Zukunft von Europa? Interview mit EU-Kommissar Pierre Moscovici
Der Franzose Pierre Moscovici (60) ist seit 2014 EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung. Im AZ-Interview hat er klare Forderungen.
AZ: Herr Moscovici, der Handelsstreit zwischen den USA und China eskaliert. EU und Vereinigte Staaten drohen sich gegenseitig höhere Zölle an. Kann die europäische Wirtschaft diese Krise überhaupt unbeschadet überstehen?
Pierre Moscovici: Wir sollten einen kühlen Kopf bewahren. Die Auswirkung der bisher durchgeführten protektionistischen Maßnahmen ist bislang begrenzt. Aber es stimmt: Eine Eskalation – egal auf welcher Seite – hätte gravierende Folgen für die Wirtschaft, auch für die Finanzmärkte. Darunter würden alle Seiten leiden.
Wie sieht eine Lösung aus?
Wir müssen das Welthandelssystem modernisieren. Das heißt nicht: zerstören. Darum wird es am Wochenende gehen, wenn die Finanzminister der G20 zusammenkommen. Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Vereinigten Staaten sich diesem Prozess verweigern, die Importzölle gegen China und die EU immer mehr ausweiten und erhöhen, weil Peking und Brüssel sich ebenfalls mit weiteren Importabgaben revanchieren. Das kann doch niemand wollen und das darf auch eigentlich niemand zulassen.
Am Dienstag hat die EU ein neues Freihandelsabkommen, dieses Mal mit Japan, geschlossen. Ist das ihr Weg, die USA jetzt für ihre Abschottung zu bestrafen?
Das ist kein Anti-USA-Vertrag. Die Verhandlungen haben vier Jahre gedauert, begannen also lange vor der Ära dieses US-Präsidenten. Trump ist nicht der Nabel der Welt und wir richten unser Handeln nicht alleine nach den USA aus, sondern tun, was für die EU wichtig und richtig ist. Herr Trump irrt, wenn er glaubt, Protektionismus sei der richtige Weg.
2019 wird ein neues EU-Parlament gewählt. Die Angst vor einem weiteren Erstarken der Populisten von links und rechts ist groß. Was hat die EU falsch gemacht?
Die Menschen vermissen Lösungen für die anstehenden Fragen. Es gibt Regionen, in denen sich die Bürger vergessen fühlen. Hinzu kommt, dass wir die gesellschaftlichen Herausforderungen der Migrationskrise unterschätzt haben. Es wird höchste Zeit, dass wir den Menschen zuhören und verstehen, welche Probleme sie belasten, um diese auch zu lösen. Es gibt eine existenzielle Krise in Europa, und ich fürchte, dass wir ein Europäisches Parlament bekommen, das kaum arbeitsfähig ist. Deshalb müssen die Pro-Europäer den Menschen Lösungen anbieten. Es ist Zeit, Europa zu retten