Selbstlob und ein Spagat: Rede von Ursula von der Leyen zur Lage der Europäischen Union

Nach Vorbild der USA hält Ursula von der Leyen eine Rede zum Zustand der Europäischen Union. Was man zum Auftritt der EU-Kommissionspräsidentin wissen muss.
Katrin Pribyl |
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Ursula von der Leyen am Mittwoch im Europäischen Parlament.
Ursula von der Leyen am Mittwoch im Europäischen Parlament. © Philipp von Ditfurth/dpa

Brüssel - Da reiste schon der gesamte EU-Tross in Wanderzirkus-Manier von Brüssel nach Straßburg, doch diese eine Frage, die die Blase derzeit nervös umtreibt, beantwortete Ursula von der Leyen (CDU) nicht. Strebt die Kommissionspräsidentin eine zweite Amtszeit an? Kein Wort gab es dazu, aber ihre Inszenierung auf der großen politischen Bühne könnte als Hinweis dienen.

Wochenlang lief auf der Internet-Seite der EU-Kommission ein Countdown, der die Tage, Stunden, Minuten und sogar Sekunden heruntergezählt hatte, bis die Chefin am Mittwoch um exakt 9.09 Uhr ans Pult im riesigen Plenarsaal trat. Zeit für die jährliche Rede zur Lage der Union, Zeit auch für viel Eigenlob.

EU-Rede von Ursula von der Leyen: Geschenke für alle

Die Ansprache neun Monate vor dem Urnengang trug den Titel "Europa stellt sich seinem historischen Auftrag" und dürfte dann auch als Fundamentlegung für die kommende Wiederwahl-Kampagne verstanden werden. Die 64-Jährige zog eine Stunde und vier Minuten lang vor allem Bilanz. So viel vorneweg: Ursula von der Leyen findet in aller Bescheidenheit, dass Ursula von der Leyen einen äußerst guten Job gemacht hat. Man habe "bei mehr als 90 Prozent der politischen Leitlinien", die sie vor vier Jahren vorgelegte, geliefert.

Die Erwartungen im Publikum waren so riesig wie gegensätzlich. Dementsprechend versuchte sich die Deutsche im Spagat. Für jeden, den sie für eine weitere Amtszeit braucht, war ein Geschenk dabei. Neben der europäischen Automobilindustrie dürfte Frankreich erleichtert über Leyens Ankündigung sein, eine Wettbewerbsuntersuchung wegen staatlicher Unterstützung für Elektroautos aus China einzuleiten. "Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt, das verzerrt unseren Markt."

"Blaupause für die ganze Welt": Ursula von der Leyen lobt das KI-Gesetz der EU

Zudem betonte sie, die Windkraft in Europa weiter vorantreiben und Genehmigungsverfahren stärker beschleunigen zu wollen. Auf der Liste der geplanten Projekte stehen darüber hinaus der Kampf gegen illegale Migration und Schlepper, was Italien freuen dürfte.

Als weiteres Schwerpunktthema sprach sie die schnell voranschreitende Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) an und die Herausforderungen wie Desinformation oder Verbreitung schädlicher Inhalte. "Unser Gesetz über Künstliche Intelligenz ist bereits eine Blaupause für die ganze Welt", lobte sie und kündigte eine neue Initiative an, um KI-Start-ups "unsere Hochleistungscomputer zur Verfügung zu stellen".

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Der kleine, aber feine Unterschied: Leyen ist nicht die Regierungschefin Europas, kann ohne die Hilfe aus den 27 Mitgliedstaaten ihre Ideen keineswegs umsetzen. Auf die Unterstützung der EU-Länder ist sie vor allem bei einem Projekt angewiesen: die EU-Erweiterung. Sie nannte als Ziel eine "vollendete Union mit über 500 Millionen Menschen", die in einer freien, demokratischen und blühenden Gemeinschaft lebten. Da schimmerte dann doch ihre Vorliebe für den pathetischen Auftritt heraus.

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  • Der wahre tscharlie am 14.09.2023 18:42 Uhr / Bewertung:

    Genau so ist es. Selbstlob und Spagat. Und als wichtige Wirtschaftsnationen bekommen Frankreich und Italien kleine "Geschenke".
    Kein Wort zu Push-backs. Kein Wort zu den Frontex-Geschichten. Kein Wort zu den Toten im Mittelmeer. Kein Wort dazu, dass sie die Atomkraft zur Grünen Energie eingestuft hat.

    Ich will ja nicht hoffen, dass sie NATO-Generalsekritärin wird. Denn sie hat als Bundesverteidigungsministerin schon versagt. Um so schlimmer wäre der Schaden bei der Nato.

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