Wer füllt die Lafo-Lücke?
Doppelspitze oder Gysi: Nach dem Rückzug der Galionsfigur Oskar Lafontaine ringt die Linkspartei um ihre neue Führungsriege
BERLIN Nach dem Rückzug Oskar Lafontaines von der Parteispitze der Linken ist die Debatte um die Nachfolge voll entbrannt. Die Gremien wollten noch am Montag eine Vorentscheidung darüber treffen, ob die Partei weiter von einer Doppelspitze geführt wird – oder ob Fraktionschef Gregor Gysi vorübergehend auch der Partei vorstehen soll.
Zahlreiche führende Politiker der Linkspartei plädieren offen für eine doppelte Quotenregelung mit einem Mann und einer Frau, von denen eine Person aus Ost- und die andere aus Westdeutschland kommen soll. Für eine Beibehaltung der Doppelspitze ist jedoch eine Satzungsänderung mit Zwei-Drittel-Mehrheit auf dem nächsten Parteitag nötig – bisher ist das Modell bis Mitte 2010 begrenzt.
Als Favoriten für ein Linken-Tandem an der Spitze gelten der Parteivize, WASG-Mitgründer und langjährige Schweinfurter IG-Metall-Funktionär Klaus Ernst (55) sowie die aus Ost-Berlin stammende stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gesine Lötzsch (48). Das Ex-SPD-Mitglied Ernst will aus Angst vor drohenden Flügelkämpfen in der tief zerstrittenen Partei an der Doppelspitze festhalten: „Es wäre fatal, wenn es auf dem Parteitag im Mai zu Kampfabstimmungen um Personen käme.“ Die promovierte Germanistin Lötzsch, die 1984 in die SED eintrat und nach der Wende zur PDS wechselte, wirbt ebenfalls für eine Doppelspitze. Die Frage ihrer eigenen Kandidatur stelle sich allerdings „noch nicht“, warf sie ihren Hut geschickt in den Ring.
Als eher gering gelten dagegen die Chancen der erst 32-jährigen Katja Kipping, die als eine der größten Nachwuchshoffnungen der Linken gilt. Die rothaarige Bundestagsabgeordnete hält engen Kontakt zu Basisgruppen wie Attac und hat ein gutes Verhältnis zu den Jusos. Die beiden ostdeutschen Bundesabgeordneten Petra Pau und Dagmar Enkelmann, die ebenfalls als Vorsitzende ins Gespräch gebracht worden waren, winkten bereits ab. Pau sagte, sie sei mit ihrem Amt als Bundestagsvizepräsidentin voll ausgelastet. Enkelmann machte sich ebenso wie Linken-Vordenker André Brie für Thüringens Fraktionschef Bodo Ramelow (53) als Vorsitzenden stark. Der Realo erklärte umgehend, er habe keine Ambitionen auf ein Spitzenamt in Berlin. Vor allem westdeutsche Linken nehmen dem Niedersachsen übel, dass er nach Lafontaines Krebserkrankung eine Nachfolgedebatte mit angestoßen hatte.
Zugleich kommen aus den ostdeutschen Landesverbänden immer mehr Stimmen, die sich angesichts des Machtvakuums an der Spitze – neben Lafontaine stellt sich auch Co-Chef Lothar Bisky (68) nicht mehr zur Wahl – für eine vorübergehende Alleinherrschaft des 62-jährigen Gysi aussprechen. Es gebe in der Linken „nur eine Persönlichkeit, die in Ost und West auf große Akzeptanz stößt“, so Sachsens Landeschef Rico Gebhardt. Die heiße Gysi. Allerdings würde eine Wahl des Ex-PDS-Vorsitzenden „nur das Aufschieben eines Problems bedeuten“, räumte er ein.
Die SPD zeigt der Linken derweil demonstrativ die kalte Schulter: Parteivize Hannelore Kraft bewertete die Aussichten auf rot-rote Koalitionen äußerst skeptisch. In NRW seien die Linken eine Partei, „die nicht regieren will und die aus meiner Sicht auch nicht regierungs- und koalitionsfähig ist in diesem Zustand“, sagte die 48-jährige Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im Mai.jox