Steuersenkungen: Wunsch und Wirklichkeit

Was ist dran an den Versprechungen? 89 Milliarden Euro würde das FDP-Konzept kosten. Abzüglich aller Sparvorschläge müsste man zur Finanzierung ungefähr den Sozialetat halbieren
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BERLIN - Was ist dran an den Versprechungen? 89 Milliarden Euro würde das FDP-Konzept kosten. Abzüglich aller Sparvorschläge müsste man zur Finanzierung ungefähr den Sozialetat halbieren

Zu schön, um wahr zu sein? FDP und CSU haben vor der Wahl Steuersenkungen versprochen – die AZ hat sich mal angesehen, was davon finanzierbar wäre und wo im Haushalt wie stark gekürzt werden müsste.

Die FDP hat das weit radikalere Modell vorgelegt: Laut dem RWI-Wirtschaftsinstitut würde es bei Bund und Ländern zu Einnahmeausfällen in Höhe von 89 Milliarden Euro führen. Das Konzept der Union, die so genannte kalte Progression abzumildern, kostet immerhin noch 25 Milliarden Euro, so DIW-Experte Viktor Steiner. Dazu kommt allerdings, dass die nächste Regierung die Neuverschuldung von jetzt 80 Milliarden mindestens halbieren muss, um die Maastricht-Kriterien wieder einzuhalten und die neu im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zu erfüllen. Das heißt, es müssen im Vergleich zu den aktuellen Ausgaben ohnehin bereits 40 Milliarden Euro eingespart werden.

Kann sich eine Steuerreform selbst finanzieren?

Die FDP zieht nun gerne mit der Botschaft durchs Land, dass Steuersenkungen sich quasi selbst finanzieren, weil die Bürger mit mehr Netto mehr konsumieren würden. In der Tat existiert die so genannte Laffer-Kurve, die misst, wo der Staat sein Optimum an Einnahmen erzielen kann – bei einem Steuersatz von null sind die Einnahmen gleich null; bei einem Steuersatz von hundert auch, weil niemand mehr arbeiten würde. Liegt der Steuersatz über dem Optimum, könnte der Staat tatsächlich mehr Einnahmen erzielen, wenn er ihn senkt. Andererseits weiß leider auch kein Experte, wo genau das Optimum liegt: Falls nach den Steuersenkungen der letzten Jahre der Satz in Deutschland schon unter diesem Punkt ist, würde eine weitere Senkung nur weitere Ausfälle verursachen.

Wenn alles gut geht, finanzieren sich die geplanten Steuersenkungen zu einem Drittel selbst, rechnen verschiedene Ökonomen und etwa auch Ex-Finanzminister Theo Waigel. Beim FDP-Modell bliebe also eine Lücke von 60 Milliarden, die Hälfte davon beim Bund. Sämtliche Sparvorschläge, die die FDP vorgelegt hat, summieren sich auf zehn Milliarden Euro – davon abgesehen, dass einige davon den Bürgern an anderer Stelle wieder das Geld aus der Tasche ziehen. Etwa, wenn der Steuerzuschuss in den Gesundheitsfonds reduziert wird und dann die Beiträge für die gesetzlich Versicherten steigen.

Bundeswehr, Straßenbau und Bildung abschaffen?

Macht immer noch 25 Milliarden, die allein wegen der FDP-Pläne aus dem Haushalt herausgekürzt werden. Zusammen mit den 40 Milliarden weniger Schulden macht das 65 Milliarden – knapp ein Viertel des Haushalts. Zur Verdeutlichung der Größenordnung: Dafür müsste man die Bundeswehr abschaffen (Verteidigungsetat 31 Milliarden) UND den kompletten Straßen- und Schienenbau einstellen (Verkehrsetat 26 Milliarden) UND kein Geld mehr für Bildung und Forschung ausgeben (10 Milliarden).

Dies waren bereits drei der fünf größten Posten. Die anderen zwei sind Zinszahlungen (42 Milliarden), also unveränderliche Fixkosten, und an erster Stelle der Sozialetat mit 123 Milliarden, von dem ungefähr zwei Drittel an die Rentner und ein Drittel an die Hartz-IV-Empfänger gehen. Will man also Bundeswehr, Straßen und Bildung erhalten, müsste zur Finanzierung der FDP-Reform der Sozialetat in etwa halbiert werden. Die übrigen Ausgaben (Justiz, Entwicklungshilfe, Politiker etc) sind alle einstellig und reichen nicht ansatzweise. tan

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