Seehofers Spiel mit der Macht: Schach den Kronprinzen
MÜNCHEN - Es gilt das neue Machtgefüge in der CSU. Wie beim Hahnenkampf lässt dabei der Parteichef und Ministerpräsident die Jungstars Guttenberg und Söder aufeinander los. Wie Horst Seehofer die beiden Kronprinzen gegeneinander ausspielt - und so seine Macht sichert.
Ermacht es ganz geschickt. Keiner soll merken, was wirklich dahintersteckt. „Ich organisiere meine Nachfolge“, kokettiert Seehofer mit verschmitztem Lächeln, wenn er über seine Kronprinzen spricht. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (37) und Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (42) lässt er um sein Erbe rangeln.
Doch was so schön als Frischzellenkur und Jugendförderung in der CSU gelobt wird, ist in Wahrheit ein durchtriebenes Spiel. In dem geht es vor allem um die Sicherung von Seehofers eigner Macht. Er will Parteichef und bayerischer Ministerpräsident bleiben – auch wenn die CSU heuer mit der Europa- und Bundestagswahl ein zweites Erdbeben erleben sollte. Keiner soll ihn dann, nach knapp einem Jahr, schon wieder vom Thron stoßen können. Dafür hat Seehofer alles fein gerichtet – besser als sein Vorvorgänger Edmund Stoiber. Der ließ keine Jungen hochkommen, weil er fürchtete, sie könnten ihm gefährlich werden. Vor den Alten wie Günther Beckstein, dem Franken, und Erwin Huber, dem Niederbayern, fürchtete er sich nicht. Die beiden neutralisierten sich im Kampf um die Nachfolge. Dass sie sich damals in Kreuth einigen und die Macht teilen könnten, damit hatte Stoiber nicht gerechnet. Seehofer hat daraus gelernt – und auch für diese Möglichkeit vorgesorgt.
Seehofer holt die Jugend, damit sie ihm nicht gefährlich werden kann. Er fördert ihre Rivalität, um das Miteinander zu schwächen. Guttenberg und Söder – das ist wie Feuer und Wasser. Zwei Alpha-Tiere aus zwei Welten, die sich nicht mögen. Und: die sich gegenseitig neutralisieren!
Promotion für die Mutter
Guttenberg ist Katholik, Adelsspross, auf einem Schloss aufgewachsen mit Klavierunterricht, Jagd, Highschool in den USA und einem Millionen- Vermögen im Kreuz. Söder ist Protestant, Maurersohn aus Nürnberg-Schweinau, einem Glasscherben-Viertel, spielte Fußball und heiratete reich. Beide studierten Jura. Söder volontierte 1993 nach dem ersten Staatsexamen beim BR, zog 1994 in den Landtag ein, wurde ein Jahr später JU-Chef und promovierte 1998 – für seine Mutter. Die hatte sich einen Sohn mit Doktortitel gewünscht.
Guttenberg schloss sein Studium mit dem zweiten Staatsexamen ab, kümmerte sich ums Familienvermögen und machte erst 2007 seinen Doktor, als er schon fünf Jahre im Bundestag saß. Beide sind verheiratet: Söder mit der Nürnberger Unternehmerstochter Karin Baumüller. Er hat vier Kinder. Eine Tochter brachte er mit in die Ehe. Guttenberg mit der Ur-Urenkelin von Reichskanzler Otto von Bismarck, Stephanie von Bismarck. Das Paar hat zwei Töchter.
Stoibers Ziehsohn
Lange konnte sich Söder sicher fühlen, dass in der CSU alles auf ihn zulaufen würde. Er war der Ziehsohn von Stoiber und galt als aussichtsreiche Nachwuchshoffnung, weil in seiner Altersklasse einfach keine Konkurrenz da war. Bis völlig überraschend am 8. Dezember 2007 Karl-Theodor zu Guttenberg zum Chef der CSU Oberfranken gewählt wurde. Schon der damalige CSU-Chef Erwin Huber setzte den Aristokraten als Abwehrwaffe gegen Söder ein, der nach Höherem strebt. Guttenberg lederte sofort los und attestierte Söder ein „verstörendes Niveau“. Söder machte derweil den Steigbügelhalter für Seehofer – und das Tandem Beckstein/ Huber war nach dem Wahldesaster weg.
Seitdem herrscht in der CSU ein neues Machtgefüge. Wie beim Hahnenkampf lässt Seehofer Guttenberg und Söder aufeinander los. Er lobt, stichelt, und spielt sie gegeneinander aus. Guttenberg ist Bundesliga: Er muss als Wirtschaftsminister zeigen, wie er Opel und Schaeffler in den Griff bekommt. Söder ist Landesliga und tut alles, um in der Bundesliga mitzumischen. Am Sonntag war er bei Anne Will, am Mittwoch ist er bei Kerner. Er soll als bayerischer Gesundheitsminister ein zugkräftiges Konzept für die Bundestagswahl erarbeiten, das den ungeliebten Gesundheitsfonds, Kopfpauschale und Bürgerversicherung in den Schatten stellt. Damit sind die beiden erstmal beschäftigt.
"Guttenberg ist mein Bester"
Seehofer macht Söder klein, tadelt ihn: „Besser einen Hund einzufangen, als einen Hund zum Jagen zu tragen.“ Guttenberg dagegen macht er groß, lobt: „Der ist mein Bester.“ Auch bei den Bürgern kommt der Freiherr super an. Dieses Pampern geht Söder gehörig auf den Senkel. Im kleinen Kreis lästerte er über Guttenberg, er könne überhaupt nicht verstehen, dass man jemanden gut finde, dessen Familie nur zu Geld gekommen sei, weil seine Vorfahren das Volk ausgebeutet haben. Beim CSU-Ball in Nürnberg brach es regelrecht aus ihm heraus. Mit einem Seitenhieb auf den Konkurrenten begrüßte Söder in seiner Rede den Wirtschaftsreferenten der Stadt Nürnberg, Roland Fleck: „Fleck hat zwar nicht so viele Vornamen - aber er hat Kompetenz.“ Den Namen von Bundeswirtschaftsminister Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jakob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg nahm Söder nicht in den Mund.
Nun ist es für beide noch ein bisschen zu früh, um Seehofer vom Thron zu stoßen. Söder braucht noch, um seinen Image-Wechsel vom Haudrauf zum Staatsmann zu festigen und sich Anerkennung in der CSU zu erarbeiten. Er ist dran interessiert, dass Seehofer noch ein paar Jahre bleibt. Guttenberg auch. Doch zwei weitere Wahldesaster in einem Jahr könnten alles auf den Kopf stellen.
Aber auch da hat Seehofer vorgesorgt. Sollten sich Söder und Guttenberg in letzter Minute zusammenraufen, so wie einst Beckstein und Huber, und sich die Macht teilen wollen, baut sich sofort ein mächtiger Rettungsschirm auf. Beide sind nämlich Franken. Und denen würden die Altbayern nie und nimmer die Macht in der CSU überlassen. Sofort würden die Oberbayern ihren Anspruch dagegenhalten. Doch sie haben niemanden, der Seehofer gefährlich werden könnte. Ihr Bezirksvorsitzender und Staatskanzleichef Siegfried Schneider (52) ist als Handlanger von Seehofer ausgemustert und zu alt. Finanzminister Georg Fahrenschon (40) ist anerkannter Fachmann, aber kein Politik- Allrounder. Und Bundsagrarministerin Ilse Aigner (44) und Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (47) sind Frauen.
Inzwischen setzt sich diese Erkenntnis auch bei einigen in der CSU durch. Ein Stratege zur AZ: „Seehofer legt alles darauf aus, dass wir ihn am Ende betteln müssen zu bleiben.“
Angela Böhm