AZ-Serie: Das große Bayern-Drama gegen Schalke
München - Schalke 05 – ich bitte Sie! Ist doch längst verjährt, dieser kleine Versprecher mit großer Wirkung von Moderatorin Carmen Thomas 1973 im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF. Aus Schalke 04 machte sie versehentlich "Schalke 05", ein aus heutiger Sicht peinlicher Aufschrei der Machomännerwelt folgte. Einen ebenso langen Bart hat es, ein 0:5 der Knappen hämisch mit "Schalke nullfünf" zu kommentieren. Von Schalke "siebennull" ist kaum die Rede. Schon gar nicht unter Bayern-Fans. Aus gutem Grund.
Hier soll erinnert werden an die höchste Bundesliga-Niederlage der Bayern in ihrer Vereinsgeschichte, an die größte Heim-Demütigung, das "Drama dahoam" der 70er Jahre. Am 9. Oktober 1976 setzt es im Olympiastadion ein 0:7, Schalkes Mittelstürmer Klaus Fischer erzielt vier Treffer. 50.000 Zuschauer trauen ihren Augen kaum. Die Bayern, angetreten mit sechs Weltmeistern von 1974, lassen sich gehen. "Nicht einmal wie die Hausmeister", habe man gespielt, schimpfte Sepp Maier. Bayern-Trainer Dettmar Cramer bekannte sich schuldig ("Wir sind deklassiert worden"), meinte aber auch: "Jeder Schuss ein Treffer – solche Spiele gibt’s."
Binnen zehn Minuten erhöht Schalke mit vier Treffern auf 6:0
Wie konnte es dazu kommen? Lag’s am Föhn, der mal wieder über die Alpen ins Olympiastadion wehte? Was immer gerne als Ausrede genommen wurde. Oder am erkälteten Kaiser? Franz Beckenbauer ging beim Duell des Tabellenvierten gegen den Neunten geschwächt ins Spiel, sein Vorstopper Katsche Schwarzenbeck war gehandicapt durch eine Verletzung aus dem Test-Länderspiel in Wales (2:0) drei Tage zuvor. Zudem mussten die Münchner ihre schwedischen Nationalspieler Björn Andersson und Conny Torstensson für ein Länderspiel freigeben – eine Terminkollision, die heutzutage nicht mehr vorstellbar ist.

Die Königsblauen von Trainer Friedel Rausch gehen mutig und offensiv ins Spiel. In der 11. Minute der erste Streich durch Fischer, der nach Vorlage von Schalkes "Flankengott" Rüdiger Abramczik seinen Schatten Schwarzenbeck düpiert. Kurz darauf wird Bayerns Weltmeister im Kasten durch Verteidiger Josef Weiß verletzt. Bei einer Rettungsaktion im eigenen Strafraum prallen Sepp & Sepp zusammen. Maier hält sich die rechte Hand, kann nur noch mit links abwerfen, muss aber weiterspielen. Gerd Müller vergibt eine kleine, dicke Chance zum 1:1, scheitert aber mit links an S04-Keeper Maric.
Kurz vor der Pause das 0:2 durch Erwin Kremers (44.), kurz nach der Pause direkt das 0:3 durch Fischer (46.) – zwei Nackenschläge. Den humpelnden Schwarzenbeck hatte zur Pause Fred Arbinger erlöst, der erfahrenere Udo Horsmann übernahm die Manndeckung von Schalke-Kapitän Fischer. Hilft auch nix. Binnen zehn Minuten erhöht Schalke durch Manfred Dubski (64.), wieder Fischer mit einem sehenswerten Seitfallzieher (67.) sowie Abramczik (74.) auf 6:0.
"Bayern hat irgendwann aufgegeben. Und wir haben weitergemacht"
Die Demontage nimmt krasse Züge an, die geschockten Bayern-Stars sehnen nur noch den Schlusspfiff herbei. Den Schlusspunkt in der 82. Minute markiert erneut Fischer, der gebürtige Niederbayer und ehemalige Löwe (1968-70). Fischer, damals wegen seiner Verwicklung in den Bundesliga-Skandal für die Nationalelf gesperrt, erinnert sich: "Eine sensationelle Partie. Alles lief fantastisch für uns. Bayern hat irgendwann aufgegeben. Und wir haben weitergemacht, immer weitergemacht." Schalkes Rekordtorjäger – ein früher Titan? Klingt ganz nach Oliver Kahn.
Es waren Schalkes erste Auswärtspunkte der Saison – ausgerechnet mit einem 7:0, ausgerechnet beim dreimaligen Gewinner des Europapokals der Landesmeister (1974 bis ‘76). "Dem zweiten Anzug der Bayern wurden von den Schalkern nach allen Regeln der Kunst die Hosen ausgezogen", schreibt der Sport-Informations-Dienst. Müde von all den europäischen Triumphen wird Bayern am Ende der Saison 1976/77 nur Siebter, Schalke hinter Gladbach immerhin Vizemeister. Besser wurd’s nie für "Nullvier".
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