"Verantwortungsvolle Politik sieht anders aus": Welle der Kritik nach China-Reise von CSU-Chef Markus Söder
München – Fünf Tage lang war Ministerpräsident Markus Söder in China unterwegs – als "Türöffner" und "politischer Geleitschutz" für die bayerische Wirtschaft. Im Gepäck: Real- anstelle von Moralpolitik, wie er sagte.
Der CSU-Vorsitzende traf den Handelsminister der Volksrepublik und die politische Nummer zwei hinter Staatspräsident Xi Jinping, Chinas Premierminister Li Qiang. Er setzte sich für die Belange der bayerischen Wirtschaft ein und sei damit auf "offene Ohren" gestoßen, wie er zufrieden feststellte. Zudem entstand auf der Reise neues Futter für Söders Online-Auftritte: der Ministerpräsident beim Plüsch-Panda-Kuscheln; Hühnerfüße auf einem Teller, die er zwar posten, aber lieber nicht probieren wollte. Wieder zu Hause erntet er für all das Lob – aber auch viel Kritik.
Opposition kritisiert Söders China-Reise: Bayern brauche keine Kuschelfotos mit Pandas
"Dass Söder Handelsbeziehungen pflegt, ist gut. Dass er putzige Pandafotos postet, ist legitim", sagt etwa der Co-Vorsitzende der Bayern-FDP, Martin Hagen, der AZ. Von einer Neben-Außenpolitik, die den Kurs der Bundesregierung konterkariere, sollte Söder aber die Finger lassen, findet der Liberale. "Man darf nicht vergessen: China ist ein wichtiger Partner, aber auch ein scharfer Wettbewerber und ein politischer Gegner."
Scharfe Kritik kommt von den bayerischen Grünen. "Markus Söder fliegt vor seiner Verantwortung in Bayern davon. Er jettet als Selbstdarsteller durch die Welt, statt im Landtag seine Arbeit zu machen", sagt Florian Siekmann, Vizechef des Innenausschusses im Maximilianeum, der AZ. Bayern brauche keine Kuschelfotos mit Pandas, sondern ein knallhartes Standort-Update für die Wirtschaft, bemängelt er.
Grünen-Abgeordneter Florian Siekmann: "Wir brauchen alternative Handelspartner"
Gerade im Hightech-Bereich habe der Freistaat einige Ansiedlungen an andere Bundesländer verloren, weil es an genug sauberer Energie und schneller Verfügbarkeit von Fachkräften gefehlt habe. Siekmann weiter: "Statt noch mehr gefährlicher Abhängigkeit von China brauchen wir alternative Handelspartner und Rohstofflieferanten. Nur so bewahren wir Arbeitsplätze und Wertschöpfung langfristig bei uns in Bayern."
"Man wüsste gerne, welchen wahren Sinn Markus Söders Trip nach China und auch die anderen Reisen der letzten Wochen hatten", rätselt SPD-Landes- und Fraktionschef Florian von Brunn. Das solle der Ministerpräsident, der Mitte März auch Serbien und im Februar Schweden besucht hatte, nun im Landtag erklären.
Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn: Söder schadet der deutschen China-Strategie
"Mein Eindruck ist, sein Chinabesuch hat nur den Machthabern genutzt – und natürlich seiner eigenen Selbstdarstellung", so Brunn weiter. Durch Sightseeing und Anbiedern habe Söder der deutschen China-Strategie geschadet. "Verantwortungsvolle Politik sieht anders aus."
Der Vorwurf, Söder sei zu unkritisch mit China, war schon vor dessen Abflug laut geworden. Und tatsächlich gab es parallel zur Visite Kommentare in staatlichen Medien der Volksrepublik, die dem Nahrung gaben: Söders Besuch zeige, dass es in Deutschland noch einige einsichtige Politiker gebe, die sich um die wahren Interessen kümmerten und die die traditionellen freundschaftlichen Beziehungen wahrten, hieß es da. Söder wies dahingehende Vorwürfe unter anderem mit dem Satz zurück: "Ich bin einfach fest überzeugt davon: Wenn man nicht mehr redet, dann wird es gefährlich."
Nicht die erste China-Reise von Bayerns Regierung: CSU-Vorsitzender Franz Josef Strauß war oft dort
Der Historiker Frank Bösch sieht den Söder-Flug ins Reich der Mitte weniger isoliert, sondern im geschichtlichen Kontext. "Söders bildreiche China-Reise, die auf bayerische Wirtschaftsförderung und versöhnliche Gespräche mit der kommunistischen Parteiführung setzte, steht in einer langen CSU-Tradition", sagt er und verweist darauf, dass der langjährige CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß seinerzeit fünf Mal in die Volksrepublik gereist sei: "Strauß hatte bereits 1964 als Erster im Bundestag gefordert, sich an China anzunähern. 1975 traf er bei seiner China-Reise als Erster Mao."
Ein Umstand, übrigens, den Söder sehr gerne erwähnt. Strauß habe damals den Grundstein für die guten Beziehungen und engen Verbindungen zwischen München und Peking gelegt. Dass diese besser seien als zur Bundesregierung, liege daran, dass die Chinesen eben in langen Zeiträumen dächten, argumentiert er.
Eifert Söder seinem Vorbild nach? Instagram-Stories erinnern an frühere Zeiten
"Diese Reise in das damals abgeschottete Land wurde bereits von Foto-Journalisten begleitet, die Strauß an berühmten Orten wie dem Platz des Himmlischen Friedens, der Chinesischen Mauer oder in Pekings Einkaufsstraßen zeigten", kommt Historiker Bösch auf 1975 zurück.
"Der befreundete Chefredakteur des ,Bayernkuriers', Wolfgang Horlacher, veröffentlichte gleich danach sogar das bildreiche Buch 'Mit Strauß in China', das Söders Instagram-Stories um nichts nachstand." Ob Söder seinem Idol und Vorgänger auch in dieser Hinsicht nacheifern wird? Fotos von seiner Reise gäbe es auf jeden Fall genug für einen Bildband.