Dustin Brown: "Ich habe wie ein kleines Mädchen geweint"
Mit seinem Einzug in die dritte Runde in Wimbledon hat der Deutsch-Jamaikaner sich einen Kindheitstraum erfüllt. "Lleyton habe ich schon spielen sehen, als ich aufgewachsen bin."
London - Dustin Brown kullerten Freudentränen über die Wangen, als er sich seinen Kindheitstraum erfüllt hatte. Von den eigenen Gefühlen überwältigt zog der Deutsch-Jamaikaner zum ersten Mal in seiner Tennis-Karriere in die dritte Runde eines Grand Slams ein.
Dorthin wollte auch Andrea Petkovic, doch die einstige Frontfrau des deutschen Damentennis scheiterte auf dem Heiligen Rasen von Wimbledon an Sloane Stephens. Tränen flossen bei ihr keine, auch wenn sie die Enttäuschung über die verpassten Chancen kaum verbergen konnte. 6:7 (2:7), 6:2, 6:8 unterlag Petkovic nach 2:36 Stunden der an Position 17 gesetzten Amerikanerin. Dabei war sie keineswegs die schlechtere Spielerin, doch fehlte der lange verletzten Darmstädterin, die mit einer Wildcard ins Hauptfeld gerutscht war, im entscheidenden Durchgang das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten. Nachdem sie ihren Aufschlag zum 1:3 abgegeben hatte, ließ sie den aufgestauten Frust an ihrem Schläger aus.
Bereits nach dem verlorenen Tiebreak stand Petkovic der Ärger ins Gesicht geschrieben. Vorbei war es plötzlich mit der angeblichen Lockerheit, die sie nach dem Quali-Aus bei den French Open für sich entdeckt hatte. „Bullshit“, herrschte sie die Schiedsrichterin für eine Entscheidung an und verlor anschließend den Faden. Nach dem Match versuchte Petkovic sich selbst aufzubauen: „Natürlich ist es frustrierend, aber im Moment überwiegt das Gefühl, jeden Tag besser zu werden.“
Auf dem Platz fehlte ihr die Leichtigkeit, mit der Dustin Brown in den entscheidenden Momenten für Staunen auf den Rängen gesorgt hatte. Der Qualifikant, der zwischen seinem Wohnsitz in Jamaika und dem Elternhaus in Winsen/Aller pendelt, bezwang den alternden Ex-Champion Lleyton Hewitt 6:4, 6:4, 6:7 (3:7), 6:2 und heulte nachher „wie ein kleines Mädchen“, wie er gestand. „Ich bin eigentlich nicht der Typ, der anfängt zu weinen“, sagte Brown: „Aber Lleyton habe ich schon spielen sehen, als ich aufgewachsen bin. Ich war schon so oft nah dran an solch großen Siegen. Heute habe ich es endlich zusammengebracht.“ Und damit auch die Herzen der britischen Tennisfans im Sturm erobert. Es ist sein Auftreten im traditionsbewussten All England Club, das ihn aus der Masse der namenlosen Tennisprofis befreit. Dabei machen die langen, geflochtenen Haare und der schlaksige Körper nur den kleineren Teil seiner Anziehungskraft aus. Besonders die – gelinde gesagt – ungewöhnliche Spielweise begeistert die Zuschauer bereits seit der Qualifikation. Jeder Tennislehrer verdreht die Augen, sieht er Brown die Vorhand schleudern oder einen Flugball peitschen.
Der 28-Jährige, dessen Mutter Inge aus Winsen stammt und dessen Vater Leroy auf Jamaika lebt, schnibbelt, wenn es nichts zu schnibbeln gibt, drischt, wenn er besser schieben sollte und stürmt ans Netz, als sei das Serve-and-Volley nicht irgendwann in den 90er Jahren ausgestorben. All das machte Brown gegen Hewitt glänzend. In der Heimat war wohl niemand auf Browns Erfolg vorbereitet. Die Webseite des Teilzeit-Models, das in der Weltrangliste auf Platz 189 geführt wird, brach während des Matches zusammen. Derweil unterhielt Brown weiter die Zuschauer und blieb selbst nach dem Verlust des dritten Satzes gelassen, ja geradezu fröhlich. Beim Seitenwechsel grinste er den vier Jahre älteren Hewitt an, als würde er sagen wollen: 'Hey, ich führe immer noch!" Das entscheidende Break gelang Brown zum 3:1 im vierten Durchgang, weil er auf den schwachen zweiten Aufschlag seines Kontrahenten sofort ans Netz stürmte. Er selbst servierte hammerhart, teilweise mit mehr als 210 km/h. Das hat Brown immer schon getan, auch als er zu Beginn seiner Karriere im Wohnwagen von Turnier zu Turnier tingelte.
Auf der Challenger-Tour, der zweiten Tennis-Liga, ist er eigentlich auch heute noch zu Hause. In Wimbledon machte Brown jedoch eine Ausnahme und meldete für die Qualifikation. Auf Rasen fühlt er sich wohl, deshalb muss sein Weg noch lange nicht zu Ende sein. In Runde drei trifft er auf den Franzosen Adrian Mannarino, die Nummer 111 der Weltrangliste. Ausgeschieden ist dagegen Julian Reister (Hamburg), der sich ebenfalls durch die Qualifikation gespielt hatte. Der 27-Jährige unterlag dem Österreicher Jürgen Melzer 6:3, 6:7 (2:7), 6:7 (5:7), 2:6.
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