"Dustin spielt anders"

Der Deutsch-Jamaikaner Brown trägt nicht nur eine spektakuläre Rasta-Mähne, er begeistert mit spektakulärem Tennis
von  Thomas Becker

München -  Der Weg an die türkische Riviera führt pfeilgerade über den Center Court. Schafft es am Freitag oder Samstag ein Zuschauer beim Spielchen „Return to win”, einen von fünf Aufschlägen des Cracks zurück ins Feld zu schlagen, wird er mit einer Woche kostenlosem Urlaub belohnt. Gerät er an einen überehrgeizigen Profi, dürfte es schwierig werden mit Sommer, Sonne, Meer. Gerät er jedoch an Dustin Brown, stehen die Chancen gut. Der kann den Ball beim Aufschlag zwar auf gut 220 Sachen beschleunigen, würde aber bestimmt auch einen netten Service übers Netz schicken, der Gaudi halber.

Dustin Brown ist der Traum eines jeden Turnierdirektors. Der Mann ist 26, halb Jamaikaner, halb Deutscher, trägt eine Rasta-Mähne vom Allerfeinsten, spielt sehr spektakulär Tennis – und das nicht wegen der Show, sondern um zu gewinnen. Erstes und prominentestes Opfer bei den BMW Open: der Schweizer Stanislas Wawrinka, Nummer 13 der Welt, in München an zwei gesetzt. 6:7, 6:4 und 7:5 hieß es am Ende für Brown. „Eine Riesen-Überraschung”, meinte Turnierchef Patrik Kühnen.

Seit gut eineinhalb Jahren hat der Kapitän der deutschen Davis-Cup-Mannschaft den Paradiesvogel auf dem Radar, kannte bis vor kurzem auch nicht viel mehr von ihm als den illustren Lebenslauf: Dustin Brown, Spitzname Dreddy, 1,96 Meter lang, 78 Kilo leicht, geboren in Celle, mit elf Umzug nach Montego Bay, mit 18 Davis-Cup-Einsätze für Jamaika, Streitereien mit dem Verband, nach dem College-Abschluss Rückkehr nach Deutschland, Tingel-Tour im Wohnmobil von Turnier zu Turnier, einige Jahre mit Mühen, bis es 2009 aufwärts ging: Mitte Januar 2011 war er in der Weltrangliste auf 89. In den Geschichtsbüchern stand er da schon: als erster Jamaikaner, der bei einem Grand-Slam-Turnier ein Spiel gewann, gegen Ruben Hidalgo bei den US Open 2010.

Jeder Schlag ein Winner – oder eben ein Loser

Kühnen wurde aufmerksam, hatte Brown schon in Wimbledon gesehen und versprach ihm nun eine Wildcard. Da Brown in der Weltrangliste derzeit auf 123 steht, nahm er diese an – und zahlte zurück: mit begeisterndem Spiel. „Super Aufschlag, super Vorhand”, analysiert Kühnen, „der spielt anders, hat einen eigenen Stil.” Es ist ein äußerst spektakulärer Stil: hopp oder top. Jeder Schlag ein Winner – oder eben ein Loser. Lange Ballwechsel sind bei ihm selten, er spielt gerne Serve & Volley, auch auf Sand. Die Zuschauer danken es ihm. Sein Match gegen Wawrinka fand auf dem engen Platz vier statt. „Die Stimmung war sensationell, wie in einem Kessel”, schwärmt Kühnen, „die Leute hingen fast in den Bäumen.”

Der Überraschungssieger war überglücklich. „Das Match rangiert ganz oben in meiner persönlichen Rangliste”, meinte Brown, „ich bin einfach glücklich und muss das sacken lassen." Viel Zeit bleibt nicht: Am Mittwoch stand das Zweitrunden-Doppel mit Michael Kohlmann an, am Donnerstag das Viertelfinale gegen Radek Stepanek.

Besonders stolz war Brown, ein so enges Match wie das gegen Wawrinka gewonnen zu haben: „Vor einem Jahr wäre ich in dieser Situation eingebrochen. Mein Problem ist ja die mangelnde Konstanz.” In der Vergangenheit hatten er und Trainer Daniel Puttkammer oft mit extremen Schwankungen innerhalb einer Partie zu kämpfen. Dank Unterstützung aus der eigenen Familie ist das nun anders: „Im vergangenen Jahr hat sich bei mir einiges verändert, besonders mental. Meine Psychologin ist dabei meine Mutter – dank ihr vertraue ich auch darauf, dass ich solche Gegner schlagen kann.”

Es sei ihm vergönnt – so lange er nach dem Sieg noch einen zahmen Aufschlag fabriziert, für einen Urlauber.

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