Zu nett für die Staatskanzlei
MÜNCHEN - Er wollte Ministerpräsident sein - und ein ganz normaler Bürger bleiben. Daran ist Günther Beckstein jetzt gescheitert. Er hatte zu wenig Biss und war zu ehrlich – das wurde ihm zum Verhängnis. Ein Portrait
Er wollte alles anders machen als sein Vorgänger Edmund Stoiber – vielleicht ist Günther Beckstein gerade deshalb gescheitert. Ein ehrlicher „Dienstleister“ wolle er für seine Bürger sein, so hatte er es vor nicht einmal einem Jahr bei seinem Amtsantritt versprochen. Und: „Ich weiß, dass ich ein Mensch bin, der auch Fehler macht.“ Beckstein, der Nette. Beckstein, der Mannschaftsspieler.
„Dass es ein derartiges Maß an Zustimmung gibt in Bevölkerung, Fraktion und Partei, gibt mir Rückenwind“, sagte Beckstein vor einem Jahr im AZ-Interview. Jetzt begründet er seinen Rücktritt damit, dass sowohl das Volk als auch seine Partei kein Vertrauen mehr zu ihm haben. Wie konnte es so weit kommen?
Der Job war sein Lebenstraum
Günther Beckstein hatte sich so Freude auf sein Amt. Denn schon einmal hatte er sich in der Staatskanzlei gewähnt: 2005, als es Stoiber nach Berlin zog. Doch der überlegte es sich anders – und Beckstein trat klaglos ins zweite Glied. Dass es im zweiten Anlauf dann doch klappte, war für ihn die Erfüllung seines Lebenstraums. Schnell wandelte sich der strenge Innenminister vom „schwarzen Sheriff“ zum gütigen Landesvater. Zu Beginn seiner Amtszeit war Beckstein beliebt: Das Volk mochte seine skurrilen Faschings-Verkleidungen als Löwe, Ritter oder Madame Pompadour. Beckstein, das ist einer, der auch über sich selbst lachen kann – im Gegensatz zu Stoiber.
Es ist aber der Unterschied zu Stoiber, der Becksteins Untergang beschleunigte: Er ist zu nett. Vor allem von Stoiber hatte er sich jahrzehntelang ausbremsen lassen.
Stoiber war es, der dem Nürnberger Hoffnungen auf das Ministerpräsidenten-Amt machte – und ihn dann wieder enttäuschte. Nachdem Beckstein mit Stoiber in Kreuth brach, ließ er ihn noch über ein halbes Jahr im Amt bleiben. Stoiber rächte sich an den Königsmördern damit, dass er ihnen seine unpopulären Projekte hinterließ: Sparprogramm, G8, Kürzung der Pendlerpauschale, Transrapid. Beckstein schob nicht etwa Stoiber die Schuld dafür zu – dafür ist er zu nett. Dass er nebenher das umstrittene Büchergeld abschaffte und den Transrapid beerdigte, scheint heute schon fast vergessen.
Das Tandem mit Erwin Huber klappte einfach nicht
Doch auch mit seinem Tandem-Partner Erwin Huber klappte es anfangs nicht: Während Beckstein die Verluste bei den Kommunalwahlen im März beklagte, jubelte Huber über einen „Wahlsieg“. Während Beckstein offenherzig über Verluste der BayernLB sprach, wollte Huber lieber darüber schweigen.
Dann blamierten sich Beckstein und die Seinen beim Rauchverbot. Der Ministerpräsident konnte Fraktionschef Georg Schmid nicht davon abhalten, das strengste Rauchverbot der Republik zu schaffen. Viele Christsoziale sehnten sich da schon längst nach einer straffen Führung à la Stoiber zurück.
Erst im Wahlkampf, als Huber und Beckstein die drohende Niederlage schon spürten, fand das Duo zueinander – zu spät. Da galten die beiden schon als Witzfiguren, vor allem in Berlin. Dort spottete man über „die Kaczynskis“, die sich mit ihrem „Kreuzzug“ gegen die Linke blamieren und nichts reißen.
Tausende Kilometer legte Beckstein im Wahlkampf zurück. „Ich zerreiße mich für dieses Land!“ rief er den Bürgern zu. Doch die hörten ihm nicht zu. Viel lieber wollten sie darüber granteln, dass Becksteins Frau Marga kein Dirndl zum Oktoberfest tragen wollte. Und dass der Ministerpräsident es okay fand, nach zwei Maß Bier noch Auto zu fahren.
Wie es jetzt mit ihm weitergeht? 1987, als er bei den Nürnberger OB-Wahlen verlor, stand er kurz davor, aus der Politik auszusteigen. „Jeder muss seinen Beitrag leisten – auch ich“, sagte er gestern. Aber welche Rolle kann ein gestürzter Ministerpräsident noch spielen? Vor allem, wenn er schon 64 Jahre alt ist.
Volker ter Haseborg