Bayern-Star Höjbjerg: „Fußball ist meine Therapie“
München - Emile Höjbjerg, der 19-jährige Däne, wechselte 2012 von Brøndby IF zum FC Bayern. Er debütierte schon mit 17 in der Liga. Sein Vertrag läuft bis 2016. Das große AZ-Interview.
AZ: Herr Höjbjerg, Sie haben kürzlich Ihr erstes Länderspieltor erzielt beim 2:1-Sieg Dänemarks gegen Armenien. Welche Bedeutung hat dieser Treffer für Sie?
PIERRE-EMILE HÖJBJERG: Das war einer der größten Momente meines Lebens, diese ganze Begeisterung der Zuschauer zu spüren. Es war aber gleichzeitig auch ein sehr schwieriger Moment für mich.
Warum?
Als ich das Tor geschossen habe, hatte ich noch einen Wunsch: Und zwar, dass mein Vater das hätte sehen können. Das war immer sein Traum. Am Ende habe ich doch ein Lächeln gefunden und gedacht: Das hat er mir gegeben und beigebracht. Ich glaube, dass er das Tor irgendwie trotzdem gesehen und sich darüber Freude hat. Dazu kommt noch, dass das Stadion in Kopenhagen sehr speziell für mich ist. Vielleicht 100 Meter dahinter war die Beerdigung meines Vaters. Auf der anderen Seite, 500 Meter davon entfernt, war das Hospital, in dem er gelegen hat. Mein Elternhaus ist ganz in der Nähe, meine Schule und auch der Platz, auf dem ich angefangen habe, Fußball zu spielen. Da bekomme ich gleich Gänsehaut, wenn ich nur daran denke.
Sie gehen sehr offen mit dem Tod Ihres Vaters um, der vor einem halben Jahr in Folge einer Magenkrebserkrankung gestorben ist...
Das ist vielleicht auch meine Art, mich zu schützen oder ein bisschen zu befreien.
Wie geht es Ihnen heute damit?
Ich muss zugeben: Es ist nach wie vor nicht einfach. Im Alltag merkst du, dass er nicht mehr da ist. Du hast mal Geburtstag, ein Länderspiel, oder ein Problem. Und dann kannst du nicht bei ihm anrufen. Es ist manchmal schwer, damit zu leben. Man muss aber versuchen, es zu akzeptieren. Es war eine schwere Zeit für mich. Ich habe ein Jahr in der Gastfamilie bei Michael Tarnat gelebt, das hat mir sehr geholfen. Das ist meine zweite Familie.
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Hilft Ihnen der Sport dabei, auf andere Gedanken zu kommen?
Ich lebe für den Fußball. Fußball ist meine Medizin und Therapie. Der Fußball und der FC Bayern haben mir da sehr geholfen. Als es mir nicht gut ging, waren sie für mich da – so, wie man für seine Familie da ist. Sie haben mich unterstützt, wo sie konnten, und alles möglich gemacht, um mir und meiner Familie zu helfen. Dafür bin ich dem Vorstand, dem Trainer und auch der Mannschaft sehr dankbar, von ganz tiefem Herzen.
Kommen wir wieder zum Sportlichen. Im Nationalteam unter Morten Olsen läuft es ja richtig gut bei Ihnen.
Olsen ist ein wichtiger Mensch und Trainer für mich. Er vertraut mir, obwohl ich bei Bayern nicht jede Woche spiele, weil er weiß, dass ich die Mannschaft verbessern kann. Das gibt mir viel Selbstvertrauen.
In der Nationalmannschaft sind Sie Stammspieler, bei Bayern nicht...
Da gibt es einen Unterschied. Bei allem Respekt: Der FC Bayern ist der größte Verein der Welt und hat die beste Mannschaft der Welt. Deshalb war dieser Weg, den ich jetzt seit zweieinhalb Jahren beim FC Bayern gegangen bin, sehr wichtig für mich.
Und jetzt?
Ich habe immer gesagt, dass ich hier so lange wie möglich bleiben möchte. Aber ein junger Spieler muss irgendwann die nächsten Schritte machen. Ich verdanke dem Verein sehr viel. Deshalb ist es für mich derzeit schwer zu sagen, wohin mein Weg führen wird.
Sie wären nicht der erste Bayern-Spieler, der sich an einen anderen Verein ausleihen lässt und dann vielleicht gestärkt zurückkommt.
Mir fallen da Lahm, Kroos und Alaba ein. Ich überlege da schon. Mein Berater hat demnächst ein Gespräch mit den Verantwortlichen des FC Bayern. Danach kann ich sagen, wie es weitergeht. Es hängt auch davon ab, was der Verein und der Trainer wollen.
Jetzt fällt mit Kapitän Philipp Lahm ein weiterer wichtiger Mann im Mittelfeld aus. So schlimm seine Verletzung ist: Könnte sie auch eine Chance für Sie bedeuten?
Dazu möchte ich nichts sagen. Ich bedauere den Ausfall von Philipp sehr, denn er ist sowohl auf als auch neben dem Platz unheimlich wichtig für die Mannschaft.
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Die letzte Saison endete mit einem Highlight für Sie. Ein Startelfeinsatz im Pokalfinale gegen Dortmund und dann der Titel.
Das war ein großer Moment. Ich möchte so viele Titel wie möglich gewinnen.
Dadurch sind sicher Ihre Erwartungen an die aktuelle Saison in Sachen Einsatzzeit gewachsen?
Ein bisschen schon. Ich habe aber nicht geglaubt, dass ich es schon geschafft habe. Aber ich habe gedacht, dass das eine große Saison für mich werden könnte.
Die Konkurrenz beim FC Bayern ist sehr groß. Das hat auch den Vorteil, sich gewisse Dinge von Weltklasse-Spielern abschauen zu können, oder?
Wenn du davon nicht lernen willst, bist du dumm. Ich bin nicht der gleiche Typ wie Ribéry, Lahm oder Schweinsteiger, aber ich kann trotzdem von ihnen lernen – vor allem, wenn sie unter Druck sind. Wie versuchen sie da, ruhig zu bleiben, wie verhalten sie sich? Aber irgendwann musst du auch neben denen spielen. Das sind sehr große Spieler, vor denen ich Respekt habe. Aber ich möchte auch einmal dieses Niveau erreichen, das ist mein Ziel.
Was zeichnet Pep Guardiola aus?
Er kann seinen Spielern dabei helfen, noch einen Schritt nach vorne zu machen. Er findet immer Wege, einen Ribéry, einen Bastian Schweinsteiger oder einen Pierre-Emile Höjbjerg zu verbessern – in jedem kleinen Detail. Er weiß, wie die Spieler ticken und wie sie reagieren.
Auch Mehmet Scholl gilt als großer Förderer von Ihnen. Er hat Sie direkt nach Ihrer Ankunft in München mit 17 in die zweite Mannschaft geholt...
Ich bin noch regelmäßig mit Mehmet in Kontakt. Wenn ich irgendetwas brauche oder eine Frage habe, kann ich immer zu ihm kommen. Er bringt mich immer zum Lachen und geht immer den etwas anderen Weg. Als Mensch und als Trainer ist er anders.
Inwiefern?
Ich erinnere mich an eine Situation in meinem ersten Jahr bei Bayern. Wir hatten ein hartes Training und ich fand, dass ich sehr gut trainiert hatte. Er hat alle gelobt. Zu mir sagte er: Du musst mehr machen, härter arbeiten und mehr Tore schießen. So kannst du nicht trainieren. Ich war völlig kaputt. Aber er hat mich trotzdem zu einem kleinen Hügel neben dem Trainingsplatz geschickt und ich musste da noch rauf und runter laufen, bis ich nicht mehr konnte. Darauf habe ich ihn vor ein paar Wochen das erste Mal angesprochen. Da hat er nur gelacht und gesagt: So erzieht man die guten Spieler. Jetzt kann ich darüber lachen, aber damals war ich richtig sauer.