AZ-Serie: Bayerns Sixpack in Berlin
München - Mit vier Eigentoren ist kein geringerer als Franz Beckenbauer Bayerns Rekord-Eigentorschütze in der Bundesliga. Vier Mal beckenbauerte der Kaiser die Kugel ins eigene Gehäuse, zum Leidwesen von Sepp Maier, davon zwei Mal in einer Saison – Anfang 1975 gar innerhalb einer Woche.
Zunächst beim 2:3 gegen Kickers Offenbach und sieben Tage später bei Hertha BSC. Im Berliner Olympiastadion sorgte Beckenbauer für die Führung der Gastgeber, danach ging der Europapokalsieger der Landesmeister von 1974 gegen Erich Beer & Co. mit 1:4 unter.
Hier jedoch soll von einem anderen Eigentor die Rede sein, einem moralischen Fauxpas. Ein Eigentor bei einem 6:0-Kantersieg. Wie das?
Kroos und Ribéry spielen Schnick-Schnack-Schnuck um Freistoß
Abstiegskandidat Hertha gegen Meisterschaftsanwärter Bayern am 17. März 2012, der 26. Spieltag: Vor einem Freistoß in der 26. Minute albern Franck Ribéry und Toni Kroos herum, spielen Schnick-Schnack-Schnuck (auch Stein, Schere, Papier genannt) um die Ausführung. Ein bisschen Spaß muss sein! Eins, zwei, drei. Ribéry wählt Papier. Und gewinnt.

Denn Kroos entscheidet sich für Stein. Und wird eingewickelt. Den Gewinn, einen Freistoß, versemmelt Ribéry dann. In die Berliner Mauer. Egal, es steht ja schon 3:0 gegen einen Gegner, der sich schon mit dem Anpfiff ergeben hat. 6:0, eine recht milde Torausbeute, heißt es am Ende gegen die alte Dame Hertha, trainiert von einem alten Herrn, von Otto Rehhagel.
"Wir wollten beide schießen, haben uns beide gut gefühlt. Wir sind beide eingeteilt", sagt Kroos im ZDF, "dann haben wir es geklärt, wer schießt." Kurz und schmerzlos. Ohne jeden Hintergedanken. "Flic-Flac-Fluc heißt das bei uns in Frankreich”, erklärt Ribéry, "das ist gut. Das ist Spaß, für ihn und für mich." Das beliebte Kinderspiel machen sie auch schon mal im Training. Albereien dahoam. Aber in einem Spiel vor 75.000 Zuschauern (die es jedoch wohl kaum gesehen haben dürften) und einem Millionen-TV-Publikum?

Effenberg und Nerlinger nicht amüsiert: "Das wirkte respektlos"
"Das wirkte respektlos", befindet Bayerns Ex-Kapitän und Sky-Experte Stefan Effenberg, "ich glaube, die Bayern sollten mit dieser 3:0-Führung im Rücken die Klasse haben, so was nicht auf dem Platz zu tun, sondern es anders zu klären."
Sportdirektor Christian Nerlinger ist nicht amüsiert, rüffelt die Stars für die Kinderei: "Man sollte respektvoll mit einer Mannschaft umgehen, die im Abstiegskampf steckt. Hier herrscht Existenzkampf."

Ribéry, die Spaßkanone des Teams, entgegnet später: "Nein, das war nicht respektlos gegenüber Hertha. Ich habe eine große Sympathie für diese Mannschaft. Sie haben ein großes Stadion, eine gute Stimmung. Ich hoffe, dass Hertha in der Ersten Liga bleibt."
Weil Bayerns Trainer Jupp Heynckes eine Grippe plagt, spricht Nerlinger für ihn auf der Pressekonferenz und relativiert den Gag: "Das zeigt auch: Die Stimmung bei uns ist gut. Da passiert so etwas schon mal." Nach dem Motto: Sie wollen doch nur spielen. Und Torrekorde aufstellen.
Bayern verliert Meisterschaft, Pokalfinale und Champions League
Es läuft im Frühjahr 2012, in den letzten drei Partien (Hoffenheim, Basel, Hertha) erzielen die Bayern sagenhafte 20:1-Tore. Bei der Hertha tragen sich Thomas Müller (9.), Arjen Robben (12., 19./ Elfmeter, 67.), Mario Gomez (50./Elfmeter – von Robben großzügig überlassen) und Kroos (51.) in die Torschützenliste ein.
Doch der Rausch verfliegt bald. Im Saisonfinale wird Bayern hinter Borussia Dortmund mit acht Punkten Rückstand Zweiter, verliert das Pokalfinale gegen den BVB (2:5) und auch das Champions-League-Finale dahoam gegen den FC Chelsea im Elfmeterschießen. Und die Hertha? Steigt ab, scheitert in der Relegation an Fortuna Düsseldorf.
Lesen Sie hier: Als Grafite per Hacke mitten ins Herz des FC Bayern traf