AZ-Reporter verabschiedet sich von FC-Bayern-Legende Müller: "Es war mir eine Gaudi"

"Jetzt kommen wir aber a bisserl in den Schmarrn nei": Der Raumdeuter und Wortakrobat ist auch an in den Mixed-Zones dieser Fußballwelt stets ein Unikat geblieben, findet AZ-Reporter Patrick Strasser.
von  Patrick Strasser
And action! Thomas Müller am Mikro ist eigentlich immer allerbeste Unterhaltung – für die anwesenden Reporter nicht immer!
And action! Thomas Müller am Mikro ist eigentlich immer allerbeste Unterhaltung – für die anwesenden Reporter nicht immer! © IMAGO/MIS

München - Vincent Kompany weiß, was die Stunde geschlagen hat. Ob er Thomas Müller am Samstag gegen Borussia Mönchengladbach spielen lassen werde, wurde der Bayern-Trainer am Freitagvormittag an der Säbener Straße gefragt. "Ich bin ja nicht doof", antwortete der Belgier lachend und fügte hinzu: "Ich möchte die Party nicht zerstören."

Für das letzte Heimspiel der Saison in der Allianz Arena (18.30 Uhr, Sky) braucht es in erster Linie zwei Utensilien: eine Meisterschale und Taschentücher, sehr viele wahrscheinlich. Servus, Thomas!

Der Abschied des 35-Jährigen, der gegen die Fohlen sein 750. Pflichtspiel im Trikot des Rekordmeisters – natürlich Rekord! – bestreitet, wird emotional wie kaum ein Abend zuvor in Fröttmaning werden. Wehmut mischt sich mit Dankbarkeit, Sentimentalität mit Freude. Für ihn selbst sei "die Gesamtkonstellation sehr speziell", so Müller kurz vor seinem letzten Hurra. "Meine letzte deutsche Meisterschale in meinem letzten Heimspiel für den FC Bayern überreicht zu bekommen, weckt selbst in einem alten Hasen wie mir die Emotionen. So geht's ja nicht nur mir."

Müller ging dem Schlagabtausch mit Reportern nie aus dem Weg

Er will es genießen und "dann den Zeitpunkt auch nutzen und mich noch mal von den Fans im Wohnzimmer verabschieden. Auch wenn dieser Abschied für mich gefühlt nicht für immer ist, weil ich ja noch auf der Welt bin." Er lacht. Ein typischer Müller, der Raumdeuter, der Wortakrobat.

Auf welcher Frequenz wird Radio Müller, so sein Spitzname aus Mannschaftskreisen, künftig funken? Macht er weiter? Nichts Genaues weiß man nicht. Die Begegnungen mit ihm in den Mixed Zonen der Stadien dieser Welt (für manch andere Mitspieler von Müller als Erklärung: das ist die Begegnungsstätte der Profis mit den Medienleuten) haben auch mich als AZ-Reporter geprägt, seit Müller erstmals dort auftauchte in den Jahren 2008 und 2009. Mit seinem Bubigesicht und den dünnsten Waden seit der Erfindung des Unterschenkels. Müller hatte stets Spaß am Austausch mit den Journalisten, am Schlagabtausch. Jede Frage als Vorlage, nicht von Gegnern, von Mitspielern. Weil er zuhört. Weil er – ja, das kann nicht jeder Kicker – auf Fragen antwortet. Und interveniert.

"Halt, stopp! Hier wird interpretiert", ruft er dann oder unterbricht: "Das ist jetzt schon sehr viel Konjunktiv." An anderer Stelle: "Jetzt bist also schon ziemlich schnippisch unterwegs." Oder: "Jetzt kommen wir aber a bisserl in den Schmarrn nei." Er kennt seine Pappenheimer: "Die Frage hast dir doch jetzt aus der Nase gezogen, oder?"

Thomas Müller war nie nur ein Spaßvogel

Ein TV-Reporter fragt in der von Müller x-ten miterlebten Krise: "Es ist schon heftig zur Zeit, oder? So laut war's selten?" Antwort: "Du bist doch einer, der da in der vordersten Reihe trommelt, wenn's drum geht, Musik zu machen. Ihr seid's ja ganz schön lustig zu Euch selbst." Sich auch mal selbst auf die Schippe nehmen? Können die wenigsten.

Müller kann auch anders: ernst, nachdenklich. Er war in den letzten Jahren oft derjenige, der trotz wenig Spielzeit mit vielen Worten Niederlagen erklären musste, weil andere sich wegduckten. Und keiner kann die Hitze des eben beendeten Gefechts so kühl analysieren und so gut erklären.

Müller meint nie etwas böse, das Lachen übers ganze Gesicht verrät den Schmäh. "Die Fußballschuhe werden immer leichter. Nur die Menschen werden immer schwerer, wenn ich jetzt so in die Runde schaue." Müller kann man nichts übelnehmen. Müller – und das können generell die wenigsten Menschen – nimmt sich nicht zu wichtig.

Müller hatte ein außergewöhnliches Gespür für brenzlige Themen

Im Dialog mit uns Reportern konnte er spüren, was los ist um seinen Verein, wo die Themen köcheln, wo die Fallen lauern. Wo andere Spieler scheu sind oder verstummen, um bloß keine Fehler machen wollen, lässt Müller seine Zunge losgaloppieren. Ausgang offen.

"Es ist völlig falsch, wenn sich Spieler jetzt zu Transfer- bzw. Vertragsgeschichten äußern würden", sagte er einmal auf den nahenden Abschied eines Teamkollegen angesprochen, denn, so Müller weiter: "Dann würd's ja zugehen hier wie…" Pause. "wie's ja zugeht." Lachanfall. "Scheiße! Da hab ich mich selber erwischt."

Als ich mich einmal mit ihm über die ersten fußballerischen Schritte meines Sohnes im Verein unterhalten habe, meinte Müller: "Wichtig ist nur, dass er dem Papa ab und zu einen Ball durch die Beine schiebt." Gesagt – und längst getan.

Ohne Müller wird's stiller. Servus, Thomas – und danke! Es war mir eine Gaudi.

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