Von Atomkraft bis Zusatzbeiträgen: Der Koalitionsvertrag steht
BERLIN - Der Koalitionsvertrag, er steht. Nach 19 Tagen haben Union und FDP nun einen 124 Seiten-Vertrag ausgehandelt über Steuererlassungen bis Kindergeld. Die zentralen Beschlüsse im Überblick ...
Der Koalitionsvertrag steht. In einem letzten Sitzungsmarathon haben Union und FDP in der Nacht zum Samstag nicht nur Steuerentlastungen in Höhe von 24 Milliarden Euro beschlossen, sondern auch die Erhöhung des Kindergeldes, die Verkürzung der Wehrpflicht, die Einführung eines Betreuungsgeldes und viele andere Punkte. 19 Tage haben die künftigen Regierungspartner gebraucht, um den 124 Seiten starken Vertrag auszuhandeln.
STEUERN: Die Steuern sollen ab 2011 jedes Jahr um insgesamt 24 Milliarden Euro gesenkt werden. Finanzielle Entlastungen für Familien wie die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag sind schon zum 1. Januar 2010 geplant, ebenso Erleichterungen für Erben und Unternehmen. So soll bei der Unternehmensteuer die Einschränkungen bei der Gewinn- und Verlustverrechnung wieder gelockert werden. Die Erbschaftsteuer für Geschwister sowie Nichten und Neffen wird gesenkt, indem ein neuer Steuertarif von 15 bis 43 Prozent eingeführt wird.
GESUNDHEIT: Kassenpatienten müssen sich dagegen auf erheblich höhere Belastungen einstellen. Die schwarz-gelbe Koalition plant eine radikale Gesundheitsreform. Die Beiträge sollen ab 2011 zum Teil auf einkommensunabhängige Prämien umgestellt und ein Sozialausgleich über das Steuersystem eingeführt werden. Der Arbeitgeberanteil wird eingefroren. Die Details soll eine Kommission festlegen. 2010 soll sich noch nichts ändern. Einen Teil des erwarteten Milliardendefizits will die Koalition aus der Staatskasse stopfen.
PFLEGE: Zur Absicherung des Pflegerisikos soll neben der Pflegeversicherung eine zweite kapitalgedeckte Säule aufgebaut werden, die im Unterschied zur Riester-Rente verpflichtend ist.
KINDERGELD: Das Kindergeld soll zum 1. Januar 2010 in einem ersten Schritt von 164 auf 184 Euro steigen. Parallel dazu wird der steuerliche Grundfreibetrag für Kinder von 6.024 auf 7.008 Euro angehoben. Wann und in welcher Höhe der zweite Schritt erfolgt, haben Union und FDP offengelassen. Von 200 Euro Kindergeld ist nicht mehr die Rede.
FAMILIE: Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Kindertagesstätte schicken, sondern Zuhause betreuen, sollen ab dem 1. Januar 2013 ein Betreuungsgeld von 150 Euro pro Monat erhalten. Damit hat sich die CSU durchgesetzt. Das Geld soll in der Regel bar ausgezahlt werden, an arme Familien eventuell auch in Form von Gutscheinen, damit das Geld auch bei den Kindern ankommt. Beim Elterngeld sollen die Partnermonate gestärkt und ein Teilelterngeld bis zu 28 Monaten eingeführt werden. Ein Zeitpunkt dafür wird nicht genannt.
MINDESTLÖHNE: Sittenwidrige Löhne sollen gesetzlich verboten werden. Gemeint sind Löhne, die um ein Drittel unter dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt der Branche liegen. Bei den bestehenden gesetzlichen Mindestlöhnen will die Koalition bis Oktober 2011 prüfen, ob sie Arbeitsplätze, Neueinstellungen oder die Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Danach soll entschieden werden, ob sie bleiben oder aufgehoben werden.
MEHRWERTSTEUER: Die CSU hat sich mit ihrer Forderung durchgesetzt, die Mehrwertsteuer für Gastwirte und Hoteliers auf sieben Prozent zu reduzieren. Die Ermäßigung soll schon zum 1. Januar 2010 in Kraft treten.
BUNDESWEHR: Die Wehrpflicht wird ab 1. Januar 2011 von neun auf sechs Monate verkürzt. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg soll eine Kommission einsetzen, die bis Ende 2011 Eckpunkte für eine neue Organisationsstruktur vorlegt. Parallel zur Wehrpflicht muss auch der Zivildienst auf sechs Monate verkürzt werden.
HARTZ IV: Das Schonvermögen von Langzeitarbeitslosen wird von 250 auf 750 Euro pro Lebensjahr verdreifacht. Damit können sie künftig mehr von dem für das Alter gesparten Geld behalten. Zudem sollen Hartz-IV-Empfänger mehr hinzuverdienen dürfen, ohne dass das Arbeitslosengeld gekürzt wird. Selbst genutzte Immobilien werden nicht mehr angerechnet.
ATOM/ENERGIE: Die Laufzeiten sicherer Atomkraftwerke soll über 2022 hinaus verlängert werden. Auf konkrete Zeitangaben hat sich Schwarz-Gelb nicht festgelegt, Kernkraft wird als „Brückentechnologie“ bezeichnet. Der Salzstock im niedersächsischen Gorleben soll weiter als Endlager-Standort geprüft werden, das Moratorium zur Erkundung soll „unverzüglich“ aufgehoben werden. Die Endlager Asse II und Morsleben werden geschlossen.
INNEN/JUSTIZ: Das Recht zu Online-Durchsuchungen für das Bundeskriminalamt (BKA) wird nicht auf andere Behörden wie den Verfassungsschutz oder den Bundesnachrichtendienst ausgedehnt. Zudem soll das Fahndungsinstrument künftig nur noch von einem Richter des Bundesgerichtshofs auf Antrag der Bundesanwaltschaft angeordnet werden dürfen, und nicht mehr von normalen Amtsrichtern. Die Bundeswehr darf außer zur Katastrophenhilfe nicht im Innern eingesetzt werden.
AP