Vor Militärschlag in Syrien neue diplomatische Bemühungen
Damaskus/London - In zahlreichen Telefonaten wurde am Donnerstag nach einem Ausweg gesucht, um zu einer gemeinsamen Linie im UN-Sicherheitsrat zu kommen. US-Präsident Barack Obama versicherte, die Entscheidung über einen Einsatz sei noch nicht gefallen. In Großbritannien, das an der Militäraktion teilnehmen will, wurde Premierminister David Cameron vom Parlament ausgebremst.
Die Vereinten Nationen suchen noch bis einschließlich Freitag mit einem Expertenteam nach Beweisen für einen Giftgasangriff. Solange sich das UN-Team in Syrien aufhält, wird ein Militärschlag für unwahrscheinlich gehalten. Die militärischen Vorbereitungen sind nach Einschätzung von Experten nahezu abgeschlossen. Spekuliert wurde über einen Beginn an diesem Wochenende.
In die Bemühungen für eine diplomatische Lösung schaltete sich auch Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein. Am Donnerstag telefonierte sie dazu mit Russlands Präsident Wladimir Putin und Frankreichs Staatschef François Hollande. Anschließend hieß es, Merkel und Putin seien sich einig darin, dass es für Syrien nur eine politische Lösung geben könne. Deutschland besteht jedoch auch auf "Konsequenzen", sollten die Vorwürfe bewiesen werden, dass das Assad-Regime für den Giftgaseinsatz mit Hunderten Toten verantwortlich ist.
In den zweieinhalb Jahren Bürgerkrieg blockieren die Vetomächte Russland und China jede Resolution für ein härteres Vorgehen gegen Assad. Die Hoffnung ruht darauf, dass beide ihre Meinung ändern, wenn es Beweise gibt. Assad bestritt alle Vorwürfe. Im Staatsfernsehen kündigte er an: "Syrien wird sich gegen jeden Angriff verteidigen."
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, das UN-Team werde Syrien bis Samstagmorgen verlassen. Die Beweisaufnahme sei nahezu abgeschlossen. Das Team werde ihm gleich nach der Ausreise Bericht erstatten.
Die USA, Frankreich und Großbritannien treiben seit Tagen die Vorbereitungen für einen begrenzten Angriff auf Stellungen in Syrien voran. Deshalb wurde spekuliert, dass der Beginn der Militäraktion auch ohne UN-Mandat praktisch bevorsteht. Obama sagte am Mittwoch (Ortszeit) in einem TV-Interview jedoch, ob und wie die USA eingreifen würden, sei noch nicht entschieden. Nach Informationen der "New York Times" haben die USA bisher keine Beweise, die Assad direkt mit der Attacke in Verbindung bringen.
In London musste Premierminister Cameron auf Druck der Labour-Opposition Pläne zurücknehmen, im Parlament eine Absicherung für eine mögliche konkrete Beteiligung an einem Militärschlag zu erreichen. Stattdessen gab es nur eine Grundsatzdebatte. Cameron versicherte dabei: "Es geht nicht um einen Regimewechsel. Es geht um den groß angelegten Einsatz von chemischen Waffen und um unsere Antwort auf ein Kriegsverbrechen - um sonst nichts."
Hollande verlangte nach einem Treffen mit dem Chef der oppositionellen Nationalen Syrischen Koalition, Ahmed Assi al-Dscharba, abermals eine "angemessene Reaktion" der internationalen Gemeinschaft. Al-Dscharba wird nächste Woche auch in Berlin erwartet. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück forderte Merkel auf, zu einer Vermittlungsmission nach Moskau zu reisen. Die Kanzlerin beließ es jedoch bei ihrem Telefonat mit Putin. Laut ZDF-"Politbarometer" lehnen 58 Prozent der Deutschen einen Militärschlag ab.
Russland forderte die UN-Inspekteure zu einer Ausweitung ihrer Giftgaskontrollen auf. Chinas Außenminister Wang Yi warnte den Westen, eine "externe militärische Einmischung" würde nur die gesamte Region in noch mehr Instabilität stürzen. In Syrien selbst ging das Blutvergießen währenddessen weiter. Seit März 2011 wurden bereits mehr als 100 000 Menschen getötet.