Interview

Zu viel Bildschirm in Corona-Zeiten: "Abschalten und Augen zumachen"

Was macht die viele Zeit vor Computer und TV mit der Sehkraft? Was hilft bei Trockenheit? Eine Münchner Ärztin erklärt es in der AZ.
Ruth Schormann
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Wer über Stunden konzentriert auf den Bildschirm starrt, blinzelt weniger. Prof. Irmingard Neuhann rät zu Pausen - und Tropfen.
Wer über Stunden konzentriert auf den Bildschirm starrt, blinzelt weniger. Prof. Irmingard Neuhann rät zu Pausen - und Tropfen. © imago images/Westend61

AZ-Interview mit Irmingard Neuhann: Die Professorin für Augenheilkunde ist am gleichnamigen MVZ in München tätig.

AZ: Frau Neuhann, wir hängen seit einem Jahr noch viel mehr vor Bildschirmen als sonst: tagsüber Homeoffice, abends Fernseher, im Bett vielleicht noch das Smartphone. Was macht das mit unseren Augen?
IRMINGARD NEUHANN: Es beansprucht die Augen. Man kann dadurch auch Sehstörungen bekommen. Aber die gute Nachricht ist: Das ist alles vorübergehend. Dauerhafte Schäden sind - bei Erwachsenen - nicht bekannt. Aber der Leidensdruck ist dennoch bei manchen sehr hoch.

Irmingard Neuhann.
Irmingard Neuhann. © MVZ Prof. Neuhann GmbH

Wodurch?
Man kann fast alle Probleme, die durch das Mehr an Bildschirmzeit entstehen, unter dem Begriff Trockenes Auge sammeln. Es ist eigentlich das Gleiche, was passiert, wenn wir lange lesen - aber das macht heute fast keiner mehr. Wenn wir lange auf Bildschirm, Fernseher oder Handy schauen, konzentrieren wir uns und blinzeln unterbewusst seltener, weil das die Konzentration stören würde.

Dadurch trocknen die Augen aus, was zu unspezifischen Problemen wie tränenden oder schmerzenden Augen führen kann, oder dazu, dass man Schwierigkeiten beim Fokussieren hat oder verschwommen sieht. Die Amerikaner haben dafür den Begriff Digital Eye Strain geprägt, also digitale Augenbelastung, als Überbegriff für alles, was von der längeren Computerarbeit kommt - im Endeffekt ist der Großteil davon auf ein trockenes Auge zurückzuführen.

Das heißt, auf die Kurz- oder Weitsichtigkeit wirkt sich die Bildschirmzeit nicht aus?
Hier muss man zwischen Kindern und Erwachsenen unterscheiden. Bei Erwachsenen ist das Auge mit 18 bis 20 Jahren meist ausgewachsen, zwischen 20 und 30 kann die Bildschirm- beziehungsweise Naharbeit vielleicht noch etwas Kurzsichtigkeit hervorrufen, aber dann in der Regel nicht mehr.

Und bei Kindern?
Da sieht es ganz anders aus. Im Kindesalter ist die viele Naharbeit und gleichzeitiges Nichtrausgehen furchtbar für die Kinder - das ist für die Augen eine Katastrophe! Das vermehrte Homeschooling muss unbedingt mit genügend Zeit draußen ausgeglichen werden.

Wie sollte denn der Arbeitsplatz daheim möglichst augenfreundlich gestaltet sein?
Manche denken, das Licht, das vom Computer ausgeht, ist schädlich. Hier kann man aber Entwarnung geben: Das ist sehr niedrigenergetisch. Blaufilterbrillen braucht es nicht. Die meisten Dinge, die man machen kann, sind also die, die helfen, dass das Auge nicht so austrocknet. Etwa Blinzelpausen (siehe Kasten, d. Red.). Wenn die nicht helfen, kann man künstliche Tränen geben, also das Auge zusätzlich befeuchten.

"Der Bildschirm sollte sich in die Umgebung einfügen"

Generell sollte man sich an betriebsärztliche Vorgaben und den gesunden Menschenverstand halten, was die Position des Monitors angeht oder die Lichtverhältnisse. Der Monitor sollte nicht zu hell, die Umgebung nicht zu dunkel sein, aber auch keine LED-Röhren beinhalten, die einen direkt blenden. Der Bildschirm sollte sich von der Helligkeit her in die Umgebung einfügen. Und Kontaktlinsenträger, die ein besonderes Risiko haben, dass die Augen austrocknen, könnten als Ausgleich mal eine Brille tragen.

Stimmt, das sieht im Homeoffice ja auch keiner. Gibt es da spezielle Tropfen oder tun es dafür auch die aus der Drogerie?
Hauptsache Tropfen, da reichen auch die aus der Drogerie. Die Standardpräparate heute enthalten Hyaluronsäure, das ist die Basis-Therapie. Wenn einem eine Sorte nicht taugt, muss man selber etwas rumprobieren, das ist wie bei einer Gesichtscreme, da ist auch nicht eine für alle gleich gut.

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Können solche Tropfen süchtig machen - heißt es ja von Lippenpflegestiften und Nasenspray auch hin und wieder?
Nein, da kann man nichts falsch machen. Ins Auge passt auch nur so viel, wie es braucht, und der Rest läuft raus. Da wird man nicht abhängig davon.

Welche Rolle spielen momentan Allergien?
Die meisten Leute haben das schon selber im Griff und therapieren sich selbst mit rezeptfreien antiallergischen Augentropfen. Auch hier helfen Befeuchtungstropfen, die das Allergen quasi aus dem Auge waschen. Wenn das nicht reicht, sollte man zum Augenarzt.

"Es empfiehlt sich, eine Arbeitsplatzbrille anpassen zu lassen"

Bemerken Sie in Ihrer Praxis, dass mehr Leute mit trockenen Augen zu kämpfen haben?
Wir bemerken das schon seit einer Weile, nicht erst seit der Pandemie. Trockene Augen sind schon immer ein großes Thema bei uns. Vor zwei Jahren war es so extrem trocken in München, da hatten es die Leute von der Umgebungsluft, als es lange nicht geregnet hat.

Hilft es auch den Augen, sich draußen an der frischen Luft aufzuhalten?
Dazu gibt es zwar keine direkten Studien, aber ich persönlich denke, Bewegung draußen ist für alles gut, ja, auch fürs Immunsystem. Bewegung ist auf jeden Fall nicht schädlich für die Augen, eher förderlich, weil man dann Pause macht. Draußen wechselt man natürlich auch immer wieder zwischen dem Fokus in der Weite und in der Nähe, das ist besser, als nur in der Nähe zu arbeiten.

Was kann man sonst machen?
Was oft unterschätzt wird, ist eine Arbeitsplatz-Brille. Die Leute denken oft, ich brauche keine Brille, aber ein kleiner Sehfehler kann, wenn man lange auf immer die gleiche Entfernung schaut, Probleme bereiten, wenn er nicht ausgeglichen wird. Wer zum Beispiel eine Gleitsichtbrille trägt, schaut, wenn er den Computer anguckt, durch einen kleinen Winkel, wozu er den Kopf unter Umständen noch komisch halten muss. Da empfiehlt es sich, eine Arbeitsplatz-Brille anpassen zu lassen.

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Durch die Angst vor Corona haben auch viele Menschen Arzttermine verschoben. Wie sieht es bei Ihnen aus, welche Augen-Eingriffe kann man verschieben und welche besser nicht?
Der Graue Star, also die Eintrübung der körpereigenen Linse, ist eine Alterserscheinung, die jeder irgendwann einmal bekommt - man sieht dann wie durch eine dreckige Brille. Hier entscheidet der Patient, wann er das operieren lassen möchte, wann er dadurch zu sehr in seiner Lebensqualität eingeschränkt ist. Wenn man stolpert etwa, wird es gefährlich.

Wir haben schon gemerkt, dass Leute die Operationen aufgeschoben haben letztes Jahr. Jetzt warten alle auf die zweite Impfung und lassen sich dann erst lieber operieren. Das, denke ich, ist vielleicht sinnvoll. Aber unsere Praxisräume sind mit einer der sichersten Orte, was Corona angeht. Gerade der ambulante OP-Saal mit der speziellen Klimaanlage ist absolut rein. Da braucht man keine Angst zu haben.

Und was sollte man nicht aufschieben?
Alles, was zur Erblindung führen kann: Bei Augenrötung, Schmerzen und Sehverschlechterung sollte man sofort zum Augenarzt. Ebenfalls nicht verschoben werden sollten regelmäßige Medikamenten-Injektionen ins Auge sowie OPs bei Netzhautablösungen oder erhöhtem Augendruck.

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