Nina Queer zeigt sich ohne Perücke und Schminke
SIE ist egozentrisch, auffällig und vorlaut. ER ist bodenständig, gern allein und genügsam. Daniel Wegscheider liebt und lebt Kunstfigur Nina Queer in der Öffentlichkeit – hinter die Fassade ließ er bislang nicht blicken, bis jetzt! Mit der AZ hat er über sein Privatleben, den Job und das neue Buch von Nina Queer ("Sie ist wieder da") gesprochen.
AZ: Sie stehen morgens nicht als Nina Queer auf. Wie lange dauert die Verwandlung?
DANIEL WEGSCHEIDER: Um die zwei Stunden im Regelfall. Für TV- oder Filmprojekte meist etwas länger, da dort oft spezielles Make-up oder ein bestimmtes Styling gefordert wird.
Was unterscheidet Nina von Daniel?
Nina ist ein Mittelpunktmensch und eine waschechte Entertainerin. Privat bin ich gern allein und eher scheu. Ich fliehe oft, wenn ich zu viele fremde Blicke an mir spüre. Es ist mir ohne den 'Schutzanzug' als Drag eher unangenehm. Es gibt für mich im Grunde nichts Schöneres, als völlig unerkannt durch die Stadt zu spazieren und die Menschen zu beobachten. Eine typische Autorenkrankheit.
Dennoch zeigen Sie bei uns exklusive Fotos von sich ohne Perücke und Schminke.
Ich hab lange überlegt und mache das wirklich zum ersten und auch zum letzten Mal. Aber die Anfragen häufen sich in letzter Zeit und es standen auch schon Fotografen vor meiner Tür. Um dem ganzen Eiertanz entgegenzuwirken, gehe ich nun diesen Schritt und hoffe, dass ich danach, ein für alle mal meine Ruhe habe, was dieses Thema betrifft.
Apropos "Ruhe". Diese genießen Sie nach Auftritten als Nina Queer dann ganz bewusst, oder?
Mein größter Luxus ist es, allein zu sein, da ich fast immer Menschen um mich habe und mich zu Geschäftsterminen oft mit großen Gruppen an Leuten treffen muss.
Wie leben Sie privat?
Ich wohne ohne großen Pomp in einer 100 Quadratmeter Wohnung in Berlin. Die Wohnung beinhaltet auch meine Geschäftsräume.

Was mögen Sie am liebsten?
Lange Hundespaziergänge, Nächte in denen ich bis in die frühen Morgenstunden fernsehe und natürlich gutes Essen und Champagner gehören zu meinem Lebensstil. Ich bin also eher langweilig. Keine Fetische. Keine verrücken Hobbys.
"Manchmal bin ich depressiv", schreiben Sie im neuen Buch. Was meinen Sie damit?
Man ist oft am Ende seiner Kräfte, weil man manchmal nur auf Reisen ist. Wochen- , oft monatelang. Dann arbeite ich fast nur nachts, die Menschen erwarten immer die beste Laune und größtmögliche Energie von einem. Dazu gibt es Massen an Alkohol. Das kann man lange durchhalten, aber irgendwann knallen die Sicherungen durch. Mit Ruhe und viel Schlaf ziehe ich mich meistens selbst aus so einem tiefen Tal. Wenn es gar nicht anders geht, sage ich auch mal Termine ab. Die Dunkelheit gehört zu unserem Leben genauso wie das Licht. Ich denke, da geht es mir nicht besser oder schlechter als anderen auch. Niemand ist immer glücklich.
Ein hoffentlich schöner Sommer steht an. Planen Sie Urlaube?
Tatsächlich werde ich demnächst meinen ehemaligen Chef in München besuchen. Ich habe Schloss Neuschwanstein noch nie gesehen. Da ich auch noch einen Abstecher ins Kloster Andechs machen will und Freunde besuchen möchte, werde ich wohl an die zehn Tage bleiben. Danach geht es dann weiter nach Kärnten zu meinen Eltern. Mein kleiner Hund Tinky ist immer mit dabei.

Wie ist denn das Verhältnis zu Ihren Eltern in Österreich?
Als ich ein Kind war, war es sehr schwierig, was hauptsächlich an mir lag. Ich war ein schrecklich freches Kind. Nicht zu bändigen. Heute telefonieren wir fast täglich und sehen uns ein oder zweimal im Jahr. Sie waren auch schon mal auf meinen Partys und bei meinen Shows und Lesungen. Wir sind fein miteinander.
Die Partys und Shows können derzeit nicht stattfinden. Hat Sie die Corona-Krise finanziell hart getroffen?
Auch mich hat die ganze Sache in Teufels Küche gebracht. Die Welt, die ich mir 20 Jahre lang erschaffen habe, gibt es nicht mehr. Alles, wofür ich lebte, alles, was ich liebte, ist einfach weg. Untergegangen wie Atlantis. Momentan halte ich mich mit dem Verkauf meiner Bücher und Jobs beim Radio und Fernsehen über Wasser. Der privilegierte Luxus ist aus meinem Leben verschwunden, aber darum trauere ich nicht. Es tut mir gut, mich zu erden und mit Verzicht und Entbehrung zu leben. Es ist wie eine Heilung auf gewisse Art und Weise.
Man würde sich in der Showbranche eh nur prostituieren, berichten Sie im Buch. Da muss man als Leser schmunzeln.
Wenn man wie ich für Fernsehsender, Produktionsfirmen oder große Clubs arbeitet, ist man die Prostituierte seiner Arbeitgeber. Man erwartet gerade von Dragqueens eine ganz bestimmte Rolle und ein Klischee zu erfüllen. Da ich ja Geld verdienen muss, gebe ich meinen Körper diesen ganzen Wahnsinn hin. Meinen Geist bekommen sie aber nicht. Und der ist ehrlich gesagt auch nicht gefragt. Man will den Gutelaunebären und keine Bestsellerautorin mit politischer Einstellung oder kunsthistorischem Wissen. Ich soll die Leute unterhalten und mich nicht mit ihnen unterhalten. Wenn man diese Regeln kennt und beachtet, kommt man aber gut klar damit. Man muss wissen, welchen Preis man zu bezahlen hat und darf sich hinterher nicht beschweren. Was ich übrigens nie tun würde. Ich liebe meinen Job.
Nina Queer: "Sie ist wieder da" (Nibe Media, 243 S., 19,95 Euro)
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