Torgarant Harry Kane steht vor seiner wichtigsten Saison

Mit Umbrüchen kennt sich Harry Edward Kane (32) aus. Schließlich hat ihm seine eigene Biografie schon so manche Aufgabe und Wendung beschert. Seine dritte Saison beim FC Bayern München steht unter besonderen Vorzeichen. In diesem Sommer haben zahlreiche herausragende Kicker dem Land den Rücken gekehrt. Die Bundesliga spielt für ihr internationales Renommee, sonst droht ihre Herabstufung zum Shopping-Paradies. Auch deshalb kommt es ab Freitag (22. August) mehr denn je auf den ebenso resilienten wie torhungrigen Engländer an.
Neue Bayern-Hierarchie nach Müller-Abgang
Am 13. August hat Bayern-Legende Thomas Müller (35) nach 17 Jahren als Bayern-Profi Deutschland in Richtung Kanada verlassen. Seither sendet "Radio Müller" von Vancouver aus in alle Welt. Den Zurückgelassenen an der Säbener Straße fehlt nicht nur ihr Antreiber und Spaßgarant. Müller stellte sich in den vergangenen Jahren oft den Fragen der Presse, wenn andere lieber schweigend im Kabinengang verschwanden.
Für Harry Kane war Müller mehr als nur ein Golf-Kumpel: Er half ihm, in der Mannschaft anzukommen. Nicht umsonst würdigte er den Weltmeister von 2014 zum Abschied als "Legende des Clubs und des Spiels" und bezeichnete ihn als "Anführer in der Kabine." Müllers Abgang sorgt indes für eine neue Trinität im Bayern-Gefüge: hinten Torwart-Größe und Bayern-Kapitän Manuel Neuer (39), in der Mitte Nationalelf-Spielführer Joshua Kimmich (30) und im Sturm Englands Kapitän Harry Kane. Kane steht nicht nur auf dem Feld an vorderster Front, sondern rückt mit der neuen Saison auch abseits des Feldes mehr denn je in den Fokus.
Bundesliga kämpft um ihren Ruf
Neuen Herausforderungen sieht sich auch die gesamte Liga ausgesetzt. In der Vergangenheit gelegentlich als "Ausbildungsliga" verspottet, hat sich die Lage über den Sommer noch verschärft. Mit Florian Wirtz (22), Hugo Ekitiké (23), Jamie Gittens (21), Jeremie Frimpong (24) und Benjamin Sesko (22) hat die Bundesliga vor der Saison ausnahmslos junge, prägende Köpfe ihrer Teams an die englische Premier League verloren. Besonders weh tut allen Fußball-Liebhabern der Bundesliga-Abschied von Florian Wirtz, dem aktuell besten deutschen Kicker, in Richtung Liverpool. Die bittere Wahrheit lautet: Gegenüber der finanziellen Übermacht der Premier League, die vor allem aus den beträchtlich höheren Erlösen der Auslandsvermarktung resultiert, wirkt die Bundesliga wie ein Zwerg. Die Liga droht, zum Shopping-Paradies für englische Einkäufer zu werden.
Noch versucht der FC Bayern dagegenzuhalten - und zwar ausgerechnet mit einem Sturm-Trio, das zu einhundert Prozent aus der Premier League stammt: rechts Michael Olise (23), ehemals Crystal Palace, links Sommer-Neuzugang Luis Díaz (28) aus Liverpool und in der Mitte Harry Kane, ehemals Tottenham Hotspurs. Wie die Bundesliga im Ausland wahrgenommen wird, hängt zum Großteil von ihrem Abschneiden in der UEFA Champions League ab. Und da war in den vergangenen fünf Jahren für den FC Bayern viermal bereits im Viertelfinale Schluss. Kann das "englische" Bayern-Trio die Bayern - und damit die Liga - zurück an die Spitze schießen?
Kane kann Krise
Harry Kane kann Krise. Schon als Kind lernte er, mit Herausforderungen und Rückschlägen umzugehen. Im zarten Alter von acht Jahren wechselte der in London geborene Fußballer von seinem Heimatverein Ridgeway Rovers zum großen FC Arsenal. Nach nur einem Jahr schickte der Londoner Nobelklub den kleinen Harry jedoch wieder zurück. Der Grund: Er habe Übergewicht und sei aufgrund dessen "nicht auf Arsenal-Niveau." Nicht einmal Harrys verzweifeltes Angebot, sich ins Tor zu stellen, um bei Arsenal bleiben zu dürfen, half. Der Rest ist bekannt: Resilienz-Wunder Kane setzte sich in der Folge beim Londoner Konkurrenten Tottenham Hotspurs durch und reifte zum Weltklasse-Stürmer und Nationalspieler. Seit 2018 führt er die englischen "Three Lions" als Kapitän aufs Feld.
Doch auch damit finden die Demütigungsversuche gegenüber Kane kein Ende. Mal machen sich Kommentare in den sozialen Medien über seine angeblich undeutliche Aussprache in Interviews lustig. Vor allem aber pflegten seine Kritiker bis zum Sommer Kanes Image als einziger titelloser Weltstar. Der Spott loderte nochmal besonders kräftig auf, als Kane in seiner ersten Bayern-Saison Bayer Leverkusen den Meistertitel überlassen musste. Motto: Kane kann es nicht. Inzwischen hat der Weltklasse-Stürmer nicht nur die Meisterschale in den Münchner Himmel gestemmt. Gerüchte, er werde am Ende der Saison nach England zurückkehren, lehnt er kategorisch ab. Kane will mehr: in der Bundesliga, im DFB-Pokal, in der UEFA Champions League und auch mit England bei der WM 2026. Alle Täler mit ihm durchschritten hat seine Ehefrau Katie Goodland (32), mit der er vier Kinder hat. Beide kennen sich seit ihrer Kindheit. Damals reifte ihr Harry vom Gehänselten zum Mann, der alles schaffen kann. Die kommende Saison könnte zu Kanes wichtigster seines Lebens werden.