Wahl-Drama mit Ansage: Zitterpartie für Ypsilanti
MÜNCHEN - Andrea Ypsilanti will sich an diesem Dienstag zur Regierungschefin von Hessen wählen lassen. Doch die Möchtegern-Ministerpräsidentin hat ein Problem: Die eigenen Genossen drohen mit Entzug der Stimme. Das wackelige Bündnis aus SPD, Grünen und Linken droht zu scheitern
Eine Frau mit Beton-Frisur und ein 40-Jähriger in Rache-Laune könnten Andrea Ypsilanti zur Lachnummer der Nation machen. Die eine hat bereits angekündigt, dass sie Ypsilanti nicht wählen will. Der andere lässt seine Wahl noch offen. An Dagmar Metzger und Jürgen Walter hängt Ypsilantis Karriere.
Morgen will Hessens SPD-Chefin nach der Macht greifen: Der hessische Landtag soll sie zur Ministerpräsidentin wählen. Danach soll eine rot-grüne Koalition die Regierung von Roland Koch ablösen – geduldet von der Linken. Der Macht-Poker sorgt seit den hessischen Landtagswahlen für Zoff: Zunächst, weil Ypsilanti im Wahlkampf angekündigt hatte, nicht mit den Linken kooperieren zu wollen. Aber auch, weil Ex-SPD-Chef Beck in der Links-Frage herumlavierte. Beck ist weg, sein Nachfolger Müntefering ist über die Duldungsregierung wenig begeistert – Ypsilanti versucht’s morgen trotzdem. 70 Prozent der Hessen sind übrigens dagegen, auch 50 Prozent der SPD-Anhänger.
Die Angst vor Heckenschützen ist groß
Stimmen SPD, Grüne und Linke geschlossen für sie, dann käme sie auf 57 Mandate. 56 werden für die absolute Mehrheit benötigt. Und auf 56 Stimmen kommt Ypsilanti, wenn man Metzgers Stimme abzieht. Eine sauknappe Angelegenheit. Die Angst vor Heckenschützen ist groß, die Erinnerungen an den Fall Simonis allgegenwärtig. Alle Linken und Grünen haben Ypsilanti die Gefolgschaft garantiert – nur bei den eigenen Genossen bleibt die große Ungewissheit.
Am Wochenende kam es auf dem SPD-Parteitag, der Ypsilantis Koalition absegnen sollte, zum Eklat: SPD-Vize Jürgen Walter weigerte sich, den Koalitionsvertrag zu unterschreiben, weil der Arbeitsplätze gefährde. Der Parteitag stimmte für die Koalition, Auch die Grünen votierten auf ihrem Parteitag dafür. Jürgen Walter verließ bei der SPD-Abstimmung den Saal, ging eine rauchen. Was zählt, sind aber die Stimmen der Fraktion – dort könnte sich Walter rächen. Er ließ offen, ob er Ypsilanti wählt. Angeblich ist Walter sauer auf Ypsilanti, weil er nicht Wirtschaftsminister werden darf. „Herr Walter hat im Vier-Augen-Gespräch mir mitgeteilt, dass er mich wählt“, sagte Ypsilanti später.
Das Abstimmungsverhalten wird per Handy-Foto dokumentiert
Dagmar Metzger stimmt sicher nicht für die eigene Kandidatin. Sie kann ihrer Landeschefin den Wortbruch in Sachen Linkspartei nicht verzeihen. Dem Ziel, Koch abzulösen, könne man „nicht alles unterordnen“, sagte sie.
Eines ist sicher: Mehrere Anläufe wird es bei der Wahl nicht geben. Bundes-Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast sagte, ihre Partei stünde nur für einen Anlauf zur Verfügung. „Ich freu mich jetzt auf Dienstag“, redete sich Ypsilanti Mut zu. Heute will sie sich noch einmal jeden aus der Fraktion einzeln vornehmen. Um im Fall des Falles ihre Unschuld beweisen zu können, wollen einigen Genossen ihr Abstimmungs-Verhalten per Foto-Handy dokumentieren. Doch morgen wird geheim abgestimmt – die perfekte Tarnung für politische Heckenschützen.
Volker ter Haseborg
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