Steuerfalle in München: Warum hier besonders oft Streit ums Erbe droht

Niemand schiebt das Thema Erben so stark auf wie die Münchner. Experten erklären, wann der beste Zeitpunkt ist, sich damit zu beschäftigen und weshalb ein Testament so wichtig ist.
Maximilian Neumair |
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Beim Thema Erben kommt es schnell zu Streitigkeiten.
Beim Thema Erben kommt es schnell zu Streitigkeiten. © imago
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Dankbarkeit, Traurigkeit, Angst – die Gefühle jener, die über den Nachlass nachdenken, bewegen sich irgendwo dazwischen. Egal ob als Erbe oder Erblasser. Kein Wunder, dass so ein aufwühlendes Thema dazu verleitet, nicht darüber nachzudenken – oder zumindest nicht darüber zu sprechen.

Eine repräsentative Studie der Quirin Privatbank AG zeigt, dass jeder Dritte die Auseinandersetzung damit aufschiebt, ganz besonders die Münchner (44 Prozent). Hier erwartet demnach jeder Zweite eine Erbschaft. Zum Vergleich: In Berlin ist es nur jeder Fünfte.

Münchner Experte: Die meisten Familien drücken sich lange vor Erbschaftsfragen

Mit das größte Hemmnis sowohl bei den Erben als auch Erblassern: Die meisten wollen sich nicht mit dem Tod auseinandersetzen (62 bis 63 Prozent). 63 Prozent der Befragten befürchten zudem Konflikte innerhalb der eigenen Familie: wegen ungleichmäßiger Verteilung des Erbes, eines fehlenden Testaments und wegen möglicher Streitigkeiten um persönliche Dinge. Hier stechen unter den Befragten wieder besonders die Münchner hervor: Zwei Drittel geben an, Streitereien zu fürchten.

Das lange Aufschieben ist aber gefährlich, denn es bedroht das Erbe – gerade in München. Haus-und-Grund-München-Vorsitzender Rudolf Stürzer sagt dazu der AZ: "In München ist die Besonderheit, dass die Grundstückswerte mit Abstand am höchsten sind im Bundesgebiet. Das wirkt sich natürlich massiv auf die Erbschaftssteuer aus."

In München trifft die Erbschaftssteuer viele Immobilien

Ein Kind hat zwar einen Freibetrag von 400.000 Euro, der Ehepartner von 500.000 Euro. Aber: "Jedes Reihenhaus in München kostet eine Million Euro." In der Praxis heißt das laut Stürzer, dass Mehrfamilienhäuser oft verkauft werden müssen, weil die Mieteinnahmen nicht reichen, um den Kredit der Bank für die Erbschaftssteuer zu finanzieren.

Um das Vermögen in Gänze auch wirklich weitergeben zu können und den viel befürchteten Streit zu vermeiden, braucht es laut Erbrechtanwalt Jan Bittler eine klare juristische Planung – also ein Testament. Der Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV) sagt der AZ: "Man muss sich fragen: Was ist zu vererben? Und wo soll es hin?"

Ist das nicht geklärt, könne das zu Problemen führen – gerade wenn man mehrere Kinder habe und eine Immobilie vererbt werde. "Wenn sich die Kinder, also die Erbengemeinschaft, bei der Immobilie nicht einigen, führt das in der Regel zu einer Versteigerung übers Gericht", warnt Bittler.

Unterschied zwischen Vermachen und Vererben: Darauf kommt es beim Testament an

Damit ein Laien-Testament gültig ist, müsse es per Hand geschrieben und auch unterschrieben sein. Per Computer aufgesetzte Schreiben zählen nicht. Außerdem wichtig: eine Überschrift sowie Ort und Datum.

Ist das Testament erst einmal angefertigt, sollte es bei einem Fachanwalt oder bei einem Notar geprüft werden. Denn Laien verwenden laut Bittler oft eine Sprache, die juristisch unklar ist.

Ein Beispiel: "Vermachen und Erben wird oft gleichgesetzt, aber ein Erbe ist der, der alles erbt und im Erbschein drinsteht. Derjenige, der etwas vermacht bekommt, kann zum Erben gehen und etwa die vermachten 100.000 Euro einfordern."

"Sobald man Vermögen hat, sollte man sich zeitig darum kümmern"

Stürzer von Haus und Grund München ergänzt, dass besonders ein notarielles Testament helfe, um Konflikte zu vermeiden. Denn: "Immer häufiger kommt es vor, dass die Geschäftsfähigkeit des Erblassers bezweifelt wird." Ein Notar stellt eben diese fest.

Zudem sinnvoll: Das Testament vom Amtsgericht verwahren lassen, damit es niemand verschwinden lassen kann, der sich beim Erbe etwa benachteiligt fühlt.

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Wann sollte das Testament spätestens geschrieben werden? Stürzer von Haus und Grund München warnt: "Selbst wer noch jung ist, kann immer tödlich verunglücken oder eine schwere Krankheit bekommen." Sobald man also Vermögen hat, sollte man sich zeitig darum kümmern.

Besonders wenn es sich um eine Immobilie handelt: "Wegen der steigenden Werte in München sollte man nicht den Erbfall abwarten, sondern vorher alle zehn Jahre die Freibeträge ausnutzen", sagt Stürzer. Die Faustregel lautet: "Je früher man die Immobilie an die Kinder überträgt, desto günstiger fährt man in München."

Der Erblasser sollte das Gespräch zuerst suchen

Gehört die Immobilie beiden, kann pro Elternteil der Freibetrag von 400.000 Euro pro Jahrzehnt für das Kind genutzt werden. Bei zwei Kindern wären auf diese Weise sogar 1,6 Millionen Euro übertragbar. Aber Achtung: Die Jahre werden erst ab dem Eintrag ins Grundbuch gezählt.

Gehört die Immobilie nur einem der beiden Elternteile, gibt es die Möglichkeit der Kettenschenkung: Das heißt, der eine Ehegatte schenkt dem anderen einen Teil der Immobilie – der natürlich unter dem Freibetrag in Höhe von 500.000 Euro liegen sollte.

Wichtig ist hierfür laut Bittler, dass das Paar auch wirklich verheiratet ist. Nur dann gilt der hohe Freibetrag anstatt die üblichen 20.000 Euro. Was den Wert der Immobilie Stürzer zufolge außerdem drückt, ist, diese unter Nießbrauchrecht zu übergeben. "So wird rechnerisch ein großer Teil des Werts der Immobilie abgezogen, gerade wenn die Eltern noch jünger sind, etwa 50", sagt Stürzer.

Testament sollte immer wieder angepasst werden

Geändert werden sollte das Testament laut Erbrechtsanwalt Bittler immer dann, wenn sich etwas am Vermögen geändert hat oder andere Erben eingesetzt werden sollen.

Der Erblasser ist in der Verantwortung – und sollte laut Mehrheit der Befragten der Studie (77 Prozent) auch derjenige sein, der das Gespräch übers Erbe anleiert. Kommt es dazu nicht, darf aus Sicht der Münchner aber auch der Erbe Gesprächsinitiator sein (29 Prozent).

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