Bayern-Keeper Rensing: „Ich glaube an mich“

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Bayern-Keeper Michael Rensing, der schon mit 16 auf den Jakobsweg ging, erklärt, warum er zwei Kreuze bei sich hat – und wieso er bei der WM 2010 dabei ist.
AZ:Es muss sein. Wir sprechen Oliver Kahn an, den Vorgänger, den langjährigen Trainingspartner, die Bayern-Legende. Nervt das noch, mit ihm verglichen zu werden?
MICHAEL RENSING: Soll ich ehrlich sein?
Aber bitte.
Ich habe meine eigene Persönlichkeit - diese ständigen Vergleiche haben genervt, aber das hat sich beruhigt. Oliver Kahn wird nicht in Vergessenheit geraten, aber die Leute haben sich daran gewöhnt, dass jetzt ein anderer im Tor steht. Wie die Spieler. Die wissen, dass da einer ist, der mehr mitspielt und mehr rauskommt.
Auf den die Spieler auch immer mehr hören?
Ich habe mich daran gewöhnt, die Nummer 1 zu sein – als wär’s das Normalste der Welt. Ich denke, dass mein Wort immer mehr Gehör findet.
Auch wenn Sie Franz Beckenbauer, der Ihre Aktion, die zum 2:2 beim VfB führte, als „amateurhaft" bezeichnete, Kontra geben?
Bei Bayern oder im Umfeld wird es immer irgendjemanden geben, der mal einen Spruch gegen mich macht – aber damit muss man leben. Wenn ich meine Ruhe haben wollte, müsste ich zu einem anderen Verein gehen. Aber das will ich nicht.
Weil Sie glauben, als Nummer1 bei Bayern irgendwann Nationaltorhüter zu werden?
Ja, irgendwann wird das Thema kommen. Die anderen Torhüter haben den Vorteil, dass sie schon ein bis zwei Jahre mehr Erfahrung als Nummer1 in der Bundesliga haben. Adler war vor ein paar Jahren in der U21 noch hinter mir, da habe ich zunächst einen ziemlichen Frust geschoben. Ich habe mir keine Länderspiele mehr angeschaut.
Auch nicht die Partie gegen Russland im Herbst? Das Debüt von Adler? Das hätte Sie doch interessieren müssen.
Nein, nur mal kurz reingezappt. Das hat weh getan.
Sehen Sie die Chance, bei der WM 2010 dabei zu sein?
Ich will, wenn ich in die Nationalmannschaft komme, auch spielen. Ich glaube an mich.
Würden Sie es ablehnen, als Ersatzmann mitzufahren?
Nein, natürlich nicht. Klar würde ich gerne bei der WM in Südafrika dabei sein.
Sie sind gläubig. Hat Ihnen das in der Zeit des Wartens beim FC Bayern geholfen?
Ich gehe nicht regelmäßig in die Kirche, auch nicht zu Messen. Wenn ich das Bedürfnis habe, gehe ich alleine in die Kirche. Ich bin katholisch, das stärkt mich, gibt mir Kraft.
Als Schüler sind Sie einmal den Jakobsweg gegangen.
Ja, kurz bevor ich mit 16 Jahren nach München gekommen bin, da waren wir mit 1000 Schülern unterwegs, sind mit 25 Bussen gefahren. Dann gezeltet und gepilgert. Eine tolle Erfahrung: Du hast außer einem Rucksack nichts dabei und pilgerst einen halben Tag durch die Knallsonne. Kein Handy dabei, nichts. Irgendwann machst du dir über die wirklich wichtigen Dinge Gedanken. Du lässt alles hinter dir und stellst fest, dass du nicht viel brauchst, um glücklich zu sein.
Was erinnert Sie an den Jakobsweg?
Ich habe noch ein Holzkreuz, das wir damals geschenkt bekommen haben. Oder ein Eisenkreuz, das ich bei meiner Kommunion 1993 bekommen habe – die habe ich immer in der Sporttasche. Das gibt mir Kraft, da glaube ich auch dran.
Ist es mittlerweile unvorstellbar, so etwas zu machen?
Nach Ende der Karriere möchte ich unbedingt noch einmal den gesamten Weg gehen, andere Pilger treffen, mich mit denen austauschen - ein ganz einfaches Leben führen. Eben nicht den Luxus zu haben, den wir hier als Profis haben, diese Hotels, dieses tolle Essen, die ganze Betreuung und Organisation. Es werden dann nur die Grundbedürfnisse befriedigt - wie früher zu Hause, ich komme aus sehr bescheidenen Verhältnissen. Aber so etwas kommt einem zu Gute, daher weiß ich vieles zu schätzen, sehe, was im Grunde überflüssig ist.
Interview: Patrick Strasser