Allein gegen alle

Andrea Petkovic trotzt bei den US Open ihrer Meniskusverletzung – und sogar ihrem verzweifelten Vater und der Bundestrainerin.
Jörg Allmeroth |
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Es war ein bizarres Bild, das sich nach dem turbulenten Zweitrundensieg von Andrea Petkovic auf dem Grandstand bot: Auf dem Court feierte die Deutsche mit einem Tänzchen ihre Aufholjagd zum 3:6, 6:3, 6:3 gegen die Chinesin Jie Zheng, während in der Spielerbox Vater Zoran Petkovic und Bundestrainerin Barbara Rittner grimmig aus der Wäsche schauten.
Als seine Tochter Interviews gab, sagte Vater Petkovic 20 Meter Luftlinie entfernt einen Satz, der die ganze Dramatik um das Grand-Slam-Gastspiel der 23-Jährigen illustrierte: „Ich wünschte, sie würde endlich aufhören bei diesem Turnier. Für mich ist das absoluter Wahnsinn." Womit er sich auf Linie mit Fed-Cup-Chefin Rittner befand: „Ich stehe sonst hundertprozentig hinter Andrea und verteidige sie, wo es nur geht“, sagte sie, „aber ich verstehe nicht, was sie mit diesem US-Open-Start bezweckt. Ich habe böse Bauchschmerzen, wenn ich sie spielen sehe. Das macht mir Angst.“
Doch für Zweifel und Bedenken ist die deutsche Frontfrau nicht mehr empfänglich bei einer Mission, bei der sie buchstäblich keine Verwandten mehr kennt, bei der sie gegen den Willen von Vater, Mutter und Beraterin Rittner antritt und einen Ehrgeiz demonstriert, der gefährliche Züge angenommen hat. „Der Film, der hier läuft, könnte wirklich lauten: Ich allein gegen den Rest der Welt“, sagte die Weltranglisten-Zehnte, die sich von einem Muskeleinriss im Meniskus partout nicht stoppen lässt. Dass die Ärzte Recht haben mit der Einschätzung, die Verletzung könne sich bei dem Grand-Slam-Spektakel nicht verschlimmern, scheint nur noch die störrische Athletin selbst zu glauben. Vater Petkovic sieht eine beängstigende Tendenz bei seiner Tochter – die zur selektiven Wahrnehmung: „Sie lässt nur noch Argumente gelten, die ihr in den Kram passen.“ Nicht nur DTB-Frau Rittner fragt sich: „Was soll das Ganze eigentlich? Sie kann Punkte für die WM auch noch sammeln, wenn sie die Verletzung auskuriert hat. Ich wäre glücklich, wenn sie sagen würde: Das war’s, es reicht.“
Es gebe noch „unendlich viele WM- und Grand-Slam-Chancen in den nächsten Jahren“, sagt Zoran Petkovic, der sich ratlos und verloren fühlt: „So schlimme Tage hatte ich noch nie im Tennis.“ Weil seine Tochter selbst nach einem schmerzhaften Moment im ersten Satz der Partie gegen Zheng nicht aufgab, stürmte der 50-Jährige wie Rittner vom Platz weg. Auch Trainer Petar Popovic lief aufgeschreckt davon, um sich draußen geharnischte Worte der beiden Bedenkenträger anhören zu müssen. Popovic, so der Vorwurf, mache nicht seinen Einfluss auf „Petko“ geltend, weil er ab dem Erreichen der zweiten Grand-Slam-Runde finanziell an der Spielprämie partizipiere. Vater Petkovic kehrte zwar zurück auf den Platz, aber er versagte sich Beifall und Ratschlag an die Tochter. „Ich bin raus aus dem Ding, ich mache nichts mehr. Ich bete nur, dass nichts Schlimmes passiert.“
Inständig mahnten er und Rittner, auf den Doppelauftritt mit Julia Görges zu verzichten, fanden aber kein Gehör. Insider hätten ein Signal von Görges erwartet, dass Petkovic kein schlechtes Gewissen bei einem Rückzug zu haben brauchte. „Petko hat auf stur geschaltet“, sagte Rittner, „selbst wenn ich Steffi Graf bitten würde, auf Petko einzuwirken, würde das nichts nützen.“ Petkovic bestätigte: „Es gibt keinen, der mich von diesem Start abbringen könnte. Ich habe acht Leute um mich rum, die alle dagegen sind. Aber ich mache weiter.“
Dabei hat der falsche Ehrgeiz Petkovic erst vor zwei Monaten in Wimbledon eine Schlappe beschert. Damals warnte Vater Zoran: „Sie macht sich verrückt, setzt sich unter einen unglaublichen Erfolgsdruck.“ Schon in Cincinnati hatte sie wie eine Hasardeurin gewirkt, trotz des gerade erlittenen Muskeleinrisses noch im Halbfinale gespielt.
Gegen die Chinesin bog sie einen 3:6, 0:3-Rückstand um, küsste nach dem Matchball das malade Knie. Doch es war ein einsames Glück, das sie weder mit der Familie noch mit Rittner teilen konnte. Gefragt, warum sie gegen alle Widerstände weiter machen will, sagte sie: „Ich hatte mir sowieso vorgenommen, in dieser Saison tougher zu werden.“ Noch ist unklar, welchen Preis sie dafür zahlen muss.

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