Türkei: Haftrichter verhängt Untersuchungshaft für Deniz Yücel

Nach 13 Tagen Polizeigewahrsam in Istanbul ist der Welt-Korrespondent Deniz Yücel dem Staatsanwalt vorgeführt worden. Der Haftrichter hat auf Untersuchungshaft entschieden.
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Der deutsche Journalist Deniz Yücel, Türkei-Korrespondent der "Welt".
Can Merey/Archiv/dpa Der deutsche Journalist Deniz Yücel, Türkei-Korrespondent der "Welt".

Nach 13 Tagen Polizeigewahrsam in Istanbul ist der Welt-Korrespondent Deniz Yücel dem Staatsanwalt vorgeführt worden. Der Haftrichter hat auf Untersuchungshaft entschieden.

Istanbul - Nach 13 Tagen Polizeigewahrsam in der Türkei hat die Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen den "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel beantragt. Der Journalisten sei am Montagabend dem Haftrichter in Istanbul vorgeführt worden, meldete die Welt.

Die Zeitung berichtete nach Yücels Vernehmung durch den Staatsanwalt, dem 43-Jährigen werde "Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung" vorgeworfen. Yücel besitzt sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft.

Der Haftrichter soll für den Journalisten Untersuchungshaft gefordert haben. Das berichtet die Welt. Damit drohen dem Journalisten bis zu fünf Jahre Haft. Yücel ist der erste deutsche Korrespondent, der während des im Juli 2016 verhängten Ausnahmezustandes in der Türkei festgenommen wurde.

"Die Nachricht (...) ist bitter und enttäuschend", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montagabend in Berlin. "Diese Maßnahme ist unverhältnismäßig hart, zumal Deniz Yücel sich der türkischen Justiz freiwillig gestellt und für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt hat." Die Bundesregierung erwarte, dass die türkische Justiz in ihrer Behandlung des Falles Yücel "den hohen Wert der Pressefreiheit für jede demokratische Gesellschaft" berücksichtige.

"Wir werden uns weiter nachdrücklich für eine faire und rechtsstaatliche Behandlung Deniz Yücels einsetzen und hoffen, dass er bald seine Freiheit zurückerlangt."

Gabriel kritisiert Türkei

Auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat die Untersuchungshaft für Yücel in der Türkei scharf kritisiert. "Das ist eine viel zu harte und deshalb auch unangemessene Entscheidung", teilte Gabriel am Montagabend mit. "Sie berücksichtigt weder das demokratische hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit noch, dass Deniz Yücel sich freiwillig der türkischen Justiz gestellt und bereit erklärt hat, für das Ermittlungsverfahren voll zur Verfügung zu stehen." Gabriel sprach von "schwierigen Zeiten für die deutsch-türkischen Beziehungen".

Der SPD-Politiker sagte weiter: "Der Fall Deniz Yücel wirft ein grelles Schlaglicht auf die Unterschiede, die unsere beiden Länder offensichtlich bei der Anwendung rechtsstaatlicher Grundsätze und in der Bewertung der Presse- und Meinungsfreiheit haben." Gabriel kündigte an: "Wir haben allen Grund, das mit der Türkei in großer Deutlichkeit zur Sprache zu bringen. Wir sind fest entschlossen, uns mit allem Nachdruck dafür einzusetzen, dass Deniz Yücel schnell seine Freiheit zurück bekommt und das Verfahren zu einem guten Ende kommt."

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu nannte den Antrag auf Untersuchungshaft "nicht akzeptabel". Er kündigte eine Kundgebung für diesen Dienstag vor der türkischen Botschaft in Berlin unter dem Motto #FreeDeniz an. Mutlu sagte: "Wenn die Türkei zeigen will, dass sie eine Demokratie ist, dann muss diese Farce endlich beendet und die Presse- und Meinungsfreiheit geschützt werden."

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Yücel hatte sich am 14. Februar bei der Polizei in Istanbul gemeldet, weil nach ihm gefahndet wurde. Zunächst schienen sich die Vorwürfe um Yücels Berichte über gehackte E-Mails zu drehen, die vom Konto von Energieminister Berat Albayrak stammen sollen. Albayrak ist der Schwiegersohn von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Worauf die Vorwürfe des Staatsanwalts beruhen, blieb zunächst unklar.

Yücel geht es "ganz gut"

"Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt hatte nach Yücels Festnahme an die türkischen Behörden appelliert, keine Untersuchungshaft zu verhängen. "Deniz Yücel hat seine Bereitschaft gezeigt, an einem rechtsstaatlichen Verfahren mitzuwirken. Das und die Würdigung der Pressefreiheit, wie sie in der türkischen Verfassung festgeschrieben ist, sollten in die Entscheidung einfließen."

Yücel hatte seine Bedingungen im Polizeigewahrsam - vermittelt über seinen Anwalt - in der "Welt am Sonntag" als schwierig bezeichnet. Er hatte aber auch hinzugefügt: "Mir geht es ganz gut." Yücel teilte sich demnach mit meist ein bis zwei Mitgefangenen eine Sieben-Quadratmeter-Zelle. Gewalt habe er nicht erfahren oder mitbekommen. Die Polizisten seien manchmal grob im Ton, aber nicht ausfallend und im Rahmen der Vorschriften meistens auch hilfsbereit.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen lag die Türkei schon vor dem im Juli 2016 verhängten Ausnahmezustand auf Platz 151 von 180 Staaten. Dutzende regierungskritische türkische Journalisten sitzen in Haft. Im Dezember war ein amerikanischer Korrespondent des "Wall Street Journal" vorübergehend festgenommen worden, er verließ anschließend das Land.

Yücel ist seit Mai 2015 Türkei-Korrespondent der "Welt". Die Regierung hatte ihm eine Akkreditierung verweigert. Da er auch türkischer Staatsbürger ist, konnte er dennoch legal im Land arbeiten. Zahlreiche türkische Journalisten sind nicht von der Regierung akkreditiert. Bei ausländischen Korrespondenten ist die Akkreditierung Voraussetzung für die Aufenthaltsgenehmigung.

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