Agassi: "Teile meines Körpers aus dem Koma geweckt"

Tennis-Legende Andre Agassi (39) über sein Show-Match mit Steffi in Wimbledon, seinen "magischen Moment" mit Federer bei der Siegerehrung in Paris und sein Engagement für sozial benachteiligte Kinder.
von  Abendzeitung
Tennis-Spaß im Gleichschritt: Steffi und Andre Agassi.
Tennis-Spaß im Gleichschritt: Steffi und Andre Agassi. © dpaa

Tennis-Legende Andre Agassi (39) über sein Show-Match mit Steffi in Wimbledon, seinen "magischen Moment" mit Federer bei der Siegerehrung in Paris und sein Engagement für sozial benachteiligte Kinder.

AZ: Andre, Sie haben schon einmal auf dem neuen Centre Court gespielt, vor fünf Wochen bei einer großen Showveranstaltung.

ANDRE AGASSI: Es war eine grandiose Erfahrung. Das Beste ist: Du merkst überhaupt nicht, dass dieses Dach geschlossen ist. Ich hatte das Gefühl, in einem Theater zu sein. Alles ist noch intensiver als unter freiem Himmel. Die Geräuschkulisse, die Begeisterung der Fans, und der Sound, wenn du selbst richtig auf einen Ball haust. Es war fantastisch.

Mit dem Regen-Dach wird Tennis also erst recht zur großen Inszenierung.

Der Bühnencharakter wird dramatisch verstärkt. Ich hatte im Mai einen Riesenspaß da draußen auf dem Centre Court - und ich glaube, den Spielern wird es nicht anders gehen, wenn das Dach einmal geschlossen ist. Allerdings hoffe ich, dass 14 Tage die Sonne scheint.

Wie sehr haben Sie diese dauernden Regenpausen genervt?

Ich bekam gleich in meinem zweiten Jahr einen Crash-Kurs. Das war 1991, eins der verregnetsten Jahre überhaupt in Wimbledon. Ich sollte Montag mein Erstrundenmatch spielen, gegen Grant Connell aus Kanada. Zu Ende aber war dieses Spiel dann am Samstag. Man kann sich vorstellen, wie glücklich ich damals war.

Wimbledon im Mai, es war auch Ihr erster wirklich großer Auftritt nach dem Karriereende im Herbst 2006. Spielen Sie noch häufig Tennis?

Nicht regelmäßig. Als ich mich für den Wimbledon-Schaukampf vorbereitet habe, mussten ein paar Teile meines Körpers aus dem Koma geweckt werden. Und wegen meiner Rückenbeschwerden waren auch ein paar Injektionen nötig. Aber die Entscheidung, da mitzuspielen, die fiel in ein paar Sekunden. Da musste ich überhaupt nicht überlegen, genau so wenig wie Steffi.

Viele Ihrer alten Kumpels spielen auf der Senior Tour mit. Sehen Sie sich da bald als Mit-Spieler?

Ich plane einen Auftritt im Oktober. Und ein Schowmatch gegen Pete Sampras - auch im Herbst. Regelmäßig spielen, das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Es wird sicher kein Leben mehr aus Koffern geben.

Paris hat ein historisches Turnier erlebt, mit einem Champion Roger Federer, der seine Sammlung von Grand Slam-Titeln komplettiert hat. Wie sehen Sie seinen Erfolg?

Es war ein magischer Moment auch für mich, Roger diese Trophäe zu überreichen. Er ist ein großartiger Botschafter für diesen Sport, ein wunderbarer Mensch. Er hat mir zwar viele bittere Momente beschert, als ich noch unterwegs war auf der Tour, aber es war ein Privileg, mit ihm in einer Tennis-Ära zusammen zu spielen.

Genau zehn Jahre vor Federer holten Sie sich den Paris-Titel als letzten aller vier Grand Slams – welch eine Laune des Schicksals.

Schon verrückt. Damals hatte mich keiner mehr auf der Rechnung, ich war ja anderthalb Jahre vor diesem Sieg auf Platz 141 der Weltrangliste zurückgefallen. Von einem Erfolg war ich so weit weg wie die Erde vom Mond. Und Paris war immer schrecklich für mich, ich empfand das Turnier regelrecht als Bedrohung. Zu meinem Freund Gil Reyes, meinem Fitnesstrainer, sagte ich einmal: Der Centre Court ist ein Monster für mich, ich muss dieses Monster irgendwie besiegen.

Das gelang Ihnen dann auch, weil Sie die Zuschauer machtvoll hinter sich hatten.

Das war vielleicht der größte Faktor. Ich hasste die French Open nicht, ich liebte sie auf einmal. Weil mich die Leute mochten, weil sie mich zum Sieg trieben. Du kannst solch ein Turnier nicht gewinnen, wenn du eine innere Abneigung hast. Roger hat Paris auch lieben gelernt, er hat es selbst gesagt. Und deshalb hat er diese letzte, ultimative Hürde auch übersprungen.

Kann ein Spieler in dieser Zeit des scharfen Konkurrenzkampfes alle vier Grand Slam-Titel in einem Jahr gewinnen?

Alle vier Titel überhaupt einmal zu gewinnen, ist schon eine der größten Leistungen, die es im Sport gibt. Alle vier Titel in einer Saison, das wäre noch einmal ein Quantensprung. Federer und Nadal ist es zuzutrauen. Aber sie haben nicht nur den jeweils anderen als großartigen Gegner, sondern auch die Murrays, die Djokovics und Tsongas. Da lauern Dutzende von erstklassigen Leuten, die einen Favoriten stürzen können, so wie ein Söderling in Paris eben Nadal.

Ist der Kampf um die Spitzenplätze noch härter geworden seit Ihrem Rücktritt?

Fakt ist, dass Roger Federer den Ansturm aller Rivalen für lange, lange Zeit meisterlich abgewehrt hat. Das spricht für seine Klasse, das beweist, welche Statur er hat. Nadal hat sich dann auf Augenhöhe zu ihm emporgeschwungen, er war der Erste, der das überhaupt geschafft hat in Federers Karriere. Es scheint, als ob jetzt auch Spieler wie Murray und Djokovic nach einer gewissen Reifezeit ein ernsthaftes Wörtchen mitreden können.

Kann Murray in Wimbledon gewinnen, bei seinem Grand Slam-Heimspiel?

Er hat das Zeug dazu, keine Frage. Weil er gelernt hat, mit dem großen Erwartungsdruck umzugehen. Und weil er sich selbst bewiesen hat, dass er bei den ganz wichtigen Turnieren sein bestes Tennis spielen kann – so wie bei den US Open letztes Jahr. Seine besten Chancen wird Murray immer bei den US Open oder in Australien haben, diese Beläge liegen ihm noch viel mehr als der Rasen in Wimbledon.

Zurück zu Federer: Wird er jetzt noch besser spielen, weil der Makel des fehlenden Paris-Titels von ihm genommen ist?

Ich denke, dass es schon eine enorme Erleichterung für ihn ist. Ziemlich sicher wird er bald die Nummer eins in der Liste mit den meisten Grand Slam-Titeln sein. Da kann man beruhigt drauf wetten.

Was hat Sie in den letzten, sehr erfolgreichen Jahren Ihrer Karriere angetrieben, wo sie alle bedeutenden Titel schon mindestens einmal gewonnen hatten?

Ich spielte nicht für neue Rekorde, für immer neue Bestleistungen. Ich habe diese Statistiken nie so im Auge gehabt. Wichtig war der Blick auf mich selbst: Ich wollte besser werden, besser sein. Jeden Tag. Und ich sagte mir: Wenn du gegen bestimmte Leute das Gefühl hast, nicht mehr gewinnen zu können, dann mach´ lieber Schluss. Und dieser Punkt war erst im Herbst 2006 erreicht.

Nun verwenden Sie viel Zeit auf Ihre Stiftungen, etwa auf die Schulprojekte in Las Vegas. Was ist Ihr Motiv?

Ich habe Freude daran zu helfen. Das ist eine große Inspiration für mich. Zu sehen, wie sozial benachteiligte Kinder die Möglichkeit haben, in den Schulen zu lernen und eine Chance in ihrem Leben zu finden, das ist eine bewegende Erfahrung. Und dass wir über die Jahre so viele Millionen eingesammelt haben, auch durch unser „Grand Slam for Children“-Event, das kommt mir manchmal noch wie ein Traum vor.

Interview: Jörg Allmeroth

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