Die olympische Familie Neureuther und ihre Meinung zu den Spielen

Die Neureuthers aus Partenkirchen pflegen seit Jahrzehnten eine besondere Beziehung zu Winter-Olympia. Doch der Sohn sagt: "Meine Vorstellung von Olympia wird immer mehr zerstört."
Thomas Becker |
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Eigentlich ein Freund Olympias: Felix Neureuther 2014 in Sotschi.
Eigentlich ein Freund Olympias: Felix Neureuther 2014 in Sotschi. © picture alliance / dpa

München - Stell dir vor es ist Olympia, und wir fahren nicht hin: Lange Jahre war es für Familie Neureuther aus Partenkirchen undenkbar, bei Winter-Olympia NICHT dabei zu sein. "Es gibt wohl kaum eine olympiaverrücktere Familie, als wir es sind", sagte Christian Neureuther unlängst im BR.

Das liegt nicht nur an den Erfolgen. Die "Gold-Rosi" ist dank der 1976 eingefahrenen Sammlung (zwei goldene, eine silberne) im kollektiven Gedächtnis der Republik verankert. Gatte Christian und Sohn Felix schauten bei Olympia stets in die Röhre.

Mit olympischen Werten ist Felix aufgewachsen

Felix' Frau Miriam gewann 2010 Silber mit der Langlauf-Staffel. Ihr Mann, der als Dreijähriger zu den Spielen ins kalte Calgary geschleppt wurde, sagt: "Ich bin groß geworden mit olympischen Werten und Idolen. Aber meine Vorstellung von Olympia wird immer mehr zerstört."

"Spiel mit dem Feuer - Wer braucht noch solche Spiele?" heißt der Beitrag, in dem Felix Neureuther diese rhetorische Frage stellt. Kein Mensch braucht Spiele wie die in Peking und den umliegenden Schneekanonen-Ressorts.

Schau, Gold: Rosi Mittermeier, damals noch die Freundin von Christian Neureuther, mit einem ihrer Hauptgewinne der Spiele 1976.
Schau, Gold: Rosi Mittermeier, damals noch die Freundin von Christian Neureuther, mit einem ihrer Hauptgewinne der Spiele 1976. © imago/WEREK

Es sei denn, man ist Profi, hat Jahre dafür gearbeitet und keine Wahl als in der übelsten Autokratie an den Start zu gehen. Womöglich würde es den Athleten Neureuther noch geben, wenn die Spiele in Cortina oder Lillehammer stattgefunden hätten. Seine Karriere hätte mehr verdient als zwei achte Riesenslalom-Plätze 2014 und 2010.

Rosi Mittermeier ist mit Kritik eher zurückhaltend

Zur Beantwortung der Frage seine Eltern zu fragen, liegt nahe. Mama Rosi erlebte drei Mal Olympia, wurde 1968 20. im Riesenslalom, 25. in der Abfahrt, rückte 1972 mit Rang sechs, zwölf und 17 näher ans Podest, ehe sie auf der Axamer Lizum mit Doppel-Gold (Abfahrt und Slalom) und Silber im Riesenslalom in die Hall of Fame fuhr. Während die Männer der Familie keine Gelegenheit auslassen, über das IOC zu schimpfen, hält sie sich zurück: "Es wäre schön, wenn es so werden würde, wie es früher war: fröhlich, freundlich, miteinander kommunizierend."

Das wünscht sich Ehemann Christian auch, doch er weiß, wie unrealistisch das ist: "Ich hatte gedacht, etwas politisch verändern zu können - da war ich wohl naiv. Es geht komplett in die falsche Richtung. Das ist extrem traurig."

Geschichten sind wichtiger als einzelne Ergebnisse

Sportlich war es bei ihm nicht so gut gelaufen: 1972 Elfter im Slalom, 1976 Fünfter im Slalom, 30. im Riesenslalom, auch 1980 Slalom-Fünfter. "Die Rennen waren gar nicht mehr so wichtig", erzählt er, "sondern die Geschichten!" Die würden einen Themenabend füllen.

Stattdessen nehmen die Neureuthers uns mit auf den Dachboden. "Hier oben hat nur die Mama den Überblick", sagt Papa Neureuther mit Blick auf zig Kisten und Schachteln. Als die geöffnet werden, macht auch der Sohn große Augen: Die Ski-Klamotten all ihrer olympischen Spiele hat Mittermeier aufgehoben, Startnummer 9 vom Abfahrtssieg, sogar eine Strumpfhose.

Statt Garmisch kam 2018 Pyeonchang

Zum 50. gab's vom Göttergatten eine Original-Fackel von 1976. Als sich München und Garmisch-Partenkirchen vor Jahren für Olympia 2018 beworben hatten, hatte sich Christian Neureuther in sein 70er-Jahre-Olympia-Outfit geworfen - und eine blendende Figur abgegeben. Geholfen hat's nicht: Die Spiele wanderten nach Pyeongchang, einen der seelenlosesten aller Olympia-Orte.

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Im BR-Beitrag will Felix wissen, wie das IOC tickt und geht da hin, wo es weh tut: nach Lausanne, dem IOC-Sitz. Da Thomas Bach nicht mag, bekommt Neureuther es mit dem IOC-Exekutiv-Direktor zu tun, den man als aalglatt bezeichnen muss. Er spricht vom Brückenbauen, Händereichen, Großzügigsein: "Bei den Spielen geht es nicht um Politik. So einfach ist das." Das nennt man Chuzpe. Neureuther lacht ihm nicht laut ins Gesicht, schaut nur konsterniert. Nach einer Stunde habe man keinen Nenner gefunden. Das hätte auch überrascht.

Mal sehen, was die Zukunft bringt

Die Hoffnung geben die Neureuthers nicht auf: "Olympia sollte auch für meine Kinder ein erstrebenswertes Ziel sein", sagt Felix Neureuther. Wer weiß: Vielleicht schreibt ja ein anderer Neureuther die olympische Familiengeschichte weiter.

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