So kompliziert wie Sachliteratur: Eine Studie prüft Beipackzettel
Bei Ibuflam/-Lysin (ratiopharm 400 Milligramm) ist er arg verwirrend: Mit einem Lesbarkeitsgrad von 53,68 ist der Beipackzettel des Kopfschmerzmittels am kompliziertesten.
Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse der Versandapotheke mycare.de, die die Lesbarkeit der Beipackzettel der 50 meistverschriebenen Medikamente in Deutschland untersucht hat. Basis der Untersuchung ist der Lesbarkeitsindex (LIX). Dieser orientiert sich unter anderem an der durchschnittlichen Satzlänge sowie dem Anteil langer Wörter. Je höher der Wert, desto schlechter die Lesbarkeit.
Sechs gelten als Sachliteratur
Der durchschnittliche Lesbarkeitsindex der analysierten Medikamente liegt bei 47,04. Dabei liegen 22 Packungsbeilagen über diesem Durchschnitt und 28 unterhalb.
Sechs der untersuchten Packungsbeilagen überschreiten sogar den LIX-Wert von 50 - und fallen damit bereits in die Kategorie Sachliteratur. Das bedeutet: Die Texte sind sprachlich komplex, schwer zugänglich und für Laien oft nur schwer verständlich.

An der Spitze der kompliziertesten Packungsbeilagen steht der Beipackzettel von Ibuflam/-Lysin (ratiopharm 400 Milligramm), einem Schmerzmittel gegen entzündungsbedingte Beschwerden wie Gelenk- oder Zahnschmerzen.
Fast die Hälfte der verwendeten Wörter (45,5 Prozent) zählt laut der Analyse zu den langen Wörtern, und auch die durchschnittliche Satzlänge fällt mit 8,14 Wörtern vergleichsweise hoch aus.
Größere Schrift würde oft schon helfen
Auf dem zweiten Platz folgt der Versandapotheke zufolge das Medikament Thyronajod® 75 Henning, ein Kombinationspräparat zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen wie Kropf oder Schilddrüsenunterfunktion.
Der LIX-Wert beträgt 51,43. Der Anteil langer Wörter: 44,5 Prozent. Die durchschnittliche Satzlänge: 6,91 Wörter.
Nur knapp dahinter folgt L-Thyroxin Henning 100, ebenfalls ein Schilddrüsenmedikament, mit einem LIX-Wert von 51,26, einer durchschnittlichen Satzlänge von 7,05 Wörtern und einem ähnlich hohen Anteil langer Wörter (44,2 Prozent).
Platz vier belegt der Protonenpumpenhemmer Pantoprazol - 1 A Pharma® mit einem LIX-Wert von 50,26, dann folgt Atorvastatin AXiromed (ein Mittel, um Blutfettwerte zu senken) mit einem LIX-Wert von 50,19.
"Vielen Patienten wäre bereits geholfen, wenn die Schrift größer wäre oder es farbliche Hervorhebungen gäbe", sagt Martin Schulze, Apotheker und Leiter der pharmazeutischen Kundenberatung bei mycare.de. Eine klare und verständliche Packungsbeilage sei sowohl für ältere und chronisch erkrankte Menschen als auch für Patienten, die ein Medikament zum ersten Mal verschrieben bekommen, von entscheidender Bedeutung, um Medikamente sicher und korrekt anzuwenden. "Eine verständlichere Sprache könnte nicht nur das Vertrauen in die Medikation stärken, sondern auch zu einer höheren Therapietreue führen."
Anspruch auf Fachberatung
Doch was tun, wenn man nun den Beipackzettel nicht versteht? Apotheken, auch Versandapotheken, seien gesetzlich zur Beratung verpflichtet, sagt Schulze der AZ. "Patienten können sich jederzeit an unsere pharmazeutische Fachberatung wenden, telefonisch oder per E-Mail." Außerhalb der regulären Öffnungszeiten stehe zudem der Apothekennotdienst zur Verfügung. Auch die behandelnden Ärzte können Auskunft geben, etwa zu möglichen Wechselwirkungen oder zum richtigen Einnahmezeitpunkt eines Medikaments.
Immerhin: Bei der Analyse gab es auch positive Beispiele, mit verständlicher Packungsbeilage. Zu denen zählen die Beilagen von Allopurinol Indoco, zum Verringern der Bildung von Harnsäure-Ablagerungen, sowie Candecor und Candesartan-1 A Pharma, beides zur Behandlung von Bluthochdruck. Besonders leserfreundlich ist dabei die Packungsbeilage von Allopurinol Indoco mit einem Lesbarkeitsindex von 41,41. 2159 Wörter verteilen sich auf 461 Sätze – das entspricht einer Satzlänge von 4,68 Wörtern.
Was heißen die Formulierungen im Beipackzettel?
Mit reichlich Flüssigkeit einnehmen" – das steht in so manchem Beipackzettel. Doch was steckt genau hinter den Formulierungen?
Was genau heißt "mit reichlich Flüssigkeit"?
Mit "reichlich Flüssigkeit" ist in der Regel ein haushaltsübliches Glas stilles Wasser gemeint, etwa 200 bis 250 Milliliter, sagt Martin Schulze, Apotheker und Leiter der pharmazeutischen Kundenberatung bei mycare.de, der AZ.
Auf ungeeignete Flüssigkeiten wie Alkohol, Milch, Obstsäfte oder heiße Getränke sollte bei der Einnahme verzichtet werden, da sie die Wirkung des Medikaments beeinträchtigen können.
"Häufige Nebenwirkungen" – was bedeutet häufig?
"Häufig" bedeute, dass eine Nebenwirkung bei einem bis zehn von 100 Patienten auftreten kann, also mit einer Wahrscheinlichkeit von einem bis zehn Prozent, sagt Schulze. "Sehr häufig" stehe für eine Wahrscheinlichkeit von über zehn Prozent. Wichtig sei: Diese Angaben sagen nichts darüber aus, ob man persönlich betroffen sein wird. Beipackzettel würden regelmäßig an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst, das Datum der letzten Aktualisierung sei jeweils angegeben.
"Seltene Nebenwirkungen" – was meint das?
"Selten" bedeutet, dass eine Nebenwirkung bei einem bis zehn von 10.000 Patienten auftritt, also mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,01 Prozent bis einem Prozent. Auch hier gilt: Die Häufigkeit einer Nebenwirkung sagt nichts über deren Schwere aus.
"Zu einer Mahlzeit": Wann nimmt man das Medikament am besten ein?
Medikamente, die "zu einer Mahlzeit" eingenommen werden sollen, nimmt man idealerweise während des Essens oder direkt danach, sagt Schulze. Das sorge für optimale Bedingungen, damit der Wirkstoff im Körper gut aufgenommen wird. Eine Einnahme auf nüchternen Magen oder erst Stunden nach der Mahlzeit ist nicht empfohlen, da sich zum Beispiel der pH-Wert im Magen stark unterscheiden kann.
Was heißt "Nüchtern einnehmen"?
"Nüchtern einnehmen" heißt, dass das Medikament mindestens 30 Minuten vor dem Essen, idealerweise aber 60 Minuten vorher, eingenommen werden sollte und nur mit stillem Wasser. Umgekehrt gilt laut Schulze: Hat man vorher gegessen, sollten mindestens zwei Stunden vergangen sein, bevor man das Medikament einnimmt.
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