Umfrage: Zwei Drittel gegen Afghanistan-Einsatz
Zehn Jahre nach Beginn des Afghanistan-Einsatzes glauben 70 Prozent der Deutschen nicht mehr an einen Erfolg der Mission. Ebenfalls mehr als zwei Drittel (68 Prozent) meinen, die Bundeswehr hätte aus heutiger Sicht nie in Afghanistan einrücken dürfen.
Berlin - Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa halten nur 23 Prozent die Entsendung deutscher Soldaten immer noch für richtig.
Trotzdem ist eine knappe Mehrheit von 50,4 Prozent dafür, dass die deutschen Soldaten Afghanistan erst verlassen, wenn sie ihre Mission "angemessen abgeschlossen" haben. 44,2 Prozent plädieren für einen sofortigen Abzug ohne Wenn und Aber.
Die Nato-Verteidigungsminister kommen heute in Brüssel zusammen, um über die Einsätze in Afghanistan und Libyen zu beraten. Dabei soll es auch um eine gerechte Lastenteilung innerhalb des Bündnisses gehen.
Erstmals will der neue US-Verteidigungsminister Leon Panetta an einer Nato-Konferenz teilnehmen. Das Treffen findet unmittelbar vor dem zehnten Jahrestag des Beginns des Afghanistan-Einsatzes statt, der mit etwa 2500 gefallenen Soldaten die verlustreichste Mission in der Geschichte der Nato ist.
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) erhofft sich von den Beratungen mehr Klarheit über die Abzugspläne der USA. Präsident Barack Obama hat angekündigt, die mehr als 100 000 Soldaten starke US-Truppe bis September nächsten Jahres um 33 000 Soldaten zu verkleinern. Wo die Kräfte reduziert werden sollen, ist allerdings noch unklar.
Die USA sind neben Deutschland der größte Truppensteller im Zuständigkeitsgebiet der Bundeswehr in Nordafghanistan. Der für Ende des Jahres geplante Abzug der ersten deutschen Soldaten richtet sich auch danach, wie stark die Amerikaner ihre Truppe dort verkleinern.
42 Prozent sind laut der YouGov-Umfrage für radikale Konsequenzen aus den Erfahrungen am Hindukusch: Sie wollen, dass die Bundeswehr künftig gar nicht mehr ins Ausland geschickt wird. Enttäuscht ist eine große Mehrheit der Bevölkerung laut Umfrage von der Informationspolitik der Regierung in Sachen Afghanistan. Nur 12 Prozent der Befragten glauben, dass ihnen ein "ungeschminktes Bild" der Lage vermittelt wird. 78 Prozent fühlen sich dagegen nicht korrekt informiert.
YouGov befragte zwischen dem 30. September und dem 4. Oktober 1045 Menschen ab 16 Jahren. Die Ergebnisse offenbaren einmal mehr eine große Diskrepanz zwischen der Haltung der Politik zu dem Einsatz und der Stimmung in der Bevölkerung. In 13 Bundestagsabstimmungen seit 2001 haben stets mehr als 70 Prozent der Abgeordneten für eine Beteiligung der Bundeswehr an der internationalen Schutztruppe Isaf gestimmt. Zuletzt waren es im Januar 72,5 Prozent.
Die 42-prozentige Ablehnung jeglicher Auslandseinsätze als Konsequenz aus den Erfahrungen in Afghanistan widerspricht ebenfalls der Haltung der großen Mehrheit im Parlament. Lediglich die Linkspartei lehnt bewaffnete Einsätze der Bundeswehr im Ausland ab.
Der Angriff internationaler Truppen auf das damals von den Taliban beherrschte Afghanistan jährt sich am 7. Oktober zum zehnten Mal. Seit Anfang 2002 ist die Bundeswehr an dem Einsatz der internationalen Schutztruppe Isaf beteiligt. Insgesamt wurden bisher mehr als 100 000 deutsche Soldaten nach Afghanistan geschickt, derzeit sind rund 5000 dort stationiert. 52 deutsche Soldaten verloren in Afghanistan ihr Leben, 34 davon in Gefechten oder durch Anschläge.