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Matthias Maus, Chefreporter der AZ, über einen überraschenden Politikwechsel
von  Matthias Maus

Matthias Maus, Chefreporter der AZ, über einen überraschenden Politikwechsel

Ein Zeitreisender könnte sich krass irren: „Koalition will Mindestlohn“, würde er in der Zeitung lesen. Und: „Finanzminister will Transaktionssteuer“. Oder: „Regierung beschließt Atomausstieg“. Und der auswärtige Besucher würde klar schließen: In Deutschland regiert Rot-Grün, das bürgerliche Lager in der Opposition – an den Rand gedrängt. So ändern sich die Zeiten.

 Noch vor Tagen war undenkbar, dass die CSU mal für den Mindestlohn sein würde. Jetzt trägt Horst Seehofer den neuen Kurs der Union, der in Wahrheit eine uralte Forderung der SPD und der Gewerkschaften ist, mit. Man kann das Opportunismus schelten, das Heer der Verunsicherten reicht weit über das Lager der Konservativen hinaus. Aber man kann auch an den Sieg der Einsicht glauben, und an eine epochale Wende: Der Konservativismus alter Prägung ist erledigt, und mit ihm der Neoliberalismus als technokratische Heilslehre.

Das wenigstens ist ein Verdienst der aktuellen Krise. Der Glaube, dass die Märkte oder der Nationalstaat alles regeln könne, ist verpufft – auch für die Regierungschefs konservativer Parteien. Die Menschen mögen den Politikern keine Lösung der Probleme zutrauen, aber sie ahnen doch: Ohne staatliche Regulierungen, ohne Eingriffe sind die Märkte nicht zu bändigen. Knapper kann man den Triumph der Sozialliberalen nicht fassen. Es ist eine bittere Ironie, dass sie diesen in fast ganz Europa von der Oppositionsbank aus bezeugen müssen.

 

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