Ausgepfiffen, ausgedribbelt
Bonn - Jonathan Wallace treibt den Ball mit großen Schritten nach vorne. Er stoppt ab, kommt gar nicht richtig zum Stehen, schaut zum Korb – und drückt hinter der Dreierlinie ab: kein guter Wurf, vollkommen aus der Balance, das ist gleich zu sehen. Der Ball knallt auf den Ring.
Und der FC Bayern hat in diesem Moment sein erstes Spiel in der Basketball-Bundesliga verloren: 80:76 nach Verlängerung. Die Baskets Bonn müssen die wenigen Sekunden auf der Uhr nur noch herunterspielen. „Wir dürfen uns nicht beklagen“, sagt Trainer Dirk Bauermann, „Bonn hat am Ende die Big Plays gemacht. Sie haben aufopferungsvoll gekämpft, unsere Leistung hat dafür einfach nicht gereicht.“
Bayerns Basketball-Macher, Präsident Uli Hoeneß und sein Vize Bernd Rauch sahen die Pleite nur im Fernsehen. Hoeneß möchte keine Basketball-Auswärtsspiele besuchen, um so nicht noch weniger Zeit mit seiner Frau Susi zu haben, Rauch verweist auf die „hervorragende sportliche Führung mit Bauermann und Sportdirektor Marko Pesic, die alles bestens im Griff haben.“ Wobei Rauch auch zu Hause gelitten hat. „Vor allem während des grausamen ersten Viertels“, sagt Rauch, als die Bayern schnell eine 0:8-Serie der Bonner hinnehmen mussten. Als die Mannschaft das Spiel dann nach 40 plus fünf Minuten tatsächlich verloren hatte, schwang sich Rauch erst einmal aufs Fahrrad und ließ sich frische Luft um den Kopf wehen. „Um mich wieder zu normalisieren“, sagt er.
Der Auftritt in Bonn, es war für die Bayern der Anfang eines Spießrutenlaufs durch Basketball-Deutschland. Als die Mannschaft von Trainer Dirk Bauermann zum Aufwärmen kam, wurden sie von einem massiven Pfeifkonzert empfangen. Die Bonner Fans schickten sogleich die erste Intonation von „Zieht den Bayern die Lederhosn aus“ hinterher. „Jeder Gegner versucht, gegen uns die beste Leistung der Saison zu zeigen“, sagte Bauermann. Das Gleiche gilt für die gegnerischen Fans.
Kapitän Steffen Hamann wurde bei der Spielervorstellung böse ausgepfiffen, später musste Bastian Schweinsteigers Kumpel sich „Steffi Hamann“-Schmähgesänge anhören. Heftiger bekam’s nur Dirk Bauermann ab, sein Lautstärkepegel an Pfiffen blieb unerreicht. Der nahm das allerdings mit Humor und einer Prise Masochismus: „Ich kann das verstehen“, sagt Bauermann, „wenn ich Zuschauer wäre, würde ich mich vielleicht auch auspfeifen. Die Fans haben ein Recht, mich und die Mannschaft auszubuhen.“ Der immer noch verletzte Nationalspieler Robin Benzing hatte genau hingehört: „Die Stimmung war richtig gut, jedenfalls nicht unfair.“ Er hatte einen besonders schweren Part: Draußen zu sitzen und zuschauen zu müssen, wo doch Trainer und Mannschaft sehnsüchtig auf die Rückkehr warten. „Mit Robin gewinnen wir auf den großen Positionen wieder ein gutes Stück an Qualität“, sagt Bauermann.
Etwa 50 Münchner Fans waren zur Premiere mitangereist, sie wehrten sich tapfer gegen die 6000 tobenden Bonner Fans. Und tatsächlich: Manchmal hörte man sie sogar.
Meistens gingen sie aber in Bayern-Hassgesängen wie „Heulsuse Jagla“ unter. Nationalspieler Jagla hatte bei der Niederlage eine ganz unglückliche Rolle. Traurige zwei Punkte erzielte er in 21 Minuten Einsatzzeit, von dem besten deutschen Spieler bei der WM 2010 ist derzeit nicht mehr viel übrig. „Wir müssen das intensiv besprechen“, sagt Bauermann, „es ist keine Frage, dass wir von ihm mehr brauchen, als das heute der Fall war.“ Gut für die Bayern, dass Aleksandar Nadjfeji mit einem grandiosen Spiel (25 Punkte, 13 Rebounds) Jaglas Ineffektivität etwas kompensieren konnte.
Das Spiel in Bonn war in dieser Hinsicht schon einmal eine passende Einstellung. Denn leiser oder feinfühliger wird es für die Basketballer des FC Bayern in Sachen Kulisse garantiert nicht. „Das wird bei jedem Auswärtsspiel so sein“, sagt Bernd Rauch.