Experte Stefan Winter: Wandern ist lässig!
AZ: Herr Winter, der Drang nach draußen – und gerade auch in die Berge – ist ungebrochen. Und das inzwischen bei Jung und Alt...
STEFAN WINTER: Das stimmt. Unsere DAV-Statistik sagt, dass rund 85 Prozent unserer einer Million Mitglieder wandern. Dabei ist es auch kein ‚Seniorensport'. Das Durchschnittsalter liegt laut Umfragen bei 47 Jahren und das könnte in Zukunft noch weiter sinken. Das Image ist sportlicher, lässiger geworden.
Wie erklären Sie sich dieses wieder erstarkte Interesse an der Natur?
Ich denke, man sucht nach einem Ausgleich zum technisierten Alltag. Smartphone und Bildschirm bieten nur virtuelle Welten, keine „echten“ Erlebnisse. Der Mensch ist auf Gehen und Laufen festgelegt, nicht auf Knopfdrücken und Fernsehschauen. Wandern ist quasi ein Gegenentwurf zum digitalen Alltag. Und es tut uns gut! Dem Körper und dem Geist – das spürt und genießt jeder, der draußen unterwegs ist.
Wanderung ist nicht gleich Wanderung. Wer um den See spaziert, muss weniger beachten als ein Bergwanderer, oder?
Wandern reicht vom Spazierengehen bis zum Speedhiking. Man kann auf einfachen Touren „abschalten“ oder alpine Touren wählen, die viel Kraft, Ausdauer, Schwindelfreiheit und Orientierungssinn fordern. Wichtig ist immer eine Tourenplanung, die das Wetter, das Gelände und die Mitwanderer berücksichtigt.
Weiß nicht inzwischen jeder, dass das Wandern in den Bergen auch immer mit Risiken verbunden ist?
Insgesamt sind die Menschen am Berg vorsichtiger geworden. So gibt es seit Jahren immer weniger Unfälle mit Verletzungs- oder Todesfolge. Jeder muss sich bewusst sein, dass die Bergwelt nicht künstlich, sondern wild ist. Man muss mit Gefahren wie Gewitter, Steinschlag, schlechter Sicht etc. rechnen und damit umgehen können.
Dann sind die Leute heute gut vorbereitet?
Naja, das größte Risiko geht von den Wanderern selbst aus: mangelnde Fitness, Selbstüberschätzung und übertriebener Ehrgeiz. So haben auch die „Blockierungen“ zugenommen – also Notlagen wegen Kräftemangel, Orientierungsverlust und psychischer Überforderung.
Wo liegen sonst noch die großen Aufgaben des DAV?
Für uns liegt die größte Herausforderung in der (vorrangig ehrenamtlichen) Pflege der Wege und Hütten. Dabei sind die Ansprüche stark gestiegen. Wir bewegen uns in einem Spannungsfeld zwischen Komfort und Reduktion, Naturschutz und technischer Machbarkeit.
Welche Trends gibt es?
Die große Masse ist nach wie vor mehr als zufrieden mit dem einfachen und ursprünglichen Bergerlebnis. Aber beliebter werden Touren von Hütte zu Hütte, das Pilgerwandern oder sportliches Wandern wie z.B. 24-Stunden-Events oder Speedhiking. Ein weiterer Trend ist das nachhaltige Wandern in entsprechend engagierten Regionen. Dazu nutzen mehr und mehr Hilfsmittel wie Apps, die in Sachen Wetter und Orientierung gute Dienste leisten können.