Helene Fischer in München: Konzertkritik und Bilder aus der Olympiahalle
Christian Bruhn, der größte deutsche Komponist und Musikproduzent der Schlager-, Film- und Fernsehbranche sagt, als ich ihn anrufe und um ein Statement zu Helene Fischer bitte: "Das ist rasch beantwortet und steht außer Frage: Sie ist eine ausnehmend gute und hervorragende Sängerin, da beißt die Maus keinen Faden ab." Ich kenne ihn seit Jahren, habe eine Zeitlang mit ihm an gemeinsamen Projekten gearbeitet und schätze seine Meinung sehr. Und auch hier hat er wieder mal absolut Recht, wie ich mich in der ausverkauften Olympiahalle überzeugen kann.
Zu Beginn des Konzerts hört man eine Ouvertüre wie zu einem glamourösen Kinofilm. Dazu blicken einen die geheimnisvollen Augen einer umwerfend anziehenden Grazie an. Wenige Minuten später flattert sie höchstpersönlich und elfengleich auf die Bühne: kapriziös, elegant und makellos. Sie ist wirklich wunderschön, trägt die herrlichsten Gewänder aus garantiert feinstem Zwirn, dezent platziert blitzt erlesenes Geschmeide auf ihr hervor, ihr Lächeln ist strahlender denn je, ihre Lippen sinnlicher und roter als je zuvor, ihre Haut sieht sexy aus und schimmert wie feinster Alabaster, ihre Beine sind wohlgeformt, betörend lang und ihr Haar scheint aus reinstem Silber und – je nach Lichteinfall – auch aus Gold zu sein. Und dabei bleibt sie sehr sympathisch, lobt die Musiker, verspricht einen tollen gemeinsamen Abend, schafft ein warmes und sehr angenehmes, bleibendes Gefühl. Um sie herum machen ihr gutaussehende Akrobaten und Tänzer im heiratsfähigen Alter die Aufwartung, sie tanzt bestens gelaunt mit und gerät dabei erstaunlicherweise niemals außer Atem wie in ihrem größten Hit. Eigentlich besteht ja das ganze Programm nur aus Hits, zumindest singen gefühlt 95 % der elftausend Menschen von Anfang bis Ende mit. Den belauschten Gesprächen in der unverhofften Pause nach anderthalb Stunden zu urteilen, wohnten auch fast alle schon zahlreichen ihrer Konzerte bei und vergleichen mit Kennerblick diverse Show-Elemente aus früheren Auftritten mit dem heutigen.
Helene Fischer in München - rasantes Programm, perfekte Bühnenwelt
Was für eine Frau, was für ein Elan, was für ein Sex-Appeal! Alles wirkt auf einander abgestimmt. Lediglich ihre etwas arg bizarre Verkleidung als lebender Springbrunnen, aus dem frisches Quellwasser heraussprudelt, das ganz gewiss ewige Jugend und Schönheit verleiht, sowie die zigfache persönliche Ansprache "Ihr Lieben", sowie die permanente Wiederholung des Wortes "München!" (und einmal sogar das herausgerutschte zuagroaßte "Minga") ist etwas dick aufgetragen, aber sonst bleibt die Show schlicht, ohne seicht zu sein, hört und fühlt sich angenehm an. Guten Schlager kann nicht jeder. Sie kann es.
Bald kommt die ebenfalls schwer attraktive Band zum Vorschein, bald tauchen wie aus dem nichts acht Trommler am vorderen Bühnenrand auf, in deren Mitte Helene im gleißendsten und weißesten Licht aller Zeiten erstrahlt und schwerelos mittrommelt. Auch hier ist die Choreographie fehlerfrei und mit hübschen Ideen gespickt, etwa als die Damen und Herren Percussionisten untereinander die Trommeln teilen, was nur von meterhohen Nebelsäulen zwischen den Musikern kurz unterbrochen wird. Das Programm ist rasant, unterhaltsam und setzt bei sämtlichen Besuchern Glückshormone frei, die Bühnenwelt von Helene Fischer ist perfekt, sowohl in Bewegung, Akrobatik, Effekten, Gesang, Timing, Licht und Musik. Wenn Britney Spears die Prinzessin der vollendeten künstlichen Unterhaltung ist, wird vermutlich Madonna die Königin sein. Zweifellos ist Helene Fischer die Kaiserin, die durch die besondere Bühnenkonstruktion samt der technisch abgestimmten Videoleinwand den treuen und durch die Bank begeisterten Fans sehr nahe kommt und jeder Besucherin und jedem Besucher das Gefühl gibt, ein paar Stunden in einer vollendeten Seifenblase mit der Kaiserin persönlich verbringen zu dürfen, eine Reise durchs Plastik-Schlaraffenland, eine Achterbahnfahrt durch Disneyworld und ein Michael-Jackson-Video gleichzeitig.
Ein Konzert von Helene Fischer schweißt zusammen
Helene ist überall: ständig fliegt sie in der Luft herum, schwebt über unseren Köpfen, schwirrt von einem Bühnenrand zum anderen, schleicht katzenhaft durch eine Schilflandschaft. In einer Mischung aus Zirkusakrobatik, Magie, Erotik, Catwalk, Wunderkerzen, Jubel, Trubel und Exzentrik beweist sie, dass Schlager vor allem eines ist: Spaß, Unbeschwertheit und gemeinschaftliche Lebensfreude. Wie sie es schafft, sich dabei auch noch alle paar Minuten in Sekundenschnelle umzuziehen, ist eines ihrer Geheimnisse. Auch ihre Tiefenentspanntheit, wenn sie seelenruhig drauflos plaudert, was ihr gerade so in den Kopf schießt. Sie ist eine vom Volk, eine von uns. Eine, die alles erfüllt, was eine gute Gastgeberin in einem Palast aus Unbeschwertheit ausmacht.
Nach dreieinhalb Stunden folgt endlich "Atemlos". Alles jubelt. "Was das zwischen uns auch ist, Bilder die man nie vergisst. Und dein Blick hat mir gezeigt: das ist unsre Zeit!" Um mich herum leuchten alle Augen, jeder ist zufrieden, heiter, beschwingt und gelassen. Ein Konzert von Helene Fischer schweißt zusammen. Pfadfinderhaftes Zusammengehörigkeitsgefühl macht sich breit, die Besucher haben jene Sorglosigkeit in sich und werden sie hoffentlich noch lange aufrechterhalten können.
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