Der Titelhändler Consul Weyer: Die Eitelkeit stirbt nie
München - Treffpunkt: Hotel Vier Jahreszeiten in München. Der nach eigenem Empfinden weltwichtigste Titelhändler (wie viele gibt es davon schon?) hat im Halbdunkel der Lobby seine Sonnenbrille auf die gebräunte, inzwischen sehr hohe Stirn geschoben.
Wie alt er ist? Daraus macht Hans-Hermann Weyer, seit über 50 Jahren im Geschäft, schon lange ein Geheimnis. Bei anderen Themen – Geld, Eitelkeit, Niedergang des Jetset – ist er erstaunlich offen.
Die AZ hat Weyer, der seit einer Adoption den Titel Consul Graf von Yorck führt, und seine Frau Christina (56, sie hat ihren Doktortitel in Medizin erarbeitet, nicht erkauft) für eine Interview-Reihe am letzten Wiesn-Wochenende getroffen. Die beiden tragen Weiß-Blau, farblich aufeinander abgestimmt. Sie treten auch im Gespräch als Einheit auf. Ob es nun um Thomas Gottschalk oder Iris Berben geht, den Aufstieg der Neureichen oder den (eigenen) Tod. Legen wir los.

AZ: Grüß Gott, liebe Frau Weyer und Herr Consul. Es gibt Sie also noch. Täuscht es, oder ist es zuletzt ziemlich still um Sie geworden?
HANS-HERMANN WEYER: Wir sind nicht mehr so oft in Deutschland wie früher. Wissen Sie, wir haben so ein traumhaftes Leben – aber eben überwiegend in Brasilien. Deutschland ist schön, wir sind Weihnachten immer mit der Familie hier am Tegernsee. Das Oktoberfest ist auch ein Jour fixe für uns, seit der leider verstorbene Gerd Käfer uns jedes Jahr eingeladen hat. Er war einer meiner engsten Freunde. Ich habe ihm für 650.000 D-Mark ein Haus gekauft in Terracina.
CHRISTINA WEYER: Warum es still geworden ist? Mein Mann ist ja bekannt wie eine Persil-Marke, er hat PR für sich nicht mehr nötig. Die Leute, die was wollen, die kommen zu ihm, – die Eitelkeit stirbt ja nie aus. Das ist ein Selbstläufer geworden. Weil mein Mann Marktführer ist, können wir es uns gottlob leisten, ein schönes privates Leben zu führen – und haben auch keine Profilneurose. Mein Mann muss auch nicht wie damals Götz George bei "Wetten, dass" griesgrämig auf der Couch sitzen und Gummibärchen knirschen, bloß weil ihm die Produktionsfirma im Nacken sitzt und PR einfordert.
ER: Neulich haben wir übrigens Thomas Gottschalk getroffen, bei seiner Lesung.
SIE: ...und er sagte als erstes: "Meine Lieblingslegende, der Consul, ist auch da!"
ER: Dann haben wir sechs seiner Bücher bekommen und sind gleich wieder abgezogen. Wir müssen uns nicht alles anhören.
Das Geschäftsmodell Titelhandel: Eitelkeit und Korruption
Wie darf man sich Ihr Geschäftsjahr 2019 vorstellen?
ER: Ich arbeite mit 31 korrupten Präsidenten rund um die Welt zusammen. Da sind so wichtige Länder wie Haiti dabei. Aber mein Lieblingsland – neben Brasilien – ist eigentlich Liberia. Da habe ich schon sechs Präsidenten überlebt. Da fahren wir einmal im Jahr hin und versorgen unsere Kundschaft, die ihre Schiffe aus steuerlichen Gründen mit neuer Flagge versehen wollen. Daneben haben wir sechs weitere feste Termine im Jahr, unter anderem in Zürich, München und London. Da werden dann Termine vorher ausgemacht, und da sitzen dann meine Kunden in unserem Hotel wie bei einem guten Zahnarzt im Wartezimmer, bis Sie an der Reihe sind.
Die wollen, dass Sie Ihnen einen Titel als Honorarkonsul verschaffen?
ER: Genau. Viele von denen sagen zwar: "Wir brauchen das ja eigentlich gar nicht" – aber das sind die Allereitelsten, von denen ich seit vielen Jahren so gut lebe.

Das Geschäftsmodell funktioniert immer noch?
ER: Ungebrochen.
Sie: Eitelkeit ist inflationsresistent und stirbt nie aus.
Er: Ich müsste der britischen Regierung eine Provision geben, weil ich 70 neue Pässe jetzt schon geliefert habe an Leute, die Angst haben wegen des Brexit.
Sie: Boris Johnson ist der Zuarbeiter meines Mannes: sein konsularischer Wasserträger – ohne, dass er es weiß. Der soll in London Bambule machen! Das fällt alles bei uns in Rio ab. Herrlich! Bad news for England are good news for the consuls.
Consul Weyer: Der Weg zum Titelhändler
Gewiss verraten Sie auch Ihre Geschäftszahlen.
ER: Gern. Auch wenn mich meine Frau bestimmt gleich einbremst. Wir sind glücklich und steuerfrei, deswegen können wir darüber reden. Wir haben 450 Millionen auf der Kante. Dabei war ich im Internat der ärmste Schüler, meine Mutter hat sich das Geld vom Munde abgespart, und ich habe ihr, als ich die ersten Millionen verdient habe, in Bayern ein Bauernhaus gekauft. Da hat sie jahrelang glücklich gelebt, nachdem ihr zweiter Mann sie verlassen hatte.
Die gute Mama.
ER: Mein Vater war nach dem Krieg zehn Jahre in russischer Gefangenschaft. Meine Mutter wusste sich zu helfen und ist mit dem britischen Stadtkommandanten von Berlin durchgebrannt. Vom Haushaltsgeld hat sie meinem Bruder und mir das teure Internat bezahlt. So mies ging meine Karriere los. Herr Grundig und die anderen doofen Söhne aus bestem Hause haben bei mir abgeschrieben. Das war mein erstes Zubrot.

Der Grundig vom Radio?
ER: Genau. Der sagte, sein Vater sei so geizig, dass man ihm eins überbraten müsse. Und so titelgeil sei der. Da habe ich meinem Stiefvater gesagt: "Kannst du dem nicht ein Honorarkonsulat besorgen?" Da hat er mir, ich war siebzehneinhalb, eine geklebt und gesagt: "Titel kann man nicht kaufen." Das war wie ein Stichwort für mein weiteres Leben.
Was also folgte?
ER: Meine Mutter, die immer zu mir gestanden hat, gab mir Reisegeld. Damit klapperte ich alle Präsidenten in Südamerika ab, damals noch mit dem Wörterbuch, weil ich noch nicht so gut Spanisch und Portugiesisch konnte. Von dieser Reise habe ich die ersten Titel mitgebracht. Da war für Herrn Grundig auch einer dabei. Früher kosteten Konsulate 20.000 Dollar, da stand der Dollar noch sehr gut, heute ab 200.000 Dollar – und ich mache mit den Präsidenten immer noch halbe-halbe. Deswegen habe ich für sechs Leben ausgesorgt.
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