Angst vor der Bestia Negra
Barca-Coach Guardiola klagt über Bayerns 1:5-Debakel in Wolfsburg: „Es hätte nichts Schlimmeres passieren können.“
BARCELONA Josep Guardiola dachte zunächst an einen Scherz. Doch die Reporter in den Katakomben des Estadio Zorrilla in Valladolid meinten es ernst: Ja, 5:1! Nein, nicht für Bayern, für Wolfsburg. Kein Witz: Die Bayern, Barcas Gegner im Viertelfinale der Champions League am Mittwoch (20.45 Uhr, Sat.1 und Premiere live), seien wüst verprügelt worden. Barcas Trainer Guardiola wunderte sich erst und seufzte dann: „Es hätte uns nichts Schlimmeres passieren können.“
Auch Ex-Barca-Trainer Johan Cruyff ahnt Unheil: „Ein Debakel versetzt eine Mannschaft in Alarmzustand“, schrieb der Niederländer in einer Kolumne für die Zeitung „El Periódico de Catalunya“. „Dadurch wird ein Team nicht besser, aber es wird kampfstärker. Mir wäre ein selbstbewusster Gegner lieber als ein angeschlagener. Und wenn die Deutschen eines haben, dann ist es Stolz.“
Selbst Spaniens Medien sind verwirrt. Was soll man von diesen Bayern, die im Achtelfinale Sporting Lissabon im Hin-und Rückspiel grandios mit insgesamt 12:1-Toren abschossen haben, nur halten? „Man traut den Deutschen nicht. Es ist eine trügerische Situation eingetreten. Niemand weiß wie Bayern jetzt reagieren wird, sie sind jetzt noch unberechenbarer als ohnehin schon“, sagt Cordula Roura, die Barca-Reporterin von „Mundo Deportivo“.
„Eigentlich“, meint Roura „hat Barca Bayern immer geliebt, weil sie die 'Bestia Negra' für Erzfeind Real Madrid waren“. Legendär ist in Spanien jener der Mythos der Bayern als „Bestia Negra“. Wortgetreu übersetzt heißt das auf Spanisch: „Die schwarze Bestie“ und umgangssprachlich „Angstgegner“. So nannte nämlich die spanische Sportzeitung „Marca“ 2001 die Bayern, als sie die Königlichen im Halbfinale der Champions League eliminierten und später den Titel gewannen.
Wird nun für Barca der geliebte Mythos zum Fluch?
Tatsächlich hat Bayern gegen Barca in einem Pflichtspiel noch nie verloren. Vier mal trafen beide Teams aufeinander. Die Chronisten verweisen auf zwei Siege im Jahr 1998 (1:0 und 2:1 in der Gruppenphase der Champions League). Weitaus legendärer war dagegen das 2:2 im Olympiastadion gegen Barca mit Luis Figo und Jordi Cruyff, dem Sohn von Barcelonas Übervater Johan. Im Rückspiel gelang im Camp Nou sogar ein 2:1-Sieg dank der Tore von Babbel und Witeczek. Bayern holte anschließend den Uefa-Cup.
„Unvergessen" sind laut Reporterin Roura die Bilder des jubelnden Luca Toni, der mit seinem Doppelpack in den letzten Minuten der Nachspielzeit des Uefa-Cup-Viertelfinale 2008 den siegesicheren Madrider Vorstadtklub Getafe zerstörte. „Wie Bayern Getafe rausgeschossen hat, ist in den Köpfen der Spanier immer noch sehr präsent“, meint Iván San Antonio von der Sportzeitung „Sport“.
Bekommt Barcas Tormaschine nun doch noch das Nervenflattern im Angesicht der bajuwarischen Bestien? Bei allem Respekt vor den Deutschen, meint Mundo Deportivo-Reporterin Roura, spende vor allem der überlegene Triumph Spaniens gegen Deutschland im EM Finale 2008 Optimismus. Und der entscheidende Treffer von Fernando Torres, der zuvor im Zweikampf Bayerns Philipp Lahm einfach überrannte.
Das Duell Barca gegen Bayern – für die Spanier ist es ein Showdown, bei dem alte Mythen hochkommen. Das beweist auch ein Werbeclip für das Bayern-Spiel auf dem vereinseigenem TV-Sender „Barca-TV“. In dem wurden historische Spielszenen der Bayern mit einem rollenden Panzer parallelgeschnitten. Es scheint, als fürchte man, am Steuer der rollenden Kampfmaschine könnten elf schwarze Bestien sitzen.
Reinhard Keck