Söder in Ägypten: "Das ist die Zukunft"

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ist auf Ägypten-Reise – die AZ ist dabei. Dabei lobt er den diplomatischen Einsatz Ägyptens beim Nahostkonflikt und schwärmt von ihrem Bahnprojekt. Wie dieses aussieht und was Bayern damit zu tun hat.
von  Natalie Kettinger
Seite an Seite im heißen Wüstensand: Markus Söder, hier mit zutraulichem Kamel, besichtigt die Pyramiden von Gizeh.
Seite an Seite im heißen Wüstensand: Markus Söder, hier mit zutraulichem Kamel, besichtigt die Pyramiden von Gizeh. © Sven Hoppe/dpa

Kairo - Bei Sonnenaufgang steht Markus Söder vor den Pyramiden von Gizeh und krault "Valentino" den Kopf. Das Kamel kniet neben seinen Artgenossen "Mickey Mouse" und "Casanova" im Wüstensand. Es stiehlt dem bayerischen Ministerpräsidenten in diesem Moment die Show. Denn der soll ein Interview geben, kann sich vor Lachen aber kaum halten, weil das Tier dem Reporter ungeniert das Gesicht ableckt. Der CSU-Chef muss mehrmals neu ansetzen, bevor er sich wieder gefangen hat.

Es ist der amüsante Auftakt eines arbeitsreichen Tages in angespannten Zeiten. Söder ist nach Ägypten geflogen, um im Rahmen der bayerischen Afrikastrategie die wirtschaftliche Zusammenarbeit auf dem Kontinent auszubauen.

"Dazu unterstützen wir bayerische Firmen wie beispielsweise Siemens", hatte er im Vorfeld gesagt. Das Münchner Unternehmen baut im Land der Pharaonen ein 2000 Kilometer langes, hochmodernes Hochgeschwindigkeitsbahnnetz. Außerdem werden München und Kairo ein Abkommen über grünen Wasserstoff unterzeichnen. "Das ist die Zukunft", sagt der CSU-Chef.

Söder in Ägypten: "Wir wollen einen Friedensprozess"

Doch die jüngste Eskalation in Nahost schwebt wie eine finstere Wolke über allem, auch wenn die Sonne bei 31 Grad vom Himmel sticht. In der Nacht vor Söders Abreise hat der Iran Israel mit Raketen beschossen. Die Lage ist extrem volatil. "Wir stehen hinter Israel und wir unterstützen Israel in dieser schweren Zeit", sagt Söder. "Wir wollen einen Friedensprozess, ja", aber im Moment sei es wichtig, Nähe zu zeigen.

Ägypten hatte 1979 als erster arabischer Staat einen Friedensvertrag mit Israel geschlossen. Bis heute sei es eines der entscheidenden Länder, wenn es um die Stabilität im Nahen Osten gehe, sagt Söder. Ägypten und Katar sind wichtige ‒ wenngleich bislang erfolglose ‒ Vermittler zwischen Israel und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas.

Die Eingangshalle des neuen Bahnhofs des Siemens-Projekts "Suezkanal auf Schienen" in der neuen Verwaltungshauptstadt von Ägypten.
Die Eingangshalle des neuen Bahnhofs des Siemens-Projekts "Suezkanal auf Schienen" in der neuen Verwaltungshauptstadt von Ägypten. © Sven Hoppe/dpa

Seine Reise erfolgt auf Einladung des ägyptischen Staatspräsidenten Abd al-Fattah as-Sisi. Doch der Militärautokrat ist anderweitig beschäftigt: Er empfängt den saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Ein umstrittener Mann, aber ein wichtiger Player in der Region. Statt Sisi trifft Söder den ägyptischen Premierminister Mustafa Madbouly, Außenminister Badr Abdelatty und weitere Regierungsmitglieder.

Die Gespräche seien freundlich, produktiv und respektvoll gewesen, sagt Söder im Anschluss. Er habe nun die Handynummer des Außenministers und einige Nummern mehr. Die Gesprächsthemen: natürlich Nahost. Söder lobt den diplomatischen Einsatz Ägyptens und sagt:

"Alle Seiten müssen bemüht sein, eine Deeskalation zu erreichen." Außerdem habe man über den Austausch von Fachkräften gesprochen, irreguläre Migration und die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe für die Wasserstoff-Kooperation. Darum solle sich der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kümmern, auch vor Ort in Ägypten, sagt dazu sein Chef.

660 Kilometer langer Suezkanal auf Schienen

Mittags steht Söder dann auf der Baustelle des futuristisch anmutenden Hauptbahnhofs in der neuen Verwaltungshauptstadt des Landes. Sie entsteht 60 Kilometer östlich von Kairo, mitten in der Wüste. Sechs Millionen Menschen sollen hier einmal leben, weil Kairo mit aktuell mindestens 20 Millionen Einwohnern aus allen Nähten platzt. In Sichtweite wächst ein Olympiastadion aus dem Sand. 2036 oder 2040 (wie Bayern) will das Land Gastgeber der Spiele werden.

Der Bahnhof ist Teil eines der größten Siemens-Projekte aller Zeiten. Der Münchner Konzern will in Ägypten insgesamt drei vollelektrifizierte Bahntrassen realisieren: den 660 Kilometer langen "Suezkanal auf Schienen" zwischen den Hafenstädten Ain Sokhna am Roten Meer und Marsa Matrouh sowie Alexandria am Mittelmeer;

eine zweite 1100 Kilometer lange Strecke zwischen Kairo und Abu Simbel nahe der Grenze zum Sudan; sowie eine dritte Verbindung von Luxor nach Hurghada am Roten Meer (225 Kilometer). "Ein Mega-Projekt", lobt Söder.

Siemens Mobility wird dafür 41 Velaro-Hochgeschwindigkeitszüge, 94 Desiro-Hochleistungs-Regionalzüge und 41 Vectron-Güterlokomotiven liefern. Den Auftragswert beziffert der Konzern auf insgesamt 8,1 Milliarden Euro. Die ersten 24 Kilometer Schiene sind bereits verlegt. Das Interieur des Regionalzugs, durch den der Ministerpräsident geführt wird, erinnert vom blau-schwarzen Design her an die Münchner S-Bahn.

Zweifel an Nutzen für Bevölkerung

Ist das Netz einmal fertig, wird es 60 Städte verbinden. 90 Prozent der Bevölkerung sollen dann Zugang zum Bahnnetz haben. Ägyptische Verkehrsexperten hegen jedoch Zweifel daran, ob sich die Normalbevölkerung die Tickets überhaupt leisten kann. Das Land am Nil steckt in einer Wirtschaftskrise, die Inflation galoppiert, immer mehr der rund 110 Millionen Menschen rutschen in die Armut.

Die enormen Ausgaben für Sisis Mega-Projekt ‒ die Kosten für die neue Hauptstadt werden mit knapp 60 Milliarden Euro angegeben ‒ stehen deshalb durchaus in der Kritik. Offiziell werden die Großbaustellen von privaten Investoren finanziert, doch daran gibt es Zweifel.

Markus Söder begeistert das Bahn-Projekt auf jeden Fall. Wie schnell hier gearbeitet werde, sei beeindruckend. Das sei im Vergleich zur bundesdeutschen Langwierigkeit schon beneidenswert. Er habe gerade ein Schild gesehen, mit der Aufschrift "Coming soon" (auf Deutsch: kommt bald). "Das", sagt der Ministerpräsident, der nun mit Schutzhelm und Warnweste vor einem bayerischen Zug in der ägyptischen Wüste steht, "wäre doch mal ein Motto für die Deutsche Bahn."

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