„Ich bin nicht unsterblich– auch wenn ich so aussehe!“

Mit Witz, Leichtigkeit und – fast immer – einem guten Spruch auf den Lippen wirdThomas Gottschalk, Deutschlands liebster Sonnyboy, auch schon 60 Jahre alt
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Mit Witz, Leichtigkeit und – fast immer – einem guten Spruch auf den Lippen wirdThomas Gottschalk, Deutschlands liebster Sonnyboy, auch schon 60 Jahre alt

Früher, da hat Gottschalk am Montag nach der Sendung bei seiner Frau angerufen und gefragt: „Was hat Ponkie geschrieben?“ Heute fängt er schon am Sonntag Vormittag an zu googeln und liest um 11 Uhr den ersten Verriss auf Spiegel online. Bis halb zwölf, hat er mal verraten, denkt er sich: „Dann hör ich eben auf!“ Erst wenn ihm dann am Flughafen wildfremde Menschen zurufen: „Super Show gestern, Thommy!“, dann fühlt er sich besser. Heute wird Thomas Gottschalk 60 Jahre alt, er hat über 30 Jahre Showgeschäft hinter sich. Trotzdem steht er immer noch in der Manege, am Ende der Vorstellung will der Clown Applaus. Kritik ärgert ihn nicht nur, sie verletzt ihn sogar.

Feierlichkeiten hat sich der ZDF-Dinosaurier verbeten, keine Nostalgie-Show mit alten Freunden und schwarzweißen Ausschnitten, das schmeckt zu sehr nach Nachruf. Schließlich steht er bis 2012 beim ZDF unter Vertrag und kämpft gegen den unaufhaltsamen Quotenschwund der Familienshow „Wetten, dass“ in Zeiten der tausend Kanäle. Die Frage, wie lange er das noch machen will, musste Gottschalk auch schon mit 50 beantworten. Meist macht er dann einen Witz, in der Art von: „So lange die Maske meine Frisur noch hinkriegt.“

Fakt ist: Niemand will nach Gottschalk „Wetten, dass“ übernehmen und als Königsmörder dastehen. Und ein „Wetten, dass“ mit neun Millionen Zuschauern ist dem ZDF immer noch lieber als gar keines. Also geht es weiter, bis Gottschalk selbst geht.

Bis dahin macht er, was er immer konnte: Sprüche klopfen, locker sein. Heutzutage sind ja alle Moderatoren ungeheuer locker, allerdings brauchen sie für ihre Sprüche Gagschreiber. Gottschalk ist am besten, wenn er spontan ist.

Deswegen hat er Karriere gemacht – deswegen ist er aber auch angeeckt, als er beim BR anfing. Der junge DJ trug nicht vor, sondern er plapperte, er telefonierte mit Hörern, er wagte es sogar, bei der Verkehrsansage Scherze zu machen. Immer wieder gab es Ärger mit den Chefs, doch man ließ ihn abends nach 20 Uhr in seiner Nische gewähren. Heute verweist der BR in seiner Historie stolz auf die Sendung „Pop nach Acht“, die der unbekümmerte Blonde zum Kult gemacht hat.

Beim Fernsehen funktionierte das System Gottschalk genauso: Das ZDF war einen anderen Ton gewohnt, bis Gottschalk kam, der Mann ohne Schlips, dafür mit bunten Hosen, der in „Na Sowas“ mit Genscher so sprach, als hätte er ihn gerade an der Theke kennen gelernt. 1987 übernahm er Frank Elstners Show, in roter Pluderjacke. Er bekam zwar Haue von der Bild-Zeitung, weil er ein Kind das Vater Unser aufsagen ließ – aber die Leute liebten Thommy, den Lausbuben, der eine erfrischende Respektlosigkeit an den Tag legte, der Sophia Loren in den Ausschnitt glotzte und Phil Collins übers Haupt streichelte.

Alles andere, was Gottschalk anfasste, scheiterte. Ins kleinere Format passte Gottschalk Superstar einfach nicht mehr rein. Seine bitterste Niederlage war wohl die RTL Late Night. 1992 war es die erste Late-Night-Show Deutschlands, die Quote war nicht so riesig wie die Erwartungen an das neue Format. Gottschalk, der einmal von sich gesagt hat, er sei zeit seines Lebens den Weg des geringsten Widerstandes gegangen, musste erleben, dass etwas mal nicht leicht ist. Er blamierte sich bei einem Interview mit Republikaner-Chef Franz Schönhuber, der den Sunnyboy in Grund und Boden redete. Nach drei Jahren herumdoktern am Konzept ging Gottschalk. Heute sagt RTL-Chef Thoma, man hätte mehr Geduld haben müssen. Und Thoma erzählt, dass Gottschalk damals zu ihm gesagt habe: „Mit der Late Night kann ich in Würde alt werden am Bildschirm.“

Doch Gottschalk ist kein Larry King geworden, er ist weiterhin der Clown. Er weiß, dass ihn manche hinter vorgehaltener Hand Peter Pan nennen.

Heute muss Gottschalk gegen Dschungel-TV und Bohlen-Proll kämpfen. Die Leichtigkeit geht dabei manchmal flöten. „Manchmal spüre ich einen Druck, den ich früher nicht kannte“, sagte er in einem Interview vor zwei Jahren. Dann frage er sich, warum er sich das noch antut. Bis 2012 wird er es dennoch tun. Und danach? Da ist sie wieder, die Frage nach dem Aufhören und dem Nachfolger. Da hält es Gottschalk lieber mit einem Witz: „Ich bin nicht unsterblich. Obwohl ich überraschenderweise weise so aussehe.“

Tina Angerer

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