Familie, Kinder - und ein Hund dazu
Rainer Schüttler (32) beendete das Jahr 2008 als deutsche Nummer 1 im Welttennis. In Wimbledon feierte der Korbacher dabei ein spektakuläres Comeback, als er das Halbfinale erreichte. Schüttler spielt seit Beginn 1995 im internationalen Tourzirkus. Gegenwärtig rangiert er auf Platz 31. Der Nordhesse startet nun in seine 15. Saison. Und spricht über Ziele, Wünsche und Träume.
AZ: Herr Schüttler, Sie gehen in Ihre 15. Saison als Tennisprofi. Wie sehr spüren sie diese Jahre in den Knochen?
RAINER SCHÜTTLER: Manchmal wundere ich mich selbst, wie ich es schaffe, noch mit den jungen Spielern mitzuhalten. Ein paar von denen könnten fast schon meine Söhne sein. Die Vorbereitung auf die neue Saison war optimal, ich hatte eine ausreichend lange Pause, um auch mal durchzuschnaufen. Danach habe ich mich mit großer Lust in die Arbeit gestürzt und konzentriert mein Trainingsprogramm durchgezogen. Blöd nur, dass jetzt in Chennai diese Entzündung im Handgelenk auftrat. Ich hoffe trotzdem auf gute Australian Open.
Ist dieser Beruf als Tennisprofi immer noch etwas ganz Besonderes, etwas Priviligiertes. Oder gehen Sie auch zur Arbeit wie ein Angestellter ins Büro?
Nein, Tennis war mein Hobby. Ein Hobby, das ich zum Beruf machen konnte. Dafür bin ich sehr dankbar. Je älter ich werde, umso mehr weiss ich das zu schätzen. Das war schon ein großes Privileg.
Mit welchem Gefühl geht man in in das 15. Tennisjahr, wenn man eigentlich schon alles erlebt hat im Tennis: Die großen Siege, aber auch die Frustrationen. Worum geht es jetzt noch?
Ich habe jetzt mehr Spaß bei den Turnieren als früher, spüre nicht diesen harten Druck. Ich komme viel besser mit Siegen und Niederlagen klar. Da ich weiss, dass dieses Tennisleben nicht mehr ewig weitergeht, geniesse ich die Jahre, die bleiben. Aber der Ehrgeiz ist natürlich da: Bei so einem Turnier wie in Melbourne will man gerne vorne dabei sein.
Fällt es schwer, sich für die harte Vorbereitung zu motivieren?
Überhaupt nicht. Im Gegenteil: Die Vorbereitung macht mir am meisten Spass. An die Leistungsgrenze zu gehen, richtig fit werden, mit den Kumpels trainieren, noch keinen Turnierstress haben. Für mich ist das eine schöne Zeit.
Ist noch ein Wunsch offen geblieben in all den Jahren, ein Ziel, für das es jetzt besonders zu arbeiten lohnte?
Zufriedenheit gibt es immer nur beschränkt. Ich war immer ehrgeizig, wollte mehr und mehr. Ich bin zehn Jahre lang immer nur nach oben gesprungen in der Rangliste. Es gibt noch Ziele, aber die behalte ich für mich. Warum soll ich da schon wieder eine Erwartungshaltung aufbauen?
Wie steht es um den Davis Cup: Als deutsche Nummer 1 müssten Sie eigentlich im Team sein, das gegen Österreich spielt?
Die Frage muss der Davis Cup-Kapitän beantworten.
Was war im Rückblick der Tiefpunkt, was der Höhepunkt Ihrer Karriere?
Es ist kurios, aber es ist e i n Ereignis. Der Gewinn der Silbermedaille und der Verlust der Goldmedaille im Doppel in Athen. Nach den vergebenen Matchbällen waren Nicolas Kiefer und ich so niederschlagen wie noch nie, aber wenn ich heute darauf zurückblicke, bin ich stolz und dankbar auf Silber. Stolz darauf, dieses Endspiel erreicht zu haben, stolz, ein Olympia-Teilnehmer gewesen zu sein
Wie wichtig war Wimbledon 2008 nach all den Verletzungen und Enttäuschungen in den Jahren zuvor?
Beim wichtigsten Turnier der Welt das Halbfinale zu erreichen, war unglaublich wichtig. Ich müsste ja lügen, wenn ich das verneinen würde. Man muss nur die Vorgeschichte sehen: Drei lange Jahre mit Enttäuschungen, Verletzungen, Krankheiten, immer neuen Rückschlägen. Nein, die Genugtuung war immens groß.
Spielte es sich, mit diesem Wimbledon-Coup im Rücken, wieder einfacher: Im Gefühl, es den Kollegen und den Kritikern noch mal richtig gezeigt zu haben?
Ja, das stimmt. Die Medien haben es mir wie auch den anderen deutschen Tennisspielern nicht leicht gemacht, da tat Wimbledon schon gut. Am Ende der Saison war ich ziemlich erstaunt, dass die Nachrichtenagentur dpa die Tennisprofis als Flop des Jahres einstufte. Wer so etwas schreibt, würde bei einem Journalistenwettbewerb nicht mal in die Qualifikation kommen, geschweige denn ins Halbfinale.
Sie haben in anderthalb Jahrzehnten unzählige Male die Welt bereist. Wo hat es Ihnen am besten gefallen?
Als Tennisprofi bist du schon ein Glückskind, weil du dich sehr oft dort aufhältst, wo das Wetter schön ist. Deshalb gibt es viele Lieblingsplätze und die passenden Jahreszeiten: Im Januar in Australien, im März in Miami, im April in Monte Carlo, im Sommer in Europa und im Herbst noch einmal in Asien. Aber zuhause in der Schweiz ist es eigentlich am besten. Trotz aller Schönheiten in der Ferne.
Wie schwer fällt Ihnen dieses Reisen, dieses Immer-noch-aus-dem-Koffer-leben?
Da ist man schon in einem ewigen Zwiespalt: Wenn man länger unterwegs ist, sehnt man sich nach Hause. Und wenn man dann zu Hause ist, dann packt einen irgendwie bald wieder das Fernweh. Als ich 2007 sechs Wochen wegen einer Verletzung außer Gefecht war und auch nicht in Wimbledon spielen konnte, war das natürlich schlimm. Aber es war gleichzeitig gar kein schlechtes Gefühl, eine längere Zeit zu Hause zu sein.
Können sie sich im Moment eigentlich schon vorstellen, jahrelang an ein und demselben Fleck zu leben, ob nun in der Schweiz oder in Deutschland?
Ich glaube, ich werde da keine Probleme haben. Da wird ich mich dann freuen, ab und zu in die Welt aufzubrechen. Ich habe alles ja gesehen und erlebt. Ich habe andere Länder, andere Kulturen, andere Menschen kennen gelernt – das reicht eigentlich schon für zwei Leben. Das Tempo wird später ein anderes sein für mich. Es wird ruhiger zugehen.
Gibt es eine Vorstellung, wie dieses Leben nach der Tenniskarriere aussehen könnte - Familie, Kinder?
Ja, Familie und Kinder, das ist schon ein klarer Wunsch. Und ein Hund dazu. Und auch eins ist gewiss: Ich werde dem Sport verbunden bleiben.
Im Tenniszirkus sind die Prämien in diesem Jahr wieder angestiegen, auch in diesen schweren Zeiten. Wie haben Sie eigentlich in den letzten Monaten die Finanzkrise erlebt, die auch die Deutschen verängstigt und durchschüttelt?
Der Prämienzuwachs, den es jetzt geben wird, der geht ja vorwiegend an die Besten. Die Masse der Spieler profiziert nicht davon. Für die jungen Spieler wird es inzwischen immer schwerer, das alles zu finanzieren. Flüge, Hotel, Essen – das ist alles doppelt so teuer wie vor zehn Jahren. Man muss aufpassen, dass die Basis im Tennis nicht ausblutet. Ich habe natürlich auch mit bangem Blick beobachtet, was da passierte in der Finanzwelt, an den Börsen. Das kann niemanden kalt lassen.
Sie haben einmal gesagt, Sie legten ihr Geld eher konservativ an: Haben Sie trotzdem etwas verloren in den letzten Wochen - an der Börse oder mit Immobilien?
Wer in dieser Zeit gar nichts verloren hat, der ist zumindest mir unbekannt. Aber es stimmt: Ich gehöre eher zu den konservativen Anlegern und schlafe ruhig.
Interview: Jörg Allmerroth
- Themen:
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