Spaltung der Union: Flügel, die nicht tragen

Der AZ-Chefredakteur über die vergangenen Landtagswahlen, die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Gräben innerhalb der Union.
Es sind Zahlen, die Generalsekretär Andreas Scheuer kaum besser hätte erfinden können: ARD-Wahlforscher haben am Rande der Landtagswahlen die AfD-Anhänger gefragt, ob sie es gut fänden, wenn sie auch in ihrem Bundesland die CSU wählen könnten – und bekamen ein lautes Ja zur Antwort: Von 57 Prozent Zustimmung in Sachsen-Anhalt über 61 im Ländle bis gar 72 Prozent in Rheinland-Pfalz. Was für Scheuer, Seehofer und Co. nur einen Schluss zulässt: Mit einer Union auf CSU-Kurs hätte es das Wahldesaster nie gegeben. Kurz gesagt: Angela Merkel ist schuld.
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Das ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht ein Ergebnis, das Seehofer kleinlauter machen müsste: In Malu Dreyer, Winfried Kretschmann und Reiner Haseloff haben genau jene drei Spitzenkandidaten die Mehrheit erzielt, die in der Flüchtlingspolitik noch am ehesten auf Merkel-Kurs steuern.
Der höhere Druck lastet auf Merkel
Die Wahlen haben die Spaltung der Union forciert. Die beiden Flügel werden bloß mehr zusammengehalten von der Angst vor Neuwahlen im Bund; dauerhaft tragfähig erscheinen sie beide nicht.
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Merkel aber hat einen Nachteil: Macher haben mehr Druck als ihre Kritiker. Sie muss bald die versprochenen Lösungen in der Flüchtlingsfrage liefern. Das wird zunehmend schwer, überall. Allein fürs Asylpaket II hat die Bundesregierung schon ein Vierteljahr gebraucht. Die internationale Lösung, an der Merkel arbeitet, ist noch langwieriger (und für manche ein hoffnungsloser Fall). Wer glaubt daran, dass der nächste EU-Gipfel ab Donnerstag den Durchbruch bringt, auf den Bundeskanzlerin Angela Merkel hofft? Im Zweifel kann Seehofer in Ruhe abwarten, dass ihm die nächsten Ereignisse in die Karten spielen. Und dass Merkel irgendwann zermürbt resigniert.