Der Vermieter muss zahlen

50 % der Mietverträge mit fehlerhaften Klauseln. Dann zahlt der Eigentümer
Susanne Stephan |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

 

MÜNCHEN Fegen, Tür zu und tschüss: Die meisten Mieter können sich Schönheitsreparaturen schenken. Auch wenn der Mietvertrag sie eigentlich schwarz auf weiß zur Renovierung verdonnert, müssen sie beim Auszug nur ihre Einbauten entfernen und mit dem Besen durchgehen. Sie dürfen sogar von ihrem Vermieter Geld zurückfordern, wenn sie nach dem Umzug mitkriegen, dass sie unnötigerweise renoviert haben. Alles möglich, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in den vergangenen Jahren mehrfach urteilte. Jetzt setzten die höchsten Zivilrichter noch einen drauf: Mieter müssen auch keine anteiligen Renovierungskosten zahlen, wenn allein der Vermieter die Malerfirma bestimmen darf (Aktz: BGH VIII ZR 285/12).

Mindestens jeder zweite Mietvertrag zum Teil ungültig. Ulrich Robertz vom Mieterbund schätzt, dass mindestens die Hälfte aller Verträge mit unwirksamen Forderungen zum Renovieren gespickt sind, Altverträge von vor dem Jahr 2002 sogar zu drei Viertel.

Die Zeche müssen die Vermieter zahlen. Das Gesetz geht davon aus, dass der Vermieter fürs Tapezieren, Streichen und Parkettabschleifen zuständig ist. In den vergangenen Jahrzehnten war es allerdings üblich, Renovierungsarbeiten per Mietvertrag auf die Bewohner abzuwälzen. Sind diese Renovierungs-Klauseln im Vertrag juristisch nicht korrekt formuliert, gilt der Gesetzestext. Ist nur eine einzige Klausel nach den BGH-Vorgaben unfair formuliert, muss der Mieter keinen Handgriff tun.

Verboten: „Mindestens nach drei Jahren“ streichen. Ein strenges Zeitkorsett, wonach bestimmte Räume zwangsweise alle zwei, drei oder fünf Jahre renoviert werden müssen, erklärte der Bundesgerichtshof für unwirksam (Aktz: BGH VIII ZR 360/03). Soll „mindestens“ oder „spätestens“ nach X Jahren renoviert werden, muss der Bewohner auch nicht ran. Ebenso wenig bei Klauseln, wonach die Bleibe „wie überlassen“ oder „in vertragsgemäßem Zustand“ zurückgegeben werden muss (VIII ZR 339/03).

Gehen Detailforderungen zu weit, ist der Vermieter in der Pflicht. Fein raus sind Mieter auch, wenn die Wohnung beim Auszug ein Schönheits-Lifting kriegen muss, ohne dass die Renovierung während der Mietzeit berücksichtigt wird (VIII ZR 166/08). Sie müssen auch nicht die Türen und Fenster von außen streichen (VIII ZR 210/08) oder die Tapeten beim Auszug entfernen (VIII ZR 152/05).

Verboten: starre prozentuale Anteile an Renovierungskosten. Das gilt auch für alle, die vorzeitig aus ihrer Wohnung ausziehen und vertraglich zu einen starren prozentualen Anteil an den Renovierungskosten verdonnert werden: Nach zwölf Monaten etwa 20 Prozent, nach 24 Monaten 40 Prozent (VIII ZR 52/06). Ist eine Quotenregel an den „Kostenvoranschlag eines vom Vermieter auszuwählenden Malerfachgeschäfts“ geknüpft, braucht der Mieter ebenfalls keinen Cent zu zahlen, wie der BGH jetzt neu entschied.

Der Mieter darf verlangen, dass der Maler kommt. Wichtig zu wissen: Ist eine Renovierungsklausel ungültig, können Mieter noch während der Mietzeit verlangen, dass der Eigentümer eine abgenutzte Wohnung auf seine Kosten in Schuss bringt – und nicht erst zum Auszug. Aber Vorsicht: Renoviert der Besitzer, haben Mieter kaum Mitspracherecht bei der Farbgestaltung. Zudem ist danach eine Mieterhöhung wahrscheinlich.

Achtung: Übergabeprotokoll kontrollieren! Mieter sollten immer auf der Hut sein: Schönheitsreparaturen können nachträglich individuell vereinbart werden, quasi durch die Hintertür. Etwa in einem Übergabeprotokoll zum Auszug, so der BGH (VIII ZR 71/08). Lässt sich ein Mieter darauf ein, muss er letztlich doch renovieren – obwohl die ursprüngliche Renovierungsklausel ungültig war. Neuere Mietverträge können zudem wieder Schönheitsreparaturen auferlegen. Wer dehnbare Formulierungen wie „in der Regel“, „ungefähr“, „meist“ oder „normalerweise alle drei Jahre“ in seinem Vertrag findet, muss renovieren. Selbst wenn die üblichen Zeitabstände (drei, fünf, sieben Jahre) aufgelistet werden, bleibt diese Klausel wirksam. Es darf ja dann auch später gestrichen werden. Auch die Wörter „im Allgemeinen“ oder „in der Regel spätestens“ sind vom BGH (III ZR 351/04) abgesegnet.

Geld zurück, aber schnell. Wer erst im Nachhinein merkt, dass er umsonst renoviert hat, kann sich Geld zurückholen (VIII ZR 302/07): Die Rechnung einer Fachfirma darf an den Vermieter weitergereicht werden. Beim Malern in Eigeninitiative darf neben den Materialkosten Geld für Hilfskräfte (Freunde) verlangt werden. Dafür ist aber Eile angesagt. Immer mehr Gerichte, wie das Landgericht Kassel (1 S 67/10), sind der Auffassung, dass Ansprüche auf Ersatz sechs Monate nach Ende des Mietverhältnisses verjähren. Berrit Gräber

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.