Arjen Robben, der rote Messi
GELSENKIRCHEN - Ein Haken, ein Schuss, ein Tor, ein Traum. Nach seinem sensationellen Siegtor auf Schalke feiern die Bayern Matchwinner Arjen Robben. Präsident Uli Hoeneß lobt den Holländer: „Er kann in jeder Sekunde eine Partie entscheiden“
Würde man es nicht besser wissen, könnte man meinen, es handelte sich um ein Wunder biblischen Ausmaßes. 22 Fußballer mühten sich auf einem Untergrund, bei dem jeder Sprint nach Geländelauf aussah. Tiefe Furchen und zahllose Löcher machten den Zufall zum zwölften Mann jedes Teams. Also beackerten sich Schalker und Bayern in diesem Pokalhalbfinale bis tief in die Verlängerung hinein. Es sah so aus, als würde bis zum Elfmeterschießen keiner als Sieger das Schlachtfeld verlassen.
Doch dann, nach 112 Minuten, geschah das Wundersame. Als Arjen Robben den Ball in der eigenen Hälfte aufnahm und lossprintete, schienen sich die übrig gebliebenen Grashalme zu einem grün-braunen Teppich zu verwandeln. Als Verbeugung vor dem Holländer? Robben sprintete zunächst wie von Sinnen Richtung Eckfahne, die Schalker Grätschen verfehlten ihn wie Wurfgeschosse. Dann bog er zum Tor ab: ein Haken, ein Schuss, ein Tor, ein Traum. Vor allem die Bayern schimpften über den tatsächlich unmöglichen Zustand der Spielfläche, doch der beste Fußballer ignorierte die Begleitumstände. Robben ist zu gut für Alibis. Er braucht keine.
„Wir wissen, dass er ein Weltklassespieler ist, er kann in jeder Phase eines Spiels, in jeder Sekunde eine Partie entscheiden“, erklärte Bayern-Präsident Uli Hoeneß. Spieler, die den Unterschied ausmachen, sagt man da gerne. Spieler, die Partien entscheiden, die Titel und Herzen gewinnen. Mit unvergesslichen Toren. Es sind diese Sololäufe, die im Gedächtnis bleiben, wenn Fußball zur Einzelsportart wird. Man sah den Robben-Lauf am Mittwoch um kurz vor 23 Uhr und dachte, Messi oder gar Maradona höchstselbst sei in Gelsenkirchen erschienen. Man dachte an Maradonas Slalom ohne Grenzen bei der WM 1986 oder an Messis Kopie im Barcelona-Trikot vor zwei Jahren. Solche Männer sind nicht aufzuhalten. In den Nebenrollen: Gegner, die auf Robben starren, den roten Messi.
„Es ist fantastisch, wie fair Heiko spielt und wie wenig Gelbe Karten er bekommt. Er war halt der falsche Mann in diesem Augenblick“, sagte Schalke-Trainer Felix Magath über Westermanns Zeitlupengrätsche. Es war ohne Chance gegen Robben. Gegen ein aufziehendes Gewitter, das über einen ganzen Landstrich hereinbricht. Die Naturgewalt Robben ist ein europaweites Phänomen. In den letzten Wochen wütete der Orkan in Florenz, in München (mit verheerenden Folgen für die Freiburger Gesandtschaft) sowie nun in Gelsenkirchen.
„Alle waren müde. Ich habe noch einmal alle Kraft zusammengenommen“, sagte Robben, der nun im 26. Pflichtspiel sein 14. Saisontor erzielte, „vielleicht habe ich in der Verlängerung mein zweites Leben gefunden.“
Als roter Messi. Patrick Strasser