Jorge González ganz privat: "Zu Hause trage ich auch Jogginghose"

Wo Jorge González (58) auftaucht, sind gute Laune, kreative Outfits und zentimeterhohe Absätze nicht weit. Der gebürtige Kubaner wurde 2010 als Catwalk-Trainer bei "Germany's Next Topmodel" bekannt und zählt seit 2013 fest zur Jury von "Let's Dance". Mit seinen Auftritten beweist der 58-Jährige regelmäßig seine Authentizität – ein Aspekt, der ihm besonders am Herzen liegt. Das und mehr hat er im persönlichen AZ-Interview verraten.
Jorge González: "Kommunikation zwischen Kindern und Eltern ist so wichtig"
Ab dem 28. Oktober zeigt das "Deutsche Theater München" mit "Kinky Boots" ein Musical, das wie für Jorge González gemacht zu sein scheint: Die Geschichte handelt von einem jungen Mann, der seine Liebe für High Heels entdeckt – und von Vielfalt, Toleranz und Mut. Dass der "Let's Dance"-Juror sozusagen die Schirmherrschaft für die Shows in Deutschland übernommen hat, überrascht daher nicht. Im AZ-Gespräch verrät er, was die Geschichte für ihn so besonders macht.
AZ: Lieber Herr González, was begeistert Sie am Musical "Kinky Boots"?
JORGE GONZÁLEZ: Es ist eine Geschichte über Menschlichkeit, Toleranz und Liebe. Und ich glaube, heutzutage wünschen wir uns alle diese Dinge zurück. Gerade junge Leute sind müde von Mobbing, Diskriminierung und allem, was einfach schlechte Laune bringt. Und in diesem Musical verbergen sich hinter den Kostümen, den High Heels und Drag-Show vor allem Freundschaft, Akzeptanz, Toleranz und Liebe.
Warum sollten sich Zuschauer das Musical ansehen?
Sie müssen kommen, denn diese Show ist einfach eine Explosion aus Energie, Glamour, toller Musik und wunderschönen Tanzperformances. Der Cast ist wirklich der Wahnsinn! Und aus der Geschichte kann jeder etwas lernen. Das Musical ist übrigens auch für Familien sehr gut geeignet. Denn gerade diese Kommunikation zwischen Kindern und ihren Eltern ist so wichtig!
Können Sie das genauer erklären?
Dass sie sprechen, dass sie offen sind, ohne Angst aufeinander zugehen und sich trauen, alles zu sagen – wer sie sind und wie sie wirklich fühlen. Ich glaube, das ist in vielen Familien oft das Problem: Wenn die Kommunikation mit den Eltern fehlt, dann wählen viele den falschen Weg. Diese Liebe zu Hause, dass sich junge Menschen sicher, akzeptiert und respektiert fühlen, ist das größte Geschenk, das man einer Person machen kann. Und darum geht es in dem Musical!

Wie oft haben Sie das Musical selbst schon gesehen?
Oh, ich habe dieses Musical schon oft gesehen, seitdem es am Broadway erschienen ist. Ich war zum Beispiel in Montreal, Kanada, und habe mir es dort angesehen. Und auch den Film kenne ich gut, den mag ich sehr gerne.
Ist denn geplant, dass Sie auch selbst mal auf der Bühne stehen?
Ich bin immer auf der Bühne, ich bin Jorge (lacht). Aber ob ich in diesem Musical auf der Bühne stehen werde, wer weiß? (lacht)
Jorge González stürzte live im TV: "Fallen kann jeder"
Im Musical spielen Schuhe eine wichtige Rolle. Fühlen Sie sich in High Heels wohler als in flachen Schuhen?
Nicht unbedingt wohler, aber ich liebe High Heels einfach. Denn High Heels sind ein Statement! Sie verändern den Gang und man betritt einen Raum mit ganz anderer Körpersprache. Die Körpersprache und die Körperhaltung verändern sich durch High Heels. Und wenn man diesen Gang beherrscht, fühlt man sich einfach gut – also so ist es zumindest bei mir.
Bekommen Sie noch manchmal Blasen an den Füßen?
Nein, denn das bedeutet, dass man die falschen Schuhe gekauft hat (lacht). Viele Chicas sehen tolle Schuhe und kaufen sie einfach. Aber ich sage immer: "Probiert die Schuhe unbedingt, sonst werden eure Füße weinen!"
Sind Sie schon mal in High Heels gestürzt?
Oh ja, und wie! Im "Germany's Next Topmodel"-Finale 2010 bin ich vor einem Millionenpublikum im Fernsehen, vor Heidi Klum und vor 14.000 Zuschauern in der Köln-Arena auf dem Popo gelandet. Auf YouTube kann man sich das noch anschauen. Aber ich bin ganz schnell wieder aufgestanden! Und das ist meine Message: Fallen kann jeder, aber schnell aufstehen und weitermachen kann nicht jeder – und das ist das Wichtigste.
Jorge González über "Let's Dance"-Zukunft: "Ich liebe diese Show"
Seit 2013 sitzen Sie in der "Let’s Dance"-Jury. Fällt es Ihnen oft schwer, auf Ihrem Stuhl sitzen zu bleiben?
Ja, natürlich. Ich bin ein Mensch, der springen will. Ich will mitmachen, ich will tanzen mit meinen Kollegen dort. "Let’s Dance" ist eine Show voller Energie – und ein Tanz ist dann toll, wenn man sich eingeladen fühlt, mitzumachen. Und das passiert oft in unserer Show.
Wären Sie gerne mal selbst Kandidat?
Nein, nein – das ist alles gut so, wie es ist. (lacht)

Haben Sie schon mal über einen "Let’s Dance"-Ausstieg nachgedacht?
Warum sollte ich das tun? Warum sollte ich darüber nachdenken, aufzuhören? Ich liebe diese Show! Wir machen einen tollen Job. Wir sind die einzige Jury auf der Welt, die so lange zusammen in einer Show besteht. Warum sollte ich das aufgeben?
Jorge González über Heidi Klum: "Waren drei wunderbare Jahre"
Denken Sie gerne an die Zeit bei "Germany’s Next Topmodel" zurück?
Immer! Ich erinnere mich immer gerne an gute Zeiten zurück. Dort hat meine TV-Karriere angefangen, dort wurde der Chicas-Walk geboren. Ich hatte bei GNTM so viel Spaß mit Heidi Klum und dem gesamten Team. Das waren drei wunderbare Jahre.
Wann haben Sie Heidi Klum das letzte Mal gesehen?
Puh, wo habe ich Heidi zum letzten Mal getroffen? Ich glaube, das war vor zwei Jahren in Deutschland beim "Germany’s Next Topmodel"-Finale. Danach hat es sich leider, leider, leider nicht mehr ergeben – denn ich war so viel unterwegs und die Termine haben einfach nicht gepasst.
Jorge González zur AZ: "Ich stehe zu den Dingen, die ich denke"
Hören Sie oft, dass Sie ein Vorbild für die Queer Community sind?
Nicht nur von der Queer Community tatsächlich. Mir haben schon viele Leute gesagt, dass ich ein Vorbild für sie bin, auch Mädels. Das finde ich natürlich ganz toll und ich fühle mich geehrt. Denn sie sagen: "Ich liebe deinen Individualismus, deine Präsenz und dein Selbstbewusstsein."
Wie erklären Sie sich das?
Ich stehe einfach zu den Dingen, die ich denke, und das ist für mich sehr wichtig. Gerade in der LGBTQ-Community finde ich es natürlich ganz toll, wenn junge Menschen auf mich zukommen, die sich ein bisschen allein und verloren fühlen. Denn mir ging es als Kind ja genauso! Und wenn ich ihnen jetzt helfen und sie ein bisschen unterstützen kann, ist das wunderschön.

Jorge González privat: "Zu Hause trage ich auch Jogginghose"
Gibt es eine Stilikone, die Sie bei Ihren kreativen Looks inspiriert?
Ikone zu sagen ist immer so schwierig – denn ich liebe so viele! Früher hätte ich vermutlich geantwortet: David Bowie. Ich habe seinen Stil, seine Musik, sein Dasein und seine Rollen immer verfolgt. Den habe ich wirklich geliebt!
Ist der private Jorge auch so bunt?
Na ja, ich bin ein Mensch – und jeder Mensch hat Licht und Schatten. (lacht) Ich trage gerne alle Farben, denn ich tue immer, was sich für mich gerade richtig anfühlt. Wenn ich Pink tragen will, trage ich Pink. Wenn ich High Heels tragen will, trage ich High Heels. Und wenn ich Schwarz tragen will oder barfuß laufen möchte, dann tue ich das auch. Natürlich kennen die Leute nur den Jorge aus dem Fernsehen – das ist meine Bühne und ich genieße diese Momente. Aber zu Hause trage ich auch Jogginghose oder laufe in Flip-Flops herum. Einfach ganz normal! (lacht)
Haben Sie eine Leidenschaft, die manche Leute überraschen würde?
Ich weiß nicht genau, was die Leute alles von mir wissen. Ich habe viele Interessen! Zum Beispiel beobachte ich gerne andere Leute – deren Gang und deren Körpersprache und analysiere sie. Außerdem bin ich ein Mensch, der immer in Bewegung ist.
Jorge González über Verlust: Trauer "ist immer im Herzen"
Ihr Vater starb kurz vor seinem 100. Geburtstag. Was hat Ihnen bei der Trauerbewältigung am meisten geholfen?
Ich mir selbst. Denn ich habe mit meinen Eltern immer diese enge Kommunikation gehabt und wir haben auch über den Tod gesprochen. Sie haben mir immer gesagt, wenn sie mal nicht mehr sind, soll ich mich an die schöne gemeinsame Zeit erinnern. Mein Vater hat mir ganz konkret gesagt: "Wenn ich sterbe, möchte ich verbrannt und am Meer verstreut werden." Ich sollte dabei seine Lieblingsmusik hören und einen Mojito trinken – das war das Trauerkonzept meines Vaters.

Und wie denken Sie heute darüber?
Ich glaube, meine Trauer wird nie ganz weggehen – die ist immer im Herzen. Die wird auch immer in meinem Herzen bleiben! Aber wenn ich an meinen Vater oder meine Mutter denke, tue ich das mit einem Lächeln im Gesicht.