Mehr Geld für die Kirche
Anders als früher wissen Banken jetzt automatisch über die Religionszugehörigkeit ihrer Kunden Bescheid. Wer nicht will, dass auf Zinsen Kirchensteuer einbehalten wird, muss handeln.
MÜNCHEN Der Hinweis auf dem Kontoauszug der Sparkasse klang ungut: „Sehr geehrte Kundin!“, schrieb das Kreditinstitut. „Kirchensteuer auf abgeltend besteuerte Kapitalerträge (zum Beispiel Zinsen) wird ab dem 1. Januar 2015 automatisch einbehalten und an die steuererhebenden Religionsgemeinschaften abgeführt.“
AZ-Leserin Bolle S. schwante Schlimmstes – „Kirchensteuerabzocke“! Erst der genau Blick auf den Kontoauszug beruhigte sie vorerst. Die Regelung tritt ja erst im Jahr 2015 in Kraft, sah sie beim nochmaligen Lesen. Allerdings müssen Kontoinhaber bis zum 30. Juni 2014 Bescheid geben, wenn sie nicht wollen, dass die Bank im Namen Gottes auf ihre Zinsen Zugriff nimmt.
Bisher schummelte mancher. Darum geht’s genau: Bisher konnten Anleger, wenn sie ein Depot oder Konto eröffneten, selbst entscheiden, ob die Bank die Kirchensteuer auf Zinsen und Dividenden vornehmen sollte. Dafür setzten sie ihr Häkchen bei „Religionszugehörigkeit“ oder ließen es bleiben. In letzterem Fall unterlagen die Kapitaleinkünfte trotzdem der Kirchensteuer, jedoch wurde diese erst zusammen mit der Einkommensteuererklärung festgesetzt. Weil viele Bundesbürger Zins- oder Mieteinnahmen verschwiegen, gingen nicht nur der Fiskus, sondern auch die Kirchen leer aus.
Regelanfrage in Bonn. Das soll sich ändern: Die Banken behalten die Kirchensteuer automatisch ein. Sie fragen dazu beim Bundeszentralamt für Steuern die Kirchensteuerpflicht und die Religionszugehörigkeit ihrer Kunden ab. Wer dies nicht möchte, kann beim Bundeszentralamt für Steuern dagegen Widerspruch erheben. Dies muss, wie gesagt, bis Ende Juni passiert sein. Die Formulare gibt es als Download unter www.finanzamt.bayern.de.
Acht Prozent Steuern auf die Abgeltungssteuer. So viel verlangt die Kirche. Wer also beispielsweise 1000 Euro Zinsen kassiert hat, muss darauf 2444 Euro Einkommensteuer zahlen. Acht Prozent hiervon sind 220 Euro Kirchensteuer. Wer nur geringe Kapitalerträge hat, muss nichts zahlen. Für Alleinstehende gilt ein Freibetrag von 801 Euro, für Verheiratete von 1602 Euro.
Der Vermerk verpflichtet zur Steuererklärung. Wichtig: Jeder Steuerzahler, der einen Sperrvermerk eintragen lässt, muss eine Steuererklärung einreichen. Schließlich wollen die Kirchen ja an ihr Geld kommen. Das Bundeszentralamt für Steuern übermittelt deswegen für jedes Veranlagungsjahr, für das ein Sperrvermerk eingetragen ist, Name und Anschrift des jeweiligen Steuerzahlers an dessen Wohnsitz-Finanzamt.
Bei geringem Einkommen gibt’s Geld zurück. Liegt der persönliche Steuersatz des Steuerpflichtigen unter 25 Prozent, bekommt er nach der Steuererklärung mindestens einen Teil der gezahlten Abgeltungssteuer plus die darauf gezahlte Kirchensteuer vom Finanzamt zurück. Dies betrifft vor allem Geringverdiener und Rentner.
Kirchliche Gnade statt Strafe. Tröstlich: Wer in der Vergangenheit bei der Kirchensteuer geschwindelt hat, braucht trotz des neuen Verfahrens keine Angst vor drakonischen Strafen zu haben. Das Kirchensteuerrecht kennt den Begriff der Steuerhinterziehung nicht, anders als die weltlichen Finanzämter.
Teurer Ausgleich: 480 Millionen jährlich für die Kirchen
Der vorerst letzte Versuch scheiterte Ende November – mit Bundestag-Petition Nr. 46498. Der Vorstoß zur Einstellung der seit zwei Jahrhunderten alljährlich an die Kirche überwiesenen „Staatsleistungen“ fand gerade einmal 5287 Unterstützer. Viel zu wenig, um sich im Parlament Gehör zu verschaffen.
In diesem Jahr sollen es bis zu 480 Millionen Euro sein, die alle Bundesländer außer Hamburg und Bremen aus dem Steuertopf zahlen – zusätzlich zu den Kirchensteuern der Bürger und den Steuererleichterungen für kirchliche Einrichtungen. Die Tendenz der Zahlungen ist steigend – auch bei sinkenden Mitgliederzahlen.
Die jährlichen Überweisungen gehen auf ein Wirrwarr aus Kompensationen und historischen Ansprüchen zurück. Sie sind Folge der Entflechtung von Staat und Kirche. Mit Reformation und Säkularisierung ging Kircheneigentum an den Staat über. Der sicherte Ausgleichszahlungen zu. Am Anspruch der Kirchen dürfte sich in den nächsten Jahren nichts ändern, auch, wenn die Kirchen gesprächsbereit sind und offen für eine Ablösung des Relikts aus dem vorvergangenen Jahrhundert. Sie warten auf ein angemessenes Angebot des Staates.
Aber eine abschließende Regelung – womöglich in Form einer hohen Milliarden-Einmalzahlung als Ausgleich – käme die Bundesländer teuer zu stehen. Ende Februar 2012 schlug die Linke im Bundestag vor, die Staatsleistungen an die beiden Großkirchen mit einer Einmalzahlung über etwa 4,8 Milliarden Euro abzulösen. Was den Kirchen, die durchaus reinen Tisch machen wollen, zu wenig sein dürfte.
Auch Rechtsexperten halten eher das 20- oder 25-Fache der Jahresüberweisung als Einmalzahlung für erforderlich. Zahlen müssten die Länder. Manchem Kassenwart dürften da weitere Jahresbeträge lieber sein – auch wegen der strengen Schuldenbremse, die ab 2020 den Ländern in Normalzeiten neue Schulden untersagt. Entsprechend windet sich die Politik: Angestrebt würden „partnerschaftliche Verhandlungen“ und „konsensuale Gespräche“: Mit anderen Worten: Besonders dringend sucht niemand nach einer Lösung.
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