Bayern: Kroos kurios abserviert
Bayern schickt das Jahrhunderttalent nach Leverkusen. Selbst Bayer ist überrascht: „Warum denn gerade zu uns?“ Dahinter steckt womöglich ein Deal mit Torwart René Adler.
MÜNCHEN Die Nachricht wurde höchst nüchtern kommuniziert. Auf der Bayern-Homepage hieß es: „Nachwuchstalent Toni Kroos wird den FC Bayern verlassen und für die nächsten eineinhalb Jahre für den Ligakonkurrenten Bayer Leverkusen die Fußballstiefel schnüren.“ Noch fünf weitere Sätze ohne Statement der Vereinsführung – und fertig.
Mehr nicht über den sensationellsten Wechsel innerhalb der Bundesliga in der gesamten Wintertransferperiode, die am Montagmittag endet. Kurz und knapp. Auch schön und gut? Höchstens ganz schön überraschend und gut höchstens für Kroos, einen der weltweit talentiertesten Kicker seines Jahrganges. Und gut für seinen neuen Teilzeitverein.
Die Leverkusener kamen dabei wie die Jungfrau zum Spieler. Das Leihgeschäft mit dem 19-Jährigen ging auf Initiative der Bayern aus. Was kurios ist. Denn erstens hatte Manager Uli Hoeneß und Trainer Jürgen Klinsmann den Reservisten noch im Trainingslager in Dubai für unverzichtbar und unausleihbar erklärt. Daher, das ist der zweite Punkt, hatten sich alle Klubs, die Kroos ausleihen wollten, einen Korb geholt.
Hoeneß habe den Kontakt zum Leverkusener Manager Michael Reschke gesucht, erzählte Bayer-Sportdirektor Rudi Völler. Es war ihnen fast peinlich, sie versuchten ihre Verwunderung über die Causa Kroos zu verbergen. Es gelang ihnen nicht ganz. „Wir haben ihm klar gemacht, dass die Konkurrenz im Mittelfeld groß ist. Aber er wollte unbedingt zu uns", sagte Bayer-Trainer Bruno Labbadia und Völler verriet (sich): „Ich habe so einen kleinen Moment gedacht, wieso denn gerade zu uns? Aber wir sind ja nicht mehr auf dem Sklavenmarkt."
Kroos ist Bayerns jüngster Bundesliga-Spieler aller Zeiten, der jüngste Spieler der deutschen U 21, er wurde bei der U17-WM 2007 zum besten Spieler des Turniers gewählt. Hoeneß hat die Rückennummer „10“ für ihn reserviert. Ottmar Hitzfeld („Kroos ist ein Naturtalent. Eines Tages wird er Stammspieler der Nationalmannschaft“) hatte den Teenager vorsichtig ranschnuppern lassen, Klinsmann vertraute ihm weniger. Kroos kam nur sieben Mal zum Einsatz, davon nur zwei Mal von Beginn an. Er wollte weg, sein Vater und zugleich Berater Roland machte ständig Druck.
Doch die Bosse stellten sich stur. Bis zuletzt. Und nun das Angebot an Leverkusen. Nicht ohne Hintersinn – denn Samariter spielen ist nicht das Ding der Bayern, schon gar nicht beim Titelkonkurrenten. Da passte es doch gut, dass man schon länger die Entwicklung eines Leverkuseners genau beobachtet, die von René Adler (24). Seit Herbst ist er Nationaltorhüter (bis dato drei Einsätze), ihm wird die beste Entwicklung nachgesagt.
Da könnte es doch nicht schaden, eine Option auf Adler zu auszuhandeln – womöglich schon für 2010, auch wenn sein Vertrag noch zwei Jahre länger läuft. Denn was ist, wenn es Kahn-Nachfolger Michael Rensing, der beim 0:1 in Hamburg wieder einmal etwas wackelte, doch nicht packt? Und den aktuellen Nationaltorwart hat man immer gerne in den eigenen Reihen.
Kommuniziert wurde eine Klausel, dass die Bayern Kroos schon im Sommer zurückholen können – etwa für den Fall, dass Franck Ribéry irgendeiner Verlockung nicht widerstehen sollte. Dann könnte Kroos, bislang von Ribéry blockiert, dessen Nachfolger werden. Nicht ungeschickt eingefädelt, der ganze Deal.
Patrick Strasser