Bayerns Fan-Historie: Die rote Wehmut nach den wuiden Zeiten

Wie sich die Kultur der Bayern-Fans über die Jahrzehnte geändert hat, das zeigt ein neues Buch mit vielen Anekdoten - und tollen Fotos.
Felix Müller
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1975: Bayern-Fans marschieren aus dem Gare de l'Est in Paris.
privat 12 1975: Bayern-Fans marschieren aus dem Gare de l'Est in Paris.
Lang ist es her: Fans vor der Bayern-Stammkneipe Raintaler Hof.
privat 12 Lang ist es her: Fans vor der Bayern-Stammkneipe Raintaler Hof.
Almauftrieb in Belgien: Bayern-Fans in Brüssel vor dem Europapokal-Finale gegen Atlético Madrid im Jahr 1974.
privat 12 Almauftrieb in Belgien: Bayern-Fans in Brüssel vor dem Europapokal-Finale gegen Atlético Madrid im Jahr 1974.
Am 25. Juli 1965, einem kühlen Sommertag, feiern Funktionäre, Spieler und 1.500 Fans den Bundesliga-Aufstieg mit einem Marsch um den Tegernsee.
Horstmueller 12 Am 25. Juli 1965, einem kühlen Sommertag, feiern Funktionäre, Spieler und 1.500 Fans den Bundesliga-Aufstieg mit einem Marsch um den Tegernsee.
Da kann man auch mal auf den Rasen stürmen: Fans im Olympiastadion nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1980 beim Saisonfinale gegen Eintracht Braunschweig.
Horstmueller 12 Da kann man auch mal auf den Rasen stürmen: Fans im Olympiastadion nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1980 beim Saisonfinale gegen Eintracht Braunschweig.
Platzsturm 1980: Dieser Fan ist so begeistert, dass ihn nichts mehr hält.
Horstmueller 12 Platzsturm 1980: Dieser Fan ist so begeistert, dass ihn nichts mehr hält.
Junge Fans auf dem Weg ins Olympiastadion in den 80er Jahren.
Horstmueller 12 Junge Fans auf dem Weg ins Olympiastadion in den 80er Jahren.
"Südtirol grüßt die Bayern": Auf den Plakaten ist gut zu sehen, dass die Roten schon in den Siebzigern keine rein bayerische Fan-Angelegenheit mehr sind.
Horstmueller 12 "Südtirol grüßt die Bayern": Auf den Plakaten ist gut zu sehen, dass die Roten schon in den Siebzigern keine rein bayerische Fan-Angelegenheit mehr sind.
Bayern- und Sechzig-Fans gemischt in der Westkurve des Grünwalder Stadions: So ist das noch beim Bundesliga-Derby am 24. August 1968.
Horstmueller 12 Bayern- und Sechzig-Fans gemischt in der Westkurve des Grünwalder Stadions: So ist das noch beim Bundesliga-Derby am 24. August 1968.
So sieht es Anfang der 90er in der Südkurve des Olympiastadions aus.
imago images/Sven Simon 12 So sieht es Anfang der 90er in der Südkurve des Olympiastadions aus.
Noch einmal Südkurve: das letzte Spiel der Bayern im Oly 2005.
imago images/Plusphoto 12 Noch einmal Südkurve: das letzte Spiel der Bayern im Oly 2005.
Optisch aufwändige Choreographien zaubern die Ultras in die Arena, wie hier beim Abschiedsspiel von und zu Ehren von Bastian Schweinsteiger.
imago images/ActionPictures 12 Optisch aufwändige Choreographien zaubern die Ultras in die Arena, wie hier beim Abschiedsspiel von und zu Ehren von Bastian Schweinsteiger.

Gegen den modernen Fußball", steht auf einem Plakat, das seit vielen Jahren in der Südkurve der Allianz Arena aufgehängt wird. Wie das rote Fan-Leben war, damals, als der Fußball kein Hochglanzprodukt war, das in den rausgeputzten neuen Arenen mit all ihrem Komfort stattfindet, sondern: Im völlig überfüllten Grünwalder Stadion oder dem zugig-kalten Olympiastadion, auf diese Zeit wirft Christoph Leischwitz in seinem neuen Buch den Blick.

Ein Fußball-Buch, in dem kaum ein Fußball, kaum ein Spieler zu sehen ist, stattdessen ein Stück wenig beachtete Münchner Geschichte erzählt wird, von einer Jugendkultur im Wandel, Treffpunkten in Laim oder Milbertshofen - und von Zeiten, in denen es oft viel wuider zuging. Die "Wuiden" heißt dann treffenderweise auch eine der alten Fangruppen, von denen Leischwitz berichtet.

Almauftrieb in Belgien: Bayern-Fans in Brüssel vor dem Europapokal-Finale gegen Atlético Madrid im Jahr 1974.
Almauftrieb in Belgien: Bayern-Fans in Brüssel vor dem Europapokal-Finale gegen Atlético Madrid im Jahr 1974. © privat

Drei Stadt-Derbys müssen abgebrochen werden

Doch seine Anekdoten-Sammlung beginnt viel früher. Vor dem Zweiten Weltkrieg - nur ein Beispiel - müssen drei Derbys gegen die Sechzger abgebrochen werden. Einmal, 1917, wegen schlechten Wetters, zwei Jahre später aber schon, weil es auf dem Platz zu vielen Tätlichkeiten gekommen war und 1927 stürmen Zuschauer den Platz.

Spannend sind aber vor allem die Geschichten ab den Sechzigerjahren, als sich eine echte Fankultur zu entwickeln beginnt. Noch staunt man über ein Foto der Westkurve im Grünwalder, wo Löwen- und Bayern-Fans gemeinsam standen, da liest man schon über die ersten festen Rituale um 1970. Damals trafen sich viele Fans vor dem Spiel am Fischbrunnen - dann ging es in die Mathäser-Bierstadt, später in den Raintaler Hof in Giesing, 300 Meter vom Stadion entfernt. "Schlachtenbummler von damals erwähnen immer wieder, dass sie viel mehr gesungen hätten als heute", heißt es in dem Buch. "Ständig und überall."

Lang ist es her: Fans vor der Bayern-Stammkneipe Raintaler Hof.
Lang ist es her: Fans vor der Bayern-Stammkneipe Raintaler Hof. © privat

Ab den Siebzigern brechen im Olympiastadion - und der Stadt - wuidere Zeiten an, von vielen Raufereien und erheblichen Auseinandersetzungen, etwa einem Angriff von Fans mit Schottersteinen auf einen Stuttgarter Sonderzug in Pasing - wird berichtet. Auch von Ärger mit den Schwarzen Sheriffs an der U-Bahn ist die Rede, vom Ritual, am Petuelring Gästefans aus der U-Bahn zu zerren.

Insgesamt verfestigt sich beim Lesen der Eindruck, den viele langjährige Stadiongänger haben. Heute geht es beim Fußball in München insgesamt sehr friedlich zu - gerade im Vergleich dazu, wie es früher beim Fußball in München zuging.

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Ultra-Kultur wird heutzutage stark ausgebremst

In dieser vor-modernen Fußball-Zeit zog schon auch mal die halbe Südkurve im Olympiastadion mehr oder weniger ungehindert rüber hinter die Nordkurve, um Ärger mit Gästefans zu suchen - auch aufgrund der Sicherheitsstandards in der modernen Arena undenkbar.

Doch die vielen Regeln und die Überwachung in den neuen Zeiten hat die heutige Ultra-Kultur auch in ihren kreativen Teilen oft ausgebremst. So, als die Fans in der Arena anfangs nicht mal Fahnen und Megafone mitnehmen durften.

Platzsturm 1980: Dieser Fan ist so begeistert, dass ihn nichts mehr hält.
Platzsturm 1980: Dieser Fan ist so begeistert, dass ihn nichts mehr hält. © Horstmueller

Die Wuiden haben es heute eh schwer. Im Olympiastadion stürmte man einst nach großen Siegen ziemlich selbstverständlich den Rasen. Und, auch daran erinnert Leischwitz, so mancher wusste doch immer, wo man notfalls auch ohne Karte über einen Zaun hineinklettern konnte.

Im weitläufigen Olympiastadion, ja, da zog an eisigen Abenden eine Glühwein-Wolke über die Südkurve. Die Wehmut nach den alten Zeiten übrigens haben nicht nur die Jungen in der Arena-Kurve, die diese Zeiten selbst kaum erleben durften.

Optisch aufwändige Choreographien zaubern die Ultras in die Arena, wie hier beim Abschiedsspiel von und zu Ehren von Bastian Schweinsteiger.
Optisch aufwändige Choreographien zaubern die Ultras in die Arena, wie hier beim Abschiedsspiel von und zu Ehren von Bastian Schweinsteiger. © imago images/ActionPictures

Sondern auch die Alten, die kritisch auf die Ultra-Kultur mit ihrem Dauer-Singsang schauen. Da Spruchbänder und Gesänge heute oft so durchgeplant sind, dass sie sich kaum daran orientieren, ob man um den Ausgleich kämpft oder weit in Führung liegt - das macht es schwer, etwa Fans auf der Gegentribüne zum Mitmachen zu motivieren. Und so teilen sie irgendwie ganz verschiedene Fans: die Wehmut bei der Erinnerung an die wuiden Zeiten.


"Mia san die Bayern", Werkstatt-Verlag, 18 Euro

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10 Kommentare
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  • Superturner am 16.01.2021 22:19 Uhr / Bewertung:

    Wenn ich mich nicht irre, ist das die Seite vom FC Bayern, wenn das hier nicht Ihre Zustimmung findet, kein Problem......

  • Dr. Schönfärber am 16.01.2021 08:43 Uhr / Bewertung:

    Ich meine mal der Autor irrt in der Annahme das zu Anfangszeiten der Arena Fahnen verboten waren.
    Die waren doch immer erlaubt.

  • Südstern7 am 15.01.2021 19:59 Uhr / Bewertung:

    Dieses Buch habe ich an einem Abend verschlungen!
    Was ich besonders interessant (und begrüßenswert) finde ist die Tatsache, dass dieses Buch der Vereinsführung - nun sagen wir mal - neutral gegenübersteht. Die Diskussionsthemen werden deutlich aufgezeigt und der Autor nimmt da kein Blatt vor den Mund wenn es darum geht sowohl die Fehler der Fanszene als auch die Fehler der Vereinsführung zu benennen, die gemacht wurden und gemacht werden. Dieses Buch ist also keineswegs eine Beweihräucherung der Fanclubs aber auch keine Anklage an den Verein. Trotz der Emotionen, das in dieser Thematik liegt, ist es sachlich beschrieben.

    Auf das Buch bin ich übrigens im Vereinsmagazin "51" aufmerksam gemacht worden. Auch das zeigt, dass Schickeria, Südkurve73 und der Verein sich schätzen und wissen, was sie aneinander haben. Trotz der zeitweiligen "Scheißstimmung" zwischen den Seiten nach Hoffenheim.

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