemand um mich bemüht - anscheinend suchen Sie erfahrenere Trainer.
Was unterscheidet den Spieler und den Trainer Augenthaler?
Im Grunde nicht viel. Niederlagen sind für mich sowohl als Spieler, als auch als Trainer, immer problematisch gewesen. Ich habe jede Niederlage als persönliche Niederlage empfunden.
Für Rudi Völler wäre es 1985 beinahe die letzte Niederlage gewesen - Sie hatten Ihn unverhältnismäßig schwer gefoult.
Rudi und ich wussten was passiert ist. Die schwere der Verletzung war nicht auf das Foul, sondern auf Leistenprobleme, die er schon vorher hatte, zurückzuführen. Problematisch war die Sache vor allem zwischen dem FC Bayern und Werder Bremen. Rudi und ich hatten jedenfalls nie ein Problem.
Wohin zieht es den Trainer in Ihnen?
Ich begeistere mich momentan vor allem für die englische Liga und sehe Fußball seit meiner Zeit beim VfL Wolfsburg mit anderen Augen. Ein gutes Beispiel für hervorragende Arbeit ist Arsene Wenger, ich habe ihm bei der Arbeit über die Schulter geschaut.
Was unterscheidet die Arbeit in der Premier League von der Arbeit in der Bundesliga?
Es herrscht eine andere Fußballphilosophie. Kontinuität und langsames Wachsen stehen im Vordergrund. Die Arbeitsverhältnisse sind langfristig angelegt und es herrscht großer Respekt zwischen Trainer, Spieler und den Vereinsführungen.
Werden Sie die Angelrute vielleicht doch wieder im Keller verstauen?
Fußball lässt einen nie wieder los, daher sage ich niemals nie, aber vorerst genieße ich meine Ruhe.
Interview: Boris Breyer