"Intellektuell bin ich damit überfordert"
München - Béla Réthy (59) kommentiert seit 1991 Fußballspiele für das ZDF - klar, abwechslungsreich und erfolgreich. Das findet offenbar auch der Sender, der ihm diese öffentlichkeitswirksame Aufgabe schon so lange anvertraut. Doch in den Social-Media-Kanälen hagelt es regelmäßig Kritik, wenn ein Vergleich zu weit hergeholt oder viel erklärt wird.
Blogger beweist: Bela Réthy ist ein Poet
Vor dem heutigen Champions-League-Spiel KAA Gent gegen VfL Wolfsburg (Achtelfinal-Hinspiel, Anstoß: 20.45 Uhr, Übertragungsbeginn: 20.25 Uhr, ZDF) hat die Nachrichtenagentur spot on news mit dem Sport-Kommentator über seinen Beruf gesprochen, über die beiden sportlichen Großereignisse im Sommer und über das Béla-Bashing, das regelmäßig auf Twitter und Facebook ausgetragen wird.
Herr Réthy, Sie kommentieren Sport-Ereignisse für Experten und Laien. Wie schaffen Sie den Spagat?
Béla Réthy: Bei Weltmeisterschaften gucken auch viele Leute, die sich sonst im Alltag nicht so sehr für Fußball interessieren. Da muss man ein bisschen mehr ins Detail gehen, auch auf die Gefahr hin, dass es die Viel-Gucker unterfordert. Bei der Champions League haben wir ein ausgewieseneres Fachpublikum. Die sind tiefer in der Materie drin, da kann auch ich tiefer in die Taktik eintauchen. Das passiert aber ganz unterbewusst.
Inwiefern haben die neuen Medien und sozialen Netzwerke Ihren Beruf verändert?
Réthy: Durch die Möglichkeit, seine üble Laune, direkt loswerden zu können. Alle Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, sind davon betroffen. Das ist ein Zeitgeist oder besser Ungeist, aber es gehört nun mal dazu. Diese Entwicklung in den sozialen Netzwerken, aber auch gesamtgesellschaftlich ist bedenklich. Allein der Begriff "haten": Früher hat man gelernt, dass man nicht hasst, sondern etwas nicht mag oder sich kritisch damit auseinandersetzt. Das ist nicht gut, aber ich kann die Welt ja nicht aufhalten.
Lesen Sie die Kommentare?
Réthy: Nein, ich bin weder bei Facebook noch bei Twitter. Über die sendereigenen Accounts bekomme ich es manchmal mit, intellektuell bin ich damit aber überfordert.
Wie sehr fürchten Sie eine Sprechblockade?
Réthy: In einer Live-Situation ist mir das noch nie passiert, da hilft wohl das Adrenalin. Es gab aber schon Situationen, in denen ich mir gedacht habe: Lieber Gott, bitte gib mir ein Verb! Da habe ich den Satz dann halt ein bisschen gedehnt und noch einen Einschub gemacht und noch einen... und irgendwann kommt dann schon das Verb. Der Druck in einer Live-Situation sorgt dafür, dass einem immer etwas einfällt - nicht immer das schlaueste, zugegeben, aber man kommt schon durch.
Wie pflegen Sie Ihre Stimme?
Réthy: Nur mit Zigaretten, das inzwischen aber auch weniger. Ansonsten vielleicht noch ein paar Salbeibonbons vor dem Spiel.
Sprechen Sie am Tag vor einer Live-Übertragung besonders wenig?
Réthy: Nein, das ginge auch gar nicht, weil wir am Tag des Spiels immer noch Sitzungen, Konferenzen und Besprechungen haben. Da sind auch die Reporter immer herzlich willkommen, ihr Know-how einzubringen. Insofern ist Sprechen unvermeidbar.
Worauf freuen Sie sich mehr: EM oder Olympia?
Réthy: Das kann ich nicht sagen, weil ich mich immer nur auf das nächste Ereignis konzentriere. Insofern ist Olympia noch weit. Natürlich verbindet mich mit Brasilien viel, weil ich dort zum Teil aufgewachsen bin. Trotzdem Freude ich mich jetzt erst mal auf die Champions League. Es ist ein wunderbarer Wettbewerb. Das Finale im Mai in Mailand werde ich auch kommentieren. Und kaum ist dort das letzte Wort gesprochen und das Abendessen eingenommen, wendet sich meine ganze Konzentration in Richtung Frankreich.
Machen Sie sich Sorgen wegen der Anschläge in Frankreich?
Réthy: Die Sorgen sind insgesamt groß, wenn ich an irgendeinem Bahnhof oder Flughafen auf der Welt stehe. Denn die Eskalation, die im Moment stattfindet, ist natürlich sehr bedenklich. Wenn man sich dem aber zu sehr aussetzt, darf man das Haus nicht mehr verlassen. Das geht in unserem Beruf nicht, insofern gehe ich damit entspannt um. Ich war drei Wochen nach den Anschlägen in Paris und die Leute haben auf mich einen sehr relaxten Eindruck gemacht. Die lassen sich davon nicht kaputt machen und das ist auch richtig so.
Was machen Sie denn am allerliebsten außer Fußballschauen?
Réthy: Ich reise sehr gerne. Ansonsten bin ich der klassische Chiller. Wenn ich mal ein bisschen Zeit habe und mich mit einem Glas Wein, einem guten Buch oder Film in einer schönen Gegend aufhalten kann, bin ich sehr zufrieden.
Können Sie im Urlaub komplett abschalten oder müssen Sie auf dem Laufenden bleiben?
Réthy: Ich liebe meinen Beruf. Insofern macht es mir auch nichts aus, eine Sportzeitung durchzublättern, wenn ich im Urlaub am Pool liege. Wenn ich mich dagegen vier Wochen lang aus dem Leben schießen würde, müsste ich vor der nächsten Produktion alles aufarbeiten. Das kostet viel mehr Zeit. Sich zu informieren, ist ja keine Arbeit im klassischen Sinne. Journalisten sind immer informiert, anders geht es gar nicht. Abschalten kann man trotzdem, es geht beides.
In wenigen Tagen wird Uli Hoeneß vorzeitig aus der Haft entlassen. Was halten Sie davon?
Réthy: Es war kein Kavaliersdelikt, deswegen hat er seine Strafe bekommen und ist als Steuersünder gebrandmarkt. Ich bin gespannt, wie engagiert er sich nun einbringen wird, wenn er wieder frei ist.