Verdacht im Fall Kurnaz nicht erhärtet

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Es ging vor allem um die Lastwagen im Lager: Darüber machten die Zeugen sich widersprechende Angaben. Satellitenbilder waren nicht zu bekommen, amerikanische Soldaten dürfen nicht befragt werden - jetzt wird der Fall eingestellt.
Nach knapp eineinhalb Jahren Ermittlungen im Fall Murat Kurnaz sieht die Staatsanwaltschaft Tübingen keinen ausreichenden Verdacht gegen zwei deutsche Soldaten und hat das Verfahren erneut eingestellt. Der ehemalige Guantánamo-Häftling Kurnaz hatte den Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) vorgeworfen, ihn Anfang 2002 in einem US-Gefangenenlager im afghanischen Kandahar geschlagen und getreten zu haben.
Mit der Vernehmung von zwei Mithäftlingen des aus Bremen stammenden Türken hatte die Staatsanwaltschaft Ende Januar einen letzten Versuch unternommen, den Verdacht gegen die Beschuldigten zu erhärten - ohne Erfolg. Die Soldaten, die in dem Lager die US-Streitkräfte mit Wachdiensten unterstützten, hatten die Vorwürfe bestritten.
Keine Aufschlüsse über Lastwagen
«Aus Sicht der Staatsanwaltschaft Tübingen ist das Verfahren damit abgeschlossen. Murat Kurnaz steht es allerdings frei, sich erneut an die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart zu wenden und die Entscheidung dort noch einmal überprüfen zu lassen», teilte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch weiter mit. Bereits im Mai 2007 hatte die Behörde die Ermittlungen eingestellt, sie aber wieder aufgenommen, als Kurnaz' Anwalt Bernhard Docke die Mitgefangenen als neue Zeugen benannte. Eine bereits eingereichte Beschwerde von Docke gegen die Verfahrenseinstellung wurde damit hinfällig.
Die beiden Briten, die auch vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestags ausgesagt haben, machten sich gegenseitig widersprechende Angaben, wie der zuständige Oberstaatsanwalt Michael Pfohl mitteilte. Bei ihrer Vernehmung am 24. Januar 2008 ging es insbesondere um die Existenz eines Lastwagens in dem Lager, hinter dem Kurnaz nach seinen Angaben misshandelt wurde. Die meisten KSK-Soldaten hatten dagegen berichtet, dass es keine Lastwagen in dem Lager gegeben habe. «Wir haben uns durch die Klärung dieser Frage weitere Aufschlüsse über die Glaubwürdigkeit von Kurnaz und den Soldaten erhofft», sagte Pfohl.
Widerspruch lässt sich nicht auflösen
Einer von Kurnaz' Mithäftlingen hat nach Pfohls Worten ausgesagt, dass es in dem Lager keine Lastwagen gab. Der andere Brite konnte sich Pfohl zufolge zwar an einen Lastwagen erinnern - das könne aber auch zu einem späteren Zeitpunkt gewesen sein. Dieser Zeuge habe zudem von einer Misshandlung seines Mitgefangenen Kurnaz nichts bemerkt, obwohl er nach seinen Angaben nahezu ständig in dem gleichen Zelt gefangen gehalten wurde wie Kurnaz. Er habe sich auch bemüht, an Satellitenbilder zu gelangen, die Aufschluss über die Existenz eines Lastwagens in dem Lager geben könnten, sagte Pfohl. «Solche Bilder waren aber nicht zu bekommen.» Bitten der Staatsanwaltschaft, auch amerikanische Soldaten vernehmen zu können, haben die USA abgelehnt. Damit lässt sich der Widerspruch zwischen den Aussagen Kurnaz' und der Beschuldigten aus seiner Sicht nicht auflösen. «Bei dieser Aussagekonstellation lässt sich - auch unter Berücksichtigung aller weiteren Indizien - ein Tatnachweis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung führen», heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft.
Die Ermittlungen liefen seit November 2006. Der heute 25 Jahre alte Kurnaz war im August 2006 aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba freigekommen und hatte bald darauf von Misshandlungen durch deutsche Soldaten berichtet. Sein Fall wurde Gegenstand zweier Untersuchungsausschüsse des Bundestags. (dpa)
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