Sex, Lügen, Betrug: Diese bayerischen Politiker bekamen Besuch vom Staatsanwalt
Linus Förster, Michael Brückner oder Georg Schlagbauer: Etliche bayerische Politiker machen in diesem Jahr Bekanntschaft mit dem Staatsanwalt.
München -Sind die Ansprüche an die Moral von Politikern gestiegen? Neigt die Öffentlichkeit zur Skandalisierung? Oder sind mehr charakterlich ungeeignete Personen im Politikgeschäft? Jedenfalls machten 2016 ungewöhnlich viele Landes- und Bundespolitiker ungewollt Bekanntschaft mit dem Staatsanwalt. Ein Landtagsabgeordneter landete in U-Haft, über anderen schwebt das Damoklesschwert eines Strafprozesses mit Verurteilung.
Nur die Grünen in Bayern blieben von größeren Skandalen verschont. Die Immunität von Abgeordneten der CSU, SPD und Freien Wähler (FW) im Landtag musste hingegen aufgehoben werden. Schwerwiegendster Fall ist der des Augsburger SPD-Parlamentariers Linus Förster, der seit Mitte Dezember in Untersuchungshaft sitzt. Die Vorwürfe blieben bislang nebulös, müssen aber gravierend sein. Unter anderem sollen bei Durchsuchungen bei dem bisherigen jugendpolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Bilder von nackten Minderjährigen gefunden worden sein.
Alle Parteien sind involviert
„Sexuelle Handlungen mit einer Jugendlichen gegen Entgelt“ wurden dem Nürnberger Landtagsabgeordneten Michael Brückner (CSU) vorgeworfen. Die Affäre Brückners mit einer 16-Jährigen wurde im Juni publik. Wie der SPD-Abgeordnete Förster zog Brückner sofort die Konsequenzen, trat von allen Ämtern zurück und legte sein Mandat nieder.
Während CSU und SPD die Probleme mit ihren gestrauchelten Landtagsabgeordneten damit los sind, steht den Freien Wählern das Schlimmste ausgerechnet im Bundestagswahljahr 2017 noch bevor – nämlich der Strafprozess gegen ihren unterfränkischen Abgeordneten Günther Felbinger. Der wurde bereits angeklagt, den Steuerzahler in Gestalt des Landtagsamts durch Zweckentfremdung der Abgeordnetenpauschalen betrogen zu haben.
Die Anklage Felbingers vor einer Großen Strafkammer erscheint zwar etwas überdimensioniert, gleichwohl würden es insbesondere die fränkischen FW-Abgeordneten gerne sehen, wenn der Unterfranke die Konsequenzen zieht, die Fraktion verlässt und sein Landtagsmandat zurückgibt. Doch Felbinger weigert sich standhaft, nachdem er seine Funktion als bildungspolitischer Sprecher abgegeben hat.
Oktoberfest-Attentat: Soko-Chef muss gehen
Das habe auch etwas damit zu tun, dass er erst seit 2008 dem Landtag angehört und die recht attraktiven Abgeordnetenpensionen erst ab zehnjähriger Zugehörigkeit zum Parlament gezahlt werden, argwöhnen einige. Felbinger leistete zu Beginn der Affäre mit dem Satz „Ich habe mir nichts vorzuwerfen, ganz klar“ nebenbei einen Beitrag zur Rubrik „Lügen“. Seehofer in Sorge: „Es geht ja um das Ansehen der CSU insgesamt“ Eine politische Zeitbombe tickt seit geraumer Zeit auch im Regensburger Rathaus. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen SPD-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs und SPD-Fraktionschef Norbert Hartl in einer handfesten Parteispendenaffäre. Insgesamt eine halbe Million Euro sollen drei Immobilienunternehmen an Wolbergs SPD-Ortsverein Regensburg-Süd „gespendet“ haben – nicht ohne Gegenleistung, wird schwer vermutet. Wolbergs und Hartl sitzen derzeit noch die Affäre aus, obwohl Letzterer jetzt zugab, einem Bauteam vorab einen Konzeptentwurf für ein Vergabeverfahren zugespielt zu haben.
Abgeordnete, Bürgermeister, Landräte
Explodiert ist eine solche Bombe bereits im Juni unter dem Stadtratssessel des Münchener CSU-Ratsherrn Georg Schlagbauer. Der war nicht irgendeiner der 80 Münchener Stadträte, sondern bekleidete die herausgehobene Funktion des „Wiesn-Stadtrats“ und war Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Als die AZ aufdeckte, dass der 44-Jährige CSU-Hoffnungsträger durch Bordellbesuche Schulden in fünfstelliger Höhe angehäuft hatte und regelmäßig Drogen konsumiert haben soll, verschwand er unversehens von der politischen Bühne und hinterließ eine „CSU im Schockzustand“ („Süddeutsche Zeitung“).
Wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit ist die Ingolstädter Staatsanwaltschaft in der Stadtverwaltung unterwegs. Die Ermittlungen richten sich unter anderem gegen den früheren Oberbürgermeister und Klinikums-Aufsichtsratsvorsitzenden Alfred Lehmann (CSU). Der hatte als Berater einer Headhunter-Agentur unter anderem den neuen Ärztlichen Direktor des Klinikums empfohlen. Die Affäre beschäftigt auch einen anderen Ingolstädter, den CSU-Chef Horst Seehofer. „Es geht ja um das Ansehen der CSU insgesamt“, sagte Seehofer zu dem Fall: „Und um meine Heimatstadt.“
Ordentlich Schlagzeilen außerhalb seiner Amtstätigkeit machte auch der Regener SPD-Landrat Michael Adam. Die Staatsanwaltschaft interessierte sich bislang zwar nicht für die Eskapaden des 32-Jährigen, aber Sex im Amt, Drogen, schlüpfrige SMS und Alkoholsucht sorgten für erheblich mehr Furore, als im Herzen des Bayerischen Waldes üblich ist. Als SPD-Hoffnungsträger gilt Adam ohnehin nicht mehr, seit er öffentlich erklärt hatte, bei der Bundestagswahl 2013 die CSU gewählt zu haben.